Heute ist es soweit, wir können Telmo, unseren Telmo endlich holen. Bis nach Bruchsal sind es ca. 1,5 Std. und wir haben uns mehr als pünktlich auf den Weg gemacht. Am Abend vorher habe ich noch einen von meiner Schwägerin ausgeliehenen Transportkäfig ins Auto eingebaut.

Wie bereitet man sich auf einen Angsthund vor?

In den letzten Wochen haben wir im Fernsehen alle Beiträge gesehen, die auch nur im entferntesten mit Hunden zu tun gehabt haben. Ganz besonders natürlich Sendungen mit in- und ausländischen Hundeflüsteren- und Profis. Auf der Fahrt sprechen Antje und ich darüber, ob es bei uns wohl genau so laufen wird? Ob wir kleinere oder größerer Probleme mit Telmo haben werden?

Klar, Telmo ist als ängstlicher Hund beschrieben worden, aber die Tatsache, dass er in der Hundepension zumindest zeitweise von einer Tierpsychologin betreut worden ist, beruhigt uns.

Wenn wir mit ihm erst einmal zu Hause sind, soll es eine Gassi-Runde geben, danach bekommt er Zeit um sich die Wohnung und den Garten anzusehen und danach? Das wird sich zeigen.

Übergabe um 9Uhr in der Früh

Der Tierschutzverein hatte uns mitgeteilt, das der Transport gegen 09:00 Uhr erwartet würde. Als wir dann kurz nach 08:30 auf dem verabredeten Parkplatz in einem Industriegebiet in der Nähe der Autobahn eingetroffen sind, war der Transport schon da und die Übergabe der Hunde schon in vollem Gang. Also schnell einen freien Platz gesucht, das Auto abgestellt und zu dem Transporter gegangen.

Wir waren überrascht, wie gut es den Hunden nach ca. 20 Stunden Fahrt ging.

Und dann haben wir Telmo entdeckt. Zusammen mit seiner kleinen Freundin Amelie hat er in einem großen Transportkäfig neben der Seitentür des LKW gesessen.

In dem Moment war es für uns ein sehr emotionaler Zeitpunkt gewesen, zu wissen, dass es diesen Hunden geglückt ist, ein anständiges neues Heim und Geborgenheit zu bekommen.

Während viele andere Hunde in und außerhalb des Transporters gebellt haben, war Telmo scheinbar die Ruhe selbst. Natürlich habe ich ein paar Fotos gemacht während Antje auf der Suche nach der Mitarbeiterin des Tierschutzvereins war. Die war dann auch schnell gefunden. Klar, sie war die ruhigste der versammelten Personen, zumindest äußerlich.

Ängstlicher Hund oder Angsthund?

Also erst einmal vorstellen, „hallo, wir wollen unseren Telmo abholen. Wen? Ach ja, sie sind das die den Angsthund bekommen.“ Angsthund? Ein etwas ängstlicher Hund, ja, aber Angsthund? Meine Frau und ich sahen uns ganz irritiert an, aber egal, wir wollen unseren Hund abholen. Einen Augenblick mussten wir uns noch gedulden denn schließlich können nicht alle Tiere gleichzeitig ausgeladen werden und Hektik soll verständlicher Weise vermieden werden, Tiere und Menschen sind schon aufgeregt genug. Also warten wir etwas abseits und sahen den anderen Adoptanten zu, wie sie Ihre Hunde mit Tränen, aber auch mit einem Lachen in Empfang nahmen. Wie gesagt, eine sehr emotionale Angelegenheit.

Die Übergabe

Dann ist es soweit, „wo steht euer Auto? Da drüben? Ok., habt ihr eine Transportbox? Ja, einen Transportkäfig. Auch gut, macht das Auto auf, Telmo wird direkt zum Auto gebracht.“ Einen Augenblick später kommt der Fahrer des Transporters, auf dem Arm eine Wolldecke in der wir Telmo vermuten. Sekunden später bestätigt sich unsere Vermutung, die Wolldecke wird vor dem Transportkäfig platziert und schon befindet sich die Fellnase namens Telmo in unserem Wagen. Jetzt bekommen wir noch ein paar Hinweise. Unser mitgebrachtes Geschirr und Halsband sollten wir wieder einpacken, da Telmo schon doppelt gesichert war und ihm weiterer Stress erspart werden sollte. Unterwegs sollten wir auch nicht anhalten um ihm Gelegenheit zu geben sich zu lösen. Am besten direkt nach Hause, Telmo ausladen und ihn dann im Garten laufen lassen. Mit diesen Informationen gut gerüstet, stolz wie Oskar, hatten wir also dem Heimweg angetreten.

Telmo ergreift die Flucht

Nach knapp 1,5 Std. standen wir dann zu Hause auf dem Parkplatz. Wir haben jeder eine Leine genommen und uns erst einmal ganz ruhig verhalten. Telmo hat sich in aller Ruhe umgesehen, die Nase in den Wind gehalten und ist aus dem Auto gesprungen. Einen Augenblick ist er stehen geblieben und hat sich wieder umgesehen. Dann, für uns völlig überraschend, hat er einen Satz gemacht und ist unter das Auto. Sein Geschirr war gerissen und er nur noch mit dem Halsband gesichert. Noch bevor meine Frau oder ich richtig wussten was los war, geschweige überlegt reagieren konnten, hatte er sich auch vom Halsband befreit, kam unter dem Auto hervor und ist zum Haus gelaufen. Dort hat er das Bein gehoben, einen riesigen Bach gemacht und dann eilig das Weite gesucht. Meine Frau stand wie versteinert da und konnte es nicht fassen, was da gerade abgelaufen ist. Im Abstand von ca. 10 Metern bin ich hinter ihm her. Telmo hat sich immer wieder umgesehen und aus einem leichten Trab ist mehr oder weniger ein Sprint geworden.

Drei oder vier Straßen konnte ich ihm folgen, dann war er verschwunden.

Der Hund ist weg – was tun?

Was tun? Als erstes meine Tochter anrufen, „Hast du Zeit? Kannst du uns suchen helfen? Telmo ist abgehauen. Bin schon unterwegs, bringe noch meine Freundin mit, bin in 20 Min. da.“ Aufgelegt. Ich will gerade ins Haus, da hält ein Wagen neben mir, es ist unser Nachbar Christian. Er will wissen, ob wir Telmo schon geholt haben. Als ich ihm erzähle was los ist, nimmt er sein Handy, ruft seine Frau an und sagt ihr, dass sie uns helfen müssen Telmo zu suchen. Wenn meine Tochter da ist, wollen wir uns absprechen wer wo sucht. In der Zwischenzeit versuche ich meine Frau zu beruhigen obwohl ich selbst eine Klinikpackung Baldrian gebrauchen könnte. Dann endlich kommt Annkathrin, außer ihrer Freundin hat sie noch ihren Pitbull „Atilla“ mitgebracht. Wir sprechen uns kurz ab und dann geht die Suche mit 3 Autos los. Annkathrin geht mit Atilla zu der Stelle, an der Telmo das Bein gehoben hatte. Bis heute wissen wir nicht warum, aber Atilla der nie entsprechend trainiert worden ist, ist Telmos Spur gefolgt, vielleicht auch nur ein Zufall.

Hund Attila hilft beim Suchen

Attila hilft beim Suchen von Telmo – bis er selber aufgibt…
Bild & Quelle: Christoph Detmer

Nachdem wir ungefähr eine Stunde kreuz und quer durch den Ort sind, hat sich Atilla hechelnd hingelegt und ist in den totalen Generalstreik getreten.

Christian hat mich dann aufgegabelt und mit dem Auto ging es weiter. Unterwegs haben wir haben fast alle Leute angesprochen aber niemand hatte Telmo gesehen, viele wollten aber eine Telefon-Nummer für den Fall des Falles.

Selbst unser Paketbote wollte helfen und eine Extra-Runde durch den Ort drehen.

Ich fahre hinter Telmo her

Nach ca. 2 Std. haben wir die Suche unterbrochen. Ich wollte schnell ein paar Suchplakate ausdrucken. Aber erst ein Anruf bei der Polizei und Telmo als entlaufen melden. Es war nicht nur ein sehr verständnisvoller Beamte am anderen Ende, als ob es das Selbstverständlichste von der Welt wäre hat er gemeint, er würde uns zwei Streifenwagen schicken, das Tierheim, das Forstamt und die Taxizentrale informieren. Nach dem Telefonat schnell die Poster gemacht und ausgedruckt und schon waren meine Frau und ich damit unterwegs. Drei Straßen weiter sehe ich die beiden Polizeistreifen, eine hält an und fragt, wo wir schon gesucht haben und ob es eine Spur von Telmo gibt, wir sollen uns nicht verrückt machen, er würde bestimmt wieder auftauchen.

Eine halbe Stunde später klingelt mein Handy, es ist Christian, „wo bist du gerade, ich fahre hinter Telmo her, er geht ganz ruhig vor mir her“.

In der Falle

Er sagt mir noch seine genaue Position und dann geht’s im Dauerlauf nach Hause, ein Geschirr und Leckerlis holen. Christian hatte mir noch gesagt, seine Frau wüsste schon Bescheid und sie würde mich abholen. Ich rufe schnell meine Frau an und sie anschließend meine Tochter. Ich habe gerade die Leckerlis eingesteckt, da höre ich schon lautes Hupen. Im Auto erzählt mir Christians Frau, dass er Telmo bis zu einem Haus gefolgt ist und Telmo von dem Grundstück auch nicht mehr herunter könne, ohne an Christian vorbei zu müssen. Die Bewohner waren auch schon darüber informiert, dass mehrere Personen in ihrem Garten auftauchen würden. Fast gleichzeitig mit uns ist auch meine Frau an dem Haus angekommen. Kurz darauf haben wir Telmo an einer Hecke entdeckt. Als er uns bemerkt, weicht er aus und verkriecht sich in einer Ecke unter einem alten Tisch zwischen einem Berg alter Gartengeräte. Von dort kann er nicht mehr weg. Allerdings, so sehr wir es versuchen, wir kommen nur gerade soweit an ihn ran, dass wir ihn mit den Fingerspitzen berühren können. Telmo zittert, hat die Ohren angelegt, er hechelt und macht sich so klein wie möglich.

Die Kleinen müssen es richten

Was tun? Die Hausbesitzer machen den Vorschlag die gesamte Ecke leer zu räumen, aber das würde ziemlich lange dauern. Inzwischen ist auch meine Tochter gekommen. Kleiner und auch wesentlich schmaler als wir, will sie versuchen Telmo zu erreichen. Nach einem ersten Versuch glaubt sie es schaffen zu können. Mit einem Geschirr bewaffnet legt sie sich auf den Bauch, kriecht soweit es geht zu Telmo. Das restliche Stück schieben wir sie an den Beinen unter den Tisch. Da Telmo sich eng an die Hauswand gedrückt hat und der Platz sehr knapp ist, dauert es fast 15 Minuten bis von Annkathrin die Erfolgsmeldung kommt, „zieht mich vorsichtig raus, ich habe ihn“. Als sie mit Telmo endlich aus der Ecke kommt, gehen wir alle auf Abstand damit die ganzen Menschen, zusammen mit den Hauseigentümern immerhin 8 Personen, ihm nicht zusätzlich Angst machen. Meine Tochter hatte ihn fest an sich gedrückt und ab ging‘s zum Auto.

Es hat dann noch eine kurze Schrecksekunde gegeben, als sie mit Telmo an den Hauseigentümern vorbei ist, hat Telmo nicht nur dafür gesorgt, dass ihre Hose plötzlich nass ist, er hat erst sie, dann meine Frau halbherzig aber trotzdem schmerzhaft gebissen (es war das erste und einzige Mal).

Meine Tochter hat ihren Griff trotzdem nicht einen Millimeter gelockert sondern lediglich ein wenig die Augen verdreht und ihn erst losgelassen, als wir zu Hause und bei uns in der Wohnung waren. Telmo ist sofort in seine Kudde und dort für die nächsten Stunden geblieben.

Ein großes Dankeschön!

An dieser Stelle möchten meine Frau und ich uns noch einmal herzlich bei Allen bedanken die uns an diesem Tag geholfen haben. Besonders bei meiner Tochter Annkathrin, unseren Nachbarn Christian und seiner Frau und der Mainzer Polizei.

In der nächsten Folge geht es um die ersten beiden Wochen mit Telmo, dem ersten Besuch unserer Tiertrainerin und ein paar Umbaumaßnahmen an unserer Terrasse.

Ein Gastbeitrag von Antje und Christoph Detmer.

Beitragsbild & Quelle: Christoph Detmer