Wie schnell doch 14 Tage umgehen können. Zum Glück hatten wir noch eine Woche Urlaub zu Hause, eine Woche um die Eindrücke verarbeiten zu können, eine Woche um Telmo den ganzen Tag zu genießen. So wie an der Nordsee sind wir auch in dieser letzten Urlaubswoche jeden Tag einige Stunden mit Telmo unterwegs gewesen. Ansonsten kann man für diese 7 Tage auch zusammengefasst sagen, wo wir waren, war auch Telmo, wo Telmo war, waren wir auch. Dann der erste Arbeitstag, nicht nur für uns, auch für Telmo eine Umstellung. Wie gewohnt gegen 11:00 Uhr der Anruf bei meiner Schwester. Der Inhalt des Telefonats: „gehe mit Telmo im Wald spazieren, aber heute morgen hat er demonstriert, zwar ohne Transparent und Trillerpfeife aber dafür mit ca. 90 Minuten Bellen und Jammern“. Um ehrlich zu sein, so oder so ähnlich hatten wir es erwartet. Bis zum Ende der Woche hatte sich sein Protest aber auf wenige Minuten beschränkt, eigentlich war es sogar nur eine kurze Info, „ich bin jetzt alleine und das stinkt mir“.
Dann bin ich eine Woche „ausgefallen“ und Antje war mit Telmo alleine. Als ich mit ihr telefoniert und gefragt hatte wie es läuft, hieß es kurz und knapp: „Besch…, Telmo war den ganzen Abend und die Nacht unruhig, er hat auf jedes Geräusch geachtet und nach einer mühsamen Gassi-Runde ist er erst einmal auf der Suche nach dem fehlenden Rudelmitglied durch die Wohnung gelaufen“. Zum Glück konnte ich Freitags wieder nach Hause und nachdem Telmo mich ausgiebig und überschwänglich begrüßt hatte, hatte er den Rest des Tages wie Pattex an mir geklebt.
Ein für mich erfreulicher Umstand war es, dass ich noch 14 Tage zu Hause bleiben konnte bevor der Schreibtisch wieder mit meinem Erscheinen rechnen konnte. Es war eine Zeit, in der ich einen Telmo erlebt habe, der in einigen Bereichen sehr viel anders als vor unserem Urlaub reagiert hat. Dass er sich bei Spaziergängen nie weiter als ca. 10 bis 15 Meter von uns entfernt hatte kannten wir, aber jetzt war der Abstand noch geringer. Vielfach ist er jetzt auch direkt neben uns gelaufen und hat ständig Blickkontakt gehalten. Begegnungen mit anderen Hunden waren wesentlich entspannter und selbst wenn er dabei war sich einem anderen Hund zu nähern, brauchten wir nur rufen oder einfach weiter gehen und er war ohne Zögern zu uns gekommen. Im Urlaub hatte er noch den Versuch gestartet ein Kaninchen zu jagen, vor ca. 4 Wochen hatte er es auf ein Eichhörnchen abgesehen. Ein einziges „Telmo nein“ und es hatte ausgesehen, als ob er gegen eine Wand gelaufen wäre. Es ist faszinierend wie Telmo auf die unterschiedlichen Hunde reagiert. Als ich an einem Samstag allein mit ihm im Wald unterwegs war, kam uns eine Frau mit 2 Mischlingen entgegen, beides Weibchen.
Es geht auch Anderen so
Bei dem größeren Weibchen hatte Telmo einen leichten Bogen gemacht und war dann seitlich auf sie zu gegangen, nur ganz kurzes Schnüffeln und er geht zu der kleineren Hündin. Die Beiden beschnüffeln sich etwas länger, dann kommt Telmo und legt sich neben mich. Ich komme mit der Halterin ins Gespräch und erfahre, dass beide Hündinnen aus der Türkei stammen. Die größere Hündin (hatte sich inzwischen einige Meter von uns entfernt) hatte Angst vor Allem was sich bewegt, ganz besonders vor ihr unbekannten Menschen aber auch fremden Hunden gegenüber war sie im Gegensatz zu der kleineren Hündin sehr skeptisch. Hmmm, hatte Telmo das bemerkt und ihr deshalb den Rücken zugedreht? Wie auch immer, ich hatte es ihm gleich getan, mich zu ihm gesetzt und ihn gekrault. Nach ein paar Minuten meint die Halterin, ich solle ruhig sitzen bleiben. Als ich den Kopf vorsichtig etwas zur Seite drehe sehe ich, die Hündin war zu uns gekommen und hatte Telmo vorsichtig beschnüffelt. Ich hatte noch ein paar Worte mit der Halterin gewechselt und dann ging es weiter.
Er zeigt viel Fingerspitzengefühl
Telmos Verhalten hatte mich zwar ein wenig überrascht, aber ich hatte es einfach darauf geschoben, dass die beiden Hündinnen sehr ruhig gewesen waren und ihn nicht bedrängt hatten. Ein paar Tage später erzählt meine Schwester, auf dem Spaziergang mit Telmo hätten sie eine Fahrradfahrerin mit einem Jagdhund getroffen, Telmo hätte ganz anders als sonst reagiert. Erst wäre er stehen geblieben und selbst als der andere Hund in seine Richtung gebellt hätte, wäre von ihm keine Antwort gekommen, im Gegenteil, er hätte in eine ganz andere Richtung gesehen und wäre ruhig mit einigen Metern Abstand an seinem Artgenossen vorbei gegangen. Blick zur Seite? Abstand halten? Einen Bogen laufen? Dass Telmo sich sehr gut ausdrücken kann und die Kommunikation mit seinen Artgenossen sehr gut beherrscht, das hatten uns unsere Trainerinnen Vera und Ulli schon bestätigt.
Also musste es mit dem Jagdhund etwas Besonderes auf sich haben:
Inzwischen haben wir ihn und seine Halterin selbst getroffen, Mephisto ist in einer Tötungsstation von anderen Hunde schwer gebissen worden und seitdem hat er Angst vor allen anderen Hunden. Wir achten inzwischen noch mehr auf Telmos Körpersprache, besonders wenn wir andere Hunde treffen. Dabei sind uns ein paar Sachen aufgefallen:
Sobald Telmo aber bemerkt das Antje und ich weiter gehen, hat er jedes Interesse an seinem Artgenossen verloren und kommt.
Nachdem ein frei laufender Boxer mehrfach hinter ihm (er war angeleint) hergelaufen und ihn solange bedrängt hatte bis Telmo mit heftigem Bellen und Knurren reagiert hatte,
ist Antje vom Halter des Boxers „angeboten“ worden, ihm Telmos Leine zu geben (seine Hand ging schon in die Richtung), wenn sie ihren Hund nicht im Griff hätte, solle sie Telmo ihm überlassen, er hätte ihn in zwei Minuten soweit. Wenn auch nicht gerade dankend, Antje hat dieses überaus freundliche Angebot eines wahren Hund-Experten natürlich schweren Herzens abgelehnt.
Dass ich nicht dabei war hatte mich ein wenig traurig gestimmt, es wäre bestimmt sehr lustig geworden.
Und wenn es sein muss, dann zeigt er anderen Hunden, was er will
Bei einem gemeinsamen Spaziergang mit mehreren skeptischen und teilweise ängstlichen Hunde hat Vera gemeint, durch sein Aufwachsen in einem mehr oder weniger wild lebendem Hunderudel würde Telmo sehr fein und für den Menschen oft nicht sichtbar mit anderen Hunden kommunizieren. Wären diese nicht an diese extrem „leise“ Form von Telmos Körpersprache gewohnt, könnte es zu Missverständnissen kommen. Das passende Beispiel hatten wir nur ein paar Minuten später bekommen. Easy, ihr eigener (noch sehr junger) Hund durfte am Ende des Spaziergangs die anderen Hunde begrüßen. Völlig unbedarft kam er mit aufgerichteter Rute schnurstracks auf Telmo zu. Telmos hatte seine Rute ebenfalls aufgerichtet und die Beiden haben sich beschnüffelt, dann, Easy drängt sich an Telmo vorbei und will an Telmos Rückseite schnüffeln. Telmo dreht sich herum und wieder drängt Easy sich an ihm vorbei. Als wir Telmo an der Leine zurückhalten wollen weil wir merken dass er langsam säuerlich wird sagt Vera, wir sollen es nicht machen. Telmo hätte zweimal Easy zweimal gezeigt dass er sich zurückhalten und ein wenig Respekt zeigen solle, aber Easy würde Telmos Signale einfach ignorieren. Selbst auf Telmos strengen Blick würde er nicht reagieren also bräuchte er sich auch nicht beschweren. Schließlich hatte aber von Telmo nur ein einziger Schritt vorwärts gereicht und Easy hatte dann doch verstanden.
Wir müssen einfach nur genau hinsehen, denn Hunde sind ein Geschenk!
Am Anfang unserer Reise hatten Antje und ich viel von unseren Trainerinnen Vera und Ulli gelernt, inzwischen lernen wir von Telmo, wir müssen nur genau hinsehen.
Diese Folge unserer Reise möchte ich mit einem Zitat von Roger Caras schließen, es lautet:
„Wir schenken unseren Hunden ein klein wenig Liebe und Zeit. Dafür schenken sie uns restlos alles, was sie zu bieten haben. Es ist zweifellos das beste Geschäft, was der Mensch je gemacht hat“.
In der nächsten Folge geht es um das, was von Telmos Ängsten noch existiert.
Ein Gastbeitrag von Christoph Detmer.
Alle Bilder & Quellen: Christoph Detmer