Ob bei Spaziergängen oder anderweitigen Begegnungen, selten wird der Tornjak hier zulande erkannt. Eine wahre Rarität, möchte man meinen.

Die Geschichte des Tornjaks

Dabei lassen sich erste schriftliche Erwähnungen, in denen der Canis montanus beschrieben wird, schon im 11. und 13. Jahrhundert finden. Er war überwiegend in den bergigen Regionen Bosniens und Herzegowinas, sowie Kroatiens beheimatet. Seine Aufgabe bestand darin, die Herde zu bewachen und zu schützen. Er sollte nie unüberlegt aggressiv sein und sich oder die Herde in Gefahr bringen, sondern in einem ihm vorgegebenen Rahmen selbstständig aufpassen. Im Sommer begleitete er die Herde auf die Weiden, im Winter ging es wieder bergab, näher zu den Dörfern. Abends wurde die Herde zum Schutz in die „tor“-e (Pferche) getrieben. Von Letzteren hat er auch seinen eigentlichen Namen bekommen – Tornjak.

Tornjak Damia allein auf weiter Flur

Bild & Quelle: Božana Kelemenić von „Assertor Unicus“

In den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts begann man erstmals mit Zuchtstrategien zur Erhaltung der Rasse, da der Tornjakbestand massiv bedroht war.

Sein Aussehen

In der Regel ist der Tornjak mehrfarbig mit klaren Zeichnungen verschiedenster, homogener Farben. Die dominante Grundfarbe ist üblicherweise weiß. Es gibt auch mantelhafte Typen, ebenso wie fast weiße mit minimalen Zeichnungen, welche mit symmetrischen Gesichtszeichnungen, mit oder ohne Abzeichen, genauso wie asymmetrische ein- oder beidseitige Zeichnungen um die Augen herum. Alle Varianten sind gleichwertig.

Die Beschaffenheit des Fells und der Ursprung der damaligen Nutzung und Haltung der Tornjaks bringen einen sehr positiven Aspekt mit sich. Wenn der Wechsel vom flauschigen Welpen- ins Erwachsenenfell vollzogen ist, wird es schmutzabweisend und für den Besitzer sehr pflegeleicht, da tägliches Bürsten nicht notwendig ist. Vom Scheren im Sommer sollte man bei dieser Rasse absehen, da das schnelle Nachwachsen der Unterwolle das langsame Wachsen des Deckhaars verhindert und zur Folge hat, dass das komplette Haarkleid verfilzen kann und es unter Umständen keine Wasser abweisende Funktion mehr hat. Weiterhin können Haarausfall und dauerhafte Schädigung des Deckhaars entstehen und der Mangel an Deckhaar kann zu Sonnenbrand und Überhitzung führen.

Je nach Jahreszeiten gibt es einmal im Jahr einen Fellwechsel, welchen man unterstützen kann, indem man zum Sommer hin durch Ausbürsten beim Auflockern und Ausdünnen der Unterwolle hilft. Zum Winter hin fördert man durch regelmäßiges Kämmen die Durchblutung und das Wachsen der Unterwolle. Aus der ausgekämmten Unterwolle kann man z.B. Schmuck- oder Kleidungsstücke herstellen (lassen).

Tornjak Hündin Luna liegt im Gras

Bild & Quelle: Božana Kelemenić von „Assertor Unicus“

Das wohlproportionierte Größe-Masse-Verhältnis des Tornjaks schützt ihn im Winter vor Wärmeverlust, weshalb er sich sehr gerne im Freien aufhält. Es kann durchaus vorkommen, dass man einen vollständig eingeschneiten Tornjak im Garten vorfinden kann, wenn man ihn aus dem Haus gelassen hat. Die Liebe zum Schnee liegt ihm im Blut. Folglich ist er im Sommer bei sehr hohen Temperaturen eher etwas träge und lebt meist erst abends wieder auf, wenn die Temperatur gesunken ist. Tornjaci sind leichtfüßig und agil. Junghunde wirken oft leicht tollpatschig und unkoordiniert, was am schnellen Wachstum liegt. Wenn sie ausgewachsen sind, haben sie aber einen athletischen und harmonischen Bewegungsapparat.

 

Der Tornjak ist ein Rudeltier

Auch zum Herdenschutz agieren sie immer im Team. Bei idealen Bedingungen sind sie um ein Vielfaches ausgeglichener, wenn sie mindestens zu zweit sind. Im Vergleich zu anderen Herdenschutzhunden sind sie nicht übertrieben misstrauisch. Sie sind teilweise extrovertierter und gerne mit neuen Menschen zusammen, wenn sie sie kennengelernt haben. Von ihrem Naturell her sind sie sehr beschützend. Beim gemischt-rassigen Gruppenspaziergang stellt sich der Tornjak gerne vor alle und schützt sein Umfeld.

Božana Kelemenić mit drei Tornjaci auf der Wiese

Bild & Quelle: Božana Kelemenić von „Assertor Unicus“

Ein Hund, der gut zu Kindern passt

Vor allem Kindern gegenüber legt er eine sehr zärtliche, geduldige und noch beschützendere Art an den Tag. Einmal waren wir bei Freunden zu Besuch, deren Enkelinnen anwesend waren. Nach ca. 2 Stunden gemeinsamen Spielens im Garten hat sich ein kleiner, ungezogener Hund Zutritt zu diesem verschafft und sprang massiv die jüngere Enkelin an, was unsere Hündin gar nicht gut gefunden und ihn kurzerhand in seine Schranken gewiesen hat, denn das Mädchen hatte panische Angst vor dem an ihr hochspringenden kleinen Hund. Es war erstaunlich, da unsere Hunde die Mädchen erst seit ein paar Stunden kannten, sie jedoch zur Freude aller souverän beschützt haben.

 

Er ist kein Angriff-Hund, sondern meidet die direkte Konfrontation

Solch offensive Aktionen sind jedoch eher die Ausnahme. Sie suchen eigentlich keine direkte Konfrontation, jedenfalls nicht in der Rolle des Herausforderers. Die Aufgabe des Tornjaks besteht im Warnen und Verbellen des Angreifers. Wenn dies nicht ausreicht, können sie sich durchaus effektiv verteidigen. In der vorhandenen Literatur liest man oft, dass Tornjaci sehr viel bellen. Im Ansatz ist das richtig, jedoch gibt es verschiedene Arten von Gebell.

Mit der Zeit lernt man, welches Bellen akute Gefahr signalisiert, welches Ungewöhnliches meldet, damit sein Mensch es zur Kenntnis nimmt, oder welches einfach aus purer Langeweile resultiert. Und manchmal sitzt vielleicht auch einfach nur Nachbars fiese Katze vor dem Hoftor und putzt sich in aller Seelenruhe jedes einzelne kurze und lange Haar vor den Augen der Hunde und nein, sie möchte sie natürlich nicht provozieren, ignoriert meisterhaft das Bellen und lässt sich in ihrer Tätigkeit nicht beirren, denn Körperhygiene muss sein! Doch diese letzten beiden Punkte kann man mit ein bisschen Training reduzieren, damit der Tornjak lernt, dass er nicht allem und jedem hinterher bellen muss. Dann wird auch das Zusammenleben mit seinen Menschen und den Nachbarn drum herum um einiges angenehmer. Mit dem Alter nimmt die Bellfreude ab.

 

Sehr verschmust, aber auch freiheitsliebend

Riko & Luna liegen friedlich auf der Wiese

Bild & Quelle: Božana Kelemenić von „Assertor Unicus“

Sie können vom Typ her ruhig, gelassen, zurückhaltend, genauso wie aktiv, unternehmungslustig, verspielt, emotional und verschmust sein. Tornjaci sind freiheitsliebend, genießen die Weite der Natur, und wenn man mit ihnen auf Feldern, in den Bergen oder anderswo im Freien unterwegs ist, begreift man, weswegen eine Zwinger- oder Kettenhaltung abgelehnt wird. Diese Art der Haltung hätte eine Vereinsamung des Individuums zur Folge und es würde keine Bindung zum Menschen aufgebaut werden, was fatale Konsequenzen nach sich ziehen könnte. Waren sie vor dem Ausflug daheim noch gemütlich, gar phlegmatisch, blühen sie draußen dafür umso mehr auf.

Neue Erkundungstouren sind für sie das Größte und geben ihnen und den Haltern eine hohe Lebensqualität – es profitieren also beide Seiten von der Naturverbundenheit dieser Rasse. Ihre Vorliebe für Wasser ist ebenfalls anzumerken. Sie haben die Begabung, Wasser schon von weitem riechen oder hören zu können, sodass man sich sicher sein kann, wenn man es vorher nicht ausdrücklich untersagt hat, dass man mit einem freudestrahlenden, nassen Hund weiter- oder zurücklaufen kann, der das angenehme Bad vollkommen genossen hat.

Als Herdenschutzhund ist auch der Tornjak sehr eigenständig, eine der wichtigsten und grundlegenden Eigenschaften dieser Rasse. Will man ihnen das abgewöhnen oder sie von Grund auf umerziehen wollen, um einen will-to-please Hund zu haben, sollte man sich lieber nach einer anderen Rasse umschauen. Vor allem auf Grund dessen bedarf es in der Pubertät etwas mehr Zuwendung. Vieles, was sie bis dato gelernt und beherrscht haben, hängt zeitweise von der jeweiligen Lust und Laune, Tagesform oder anderen gerade vorherrschenden Gemütszuständen ab. Doch wenn diese Phasen dann mit spätestens 1,5-2 Jahren durchgestanden sind, man während dessen konsequent, liebevoll und vor allem geduldig geblieben ist und mit seinem Tornjak beharrlich daran gearbeitet hat, hat man einen wundervollen Begleiter, welchem oft schon ein Blick oder eine leichte Kopfbewegung zu verstehen gibt, was gerade angebracht ist.

 

Wie erzieht man einen Tornjak richtig?

Ein gut sozialisierter Welpe erleichtert die spätere Erziehung ungemein. Welpen sollten bis zu einem gewissen Alter das wichtigste für ihr weiteres Leben gelernt haben. Ein Welpe, der in den ersten acht bis zwölf Wochen schon die unterschiedlichsten Geräusche, Umgebungen und Situationen hat kennenlernen dürfen, wird viel aufgeschlossener und interessierter an Neues herangehen, es erkunden wollen, sich weniger fürchten und sich schneller in neuen Situationen zurechtfinden. Gerade in der heutigen Zeit werden viele Tornjaci zu festen Familienmitgliedern in (sub-) urbanen Gebieten und sollten bis zur 16.-20. Lebenswoche schon den Großteil an positiven Erfahrungen gemacht haben, die sie in ihrem Leben individuell benötigen werden.

Tornjak Mädchen Amaltheia & Papabär Riko im Schnee

Bild & Quelle: Božana Kelemenić von „Assertor Unicus“

Sei es nun andere Artgenossen kennenlernen, ebenso wie verschiedene Konstellationen sozialer Gruppen, ob es die eigenen oder neue Hundegruppen sind, Besuche, Kinder, Autofahren, Tierarzt etc.

Sie lernen, ob reges Kommen und Gehen auf dem Hof gewünscht ist, ob sie sich einfach ausruhen und beobachten können und ab wann sie ihrer Funktion als Bewacher wieder nachgehen können.

Auch notwendige Tätigkeiten wie das Säubern der Ohren, das Kämmen oder Baden stellen später keine unüberbrückbaren Hürden dar, wenn sie schon früh geübt werden. Ausgewachsen und erwachsen sind sie erst mit drei bis vier Jahren, sowohl körperlich, als auch geistig, denn sie sind Spätentwickler.

 

Viele Vertreter dieser Rasse werden Rettungshunde

In Kroatien und Slowenien werden Tornjaci auch als Rettungs- und Therapiehunde ausgebildet. Ihre Eigenschaften, wissbegierig, emotional und geduldig zu sein, kommen hier besonders zur Geltung. Ebenfalls können Aktivitäten wie Mantrailing oder Agility gefördert werden. Im Gegensatz dazu steht z. B. das Apportieren, welches für einen Tornjak keine Denkleistung darstellt und binnen kürzester Zeit zu stupide wird.

Generell brauchen sie eine ausreichende Auslastung, damit sie gefordert werden, sonst könnte es zu Verhaltensauffälligkeiten kommen. Die Umgebung eines Tornjaks sollte deshalb dynamisch sein. Ein Lebendkino aus Nutztieren auf dem eigenen Hof oder dem Nachbargrundstück oder die eigene belebte Straße sind vorteilhaft und bieten Unterhaltung. Trotz urbaneren Gegenden werden die typischen Eigenschaften auf das jeweilige Umfeld übertragen und angepasst, sodass der Tornjak seine Charakteristika immer beibehält, weshalb es eben sehr wichtig ist, ihm auch bestimmte Möglichkeiten einzuräumen und zur Verfügung zu stellen.

 

Es kommt auf den Halter an

Neue Halter eines Tornjaks können sowohl Herdenschutzhund-Neulinge als auch Kenner werden, sofern sie eine selbstbewusste, in sich ruhende Persönlichkeit sind und Freude an der gemeinsamen Arbeit haben, denn über einen gewissen Zeitraum hinweg, kommt das mit Sicherheit auf einen zu. Vor der Anschaffung eines Welpen sollte man sich als Interessent außerdem darüber im Klaren sein, dass Rüden meist dominanter als Hündinnen sind, wobei es auch hier wieder Ausnahmen gibt.

Zusammengefasst beruht ein funktionierendes und erfolgreiches Miteinander auf fünf Säulen:

  • Kommunikation,
  • Bindung,
  • Führungskompetenz,
  • Vertrauen und
  • Freiheit.

Wenn das alles passt und richtig gemacht wird, hat man einen einfühlsamen, beschützenden, wachen(-den), sozial verträglichen und glücklichen Familienhund.

Tornjak Riko mitBlumen und Schaukel

Bild & Quelle: Božana Kelemenić von „Assertor Unicus“

Ein Gastbeitrag von Božana Kelemenić, von „Assertor Unicus“ (hier gehts zu Assertor Unicus‘ Facebookseite)