Homeoffice ist angesagt, man hat Zeit für den Hund!

Aufgrund der aktuell eingeschränkten Situation haben sich viele Menschen entschlossen, einen Hund oder Welpen anzuschaffen, da jegliche Freizeitaktivitäten wegfallen. Homeoffice ist angesagt, man hat Zeit für den Hund!
Trotz allem sollte man sich vor der Anschaffung überlegen, was passiert, wenn die Zeit des Lockdowns und Homeoffice vorbei ist, der Hund kann nicht 10 Stunden am Tag alleine bleiben. Er ist ein Rudeltier und braucht seine Bezugspersonen, deshalb, sollte er maximal 4 – 5 Stunden alleine sein. Wenn ich aber trotzdem einen Hund möchte, dann funktioniert es nur mit einem Gassigehservice oder einer Hundetagesstätte.  Damit entstehen schnell zusätzliche Kosten von mindestens 20 € täglich. Kann ich mir das leisten?

Wenn der Lockdown beendet ist und wieder alle Aktivitäten erlaubt sind, was passiert dann mit dem Hund?
Ich kann nicht mehr ungehindert meinen gewohnten Freizeitaktivitäten nachgehen und in den Urlaub fliegen. Wohin dann mit dem Hund? In die Hundepension für etwa 40 € täglich? Das sollte man sich schon vorab überlegen. Wenn ich aber sage klar der Hund kommt mit, habe ich das passende Auto?
Passt mein Labrador, wenn er erwachsen ist, in das Auto rein mit zwei Kindern und Gepäck wenn ich wegfahre? Oder muss ein neues größeres Auto her? Daran denkt man meistens nicht bei der Anschaffung eines Hundes.
All diese Dinge müssen gut überlegt und geplant sein. Denn wenn ich den Hund habe kann das 10 – 15 Jahre lang sein.  Die Kosten für das vierbeinige Familienmitglied sind auch nicht zu unterschätzen. Im Laufe eines Hundelebens kommt leicht die Summe eines Kleinwagens zusammen.
Wenn ich sage, das ist alles für mich machbar und mein Herzenswunsch ist weiterhin ein Hund, dann steht die nächste Entscheidung an:

Ein Tierschutzhund oder ein Welpe vom Züchter

Tja, das ist die Frage. Ich möchte etwas Gutes tun und einen Welpen aus dem Tierschutz aufnehmen. Das habe ich selbst auch gedacht, als ich meine kleine Tierschutzhündin geholt habe. Von einem guten Verein!. Allerdings sah sie auf den Fotos relativ groß aus, wurde als kniehoch beschrieben. Als sie kam war sie 3 Kilo schwer und unsere Katzen waren größer!! Alles was schon für die Kleine eingekauft war, war drei Nummern zu groß. Einmal Retoure, und in XS umgetauscht.  Dann war sie auch noch extrem ängstlich. Das war eine Herausforderung für die ganze Familie! Ich hatte aber noch ein riesengroßes Glück, sie zeigte keinerlei Aggressionsverhalten. Tierschutz-Hund

Es kostete viel Zeit, Zuwendung und Geduld bis eine neugierige Alltagsbegleiterin aus ihr wurde. Mit gewissen Einschränkungen, die auch heute noch nach vielen Jahren bestehen. Große Menschenmengen lösen bei ihr Stress aus, kleine Kinder findet sie auch nicht prickelnd,  von fremden Menschen will sie auch nicht berührt werden. Sie ist nach wie vor hochsensibel. Für mich ist das alles kein Problem, ich kann damit leben. Aber ist das bei jedem so?

Momentan ist der Hundemarkt wie leergefegt. Die Tierschutzorganisationen verkaufen ihre Hunde in vielen Fällen im Internet. Man hat den Hund nie gesehen, er wird immer als anfängergeeignet, familienfreundlich, leicht erziehbar und nett verkauft. Was man bekommt ist eine Wundertüte Man sollte das neue Familienmitglied auf jeden Fall vorher kennenlernen, ich suche mir meinen Ehepartner ja auch nicht aus dem Katalog aus. Ich habe mit trotzdem für einen Hund entschieden den ich nicht kenne, dann ist der große Tag gekommen und der Hund muss auf irgendeinem Parkplatz abgeholt werden. Ja das ist momentan in vielen Fällen so. Sie stehen mit einem Hundegeschirr und einer Box da. Sie überreichen das Geschirr und die Box und im Auto zieht der Transporteur dem Welpen oder Hund das Geschirr an steckt ihn in die Box und drückt ihnen die Box in die Hand!

Jetzt sind Sie stolzer Hundebesitzer!

Daheim angekommen wird der völlig verängstigte Hund oft gar nicht aus der Box herauswollen, ich hatte gerade eben einen aktuellen Fall, in dem der 6 Monate alte Hund die Box zwei Tage nicht verlassen hat. Extrem ängstlich, angstaggressiv vor den Männern im Haus. Panikattacken. Jetzt haben die Hundeschulen aber zu!!!! Alle sind massiv überfordert mit einem Hund, der eben nicht freundlich, zutraulich und nett ist. Ein Hund, der im Schelter aufgewachsen ist und nach dem stressigen Transport total verängstigt ist, auch noch eine Angstaggression gegenüber den Familienmitgliedern zeigt.

Welpen- und Hunde-Boom im Lockdown

Für diese Hunde muss man viel Geduld, Zeit und auch einen vollen Geldbeutel mitbringen. Da ist mindestens wöchentliches Einzeltraining, Einschränkungen für die ganze Familie und vor allem für die Kinder angesagt. Die Kinder wollten einen Hund zum Spielen und Kuscheln. Bekommen hat die Familie einen Hund, dem man sich nicht einmal nähern kann, der aufgrund seiner Ängstlichkeit auch nicht aus dem Haus will. Ohne Garten wird es noch schwieriger. Es entsteht also schon das nächste Problem. Ich muss den Hund ständig raustragen. Je nach Umgebung kann er sich vor lauter Angst und Stress nicht lösen und die Wohnung wird zum großen Hundeklo.

Das ist der Worst Case. Es muss nicht so sein, in letzter Zeit steigt aber die Anzahl solcher Hunde. Diese Kunden kann man momentan auch nur mit Onlinetraining betreuen. Sie sind extrem enttäuscht, so hatten sie sich das neue Familienmitglied nicht vorgestellt. Sie wollten einen netten Hund, der schnell in die Familie integriert ist, überall mit hin kann und ein freundlicher Spielgefährte für die Kinder ist.

Bekommen hat man einen extrem schwierigen Angsthund, der oft ein monatelanges Eingewöhnen benötigt, ohne Reize und Stress.  In vielen Fällen ist der Traum vom Tierschutzhund ausgeträumt, der Traum vom Hund ist geplatzt, und der Hund wird wieder abgeben. Er geht zurück an den Verein der ihn wieder weitervermittelt was oft zur Folge hat das die Hunde zum Wanderpokal werden. Irgendwann landen sie im Tierheim und sind kaum vermittelbar.

So schön der Gedanke vom Tierschutz ist so schwierig ist er oft umzusetzen.

Falls er an den Verein zurück geht kommen noch unhöfliche Ansagen das man unfähig ist. Die Schutzgebühr ist weg, dann muss noch das Abholen des Hundes bezahlt werden, diese werden meist sehr weit weg weiter vermittelt.
Meine Empfehlung ist, einen Tierschutzhund zu nehmen, der schon in Deutschland auf einer Pflegestelle ist. Dort sollte man mehrmals mit ihm spazieren gehen und dabei beobachten, wie er sich zum Beispiel den Kindern und Männern (in den unterschiedlichen Situationen) gegenüber verhält. Ist er draußen total ängstlich oder läuft er locker mit?
Wenn das alles gut verläuft und die Familie ist sich einig, nehme ich den Hund mit nach Hause. Im Grunde macht es Sinn, einen erfahrenen Hundetrainer mitzunehmen, der sich den Hund vor der endgültigen Entscheidung anschaut, was momentan aber auch nicht möglich ist. Welpen- und Hunde-Boom im Lockdown

Jetzt sind Sie, der Leser, erst einmal entsetzt! So war Ihre Vorstellung von einem Tierschutzhund nicht. Also doch ein Hund vom Züchter?

Dann wollen wir uns doch mal mit den Züchtern beschäftigen. Der Welpenmarkt ist leergekauft. Wenn man einen Welpen ergattert dann zu utopischen Preisen. Der Golden Retriever für 4000 Euro, der Labrador in schickem Silber für 6000 Euro.  Völlig überzogene irrsinnige Preise. Aber sie werden bezahlt. Nun gut, man kann sein Geld ja sowieso nicht ausgeben. Dann kann es auch ein teurer Welpe sein.
Jetzt gehen wir einmal davon aus, dass es ein guter Züchter ist, der gute Elterntiere hat und nervenstarke, freundliche Welpen gezüchtet hat. Der Züchter hat auch schon etwas für die Sozialisierung getan. Ist schon mit den Welpen rausgegangen. Ist Auto gefahren mit ihnen. War schon im Garten, hat sie an Geräusche gewöhnt, also die besten Voraussetzungen.

Jetzt zieht das erwählte Tierchen mit der neunten Lebenswoche ein!

Das ist wie wenn sie ein Baby bekommen hätten. Liebe Eltern, wie war dieses Gefühl die ersten Wochen? Stressig, anstrengend, schlaflose Nächte und noch das Gefühl wollte ich wirklich ein Baby haben?
Genauso ist es mit dem kleinen Welpen.  Der hat keinen angeborenen Grundgehorsam. Der  Welpe muss die Welt entdecken, wird  die Wohnung auf den Kopf stellen.

Ich habe auch vor 2 Jahren im November einen 12 Wochen alten Welpen ins Haus geholt. Der letzte aus dem Wurf, der von seinen neuen Besitzern nicht abgeholt worden war. Es dauerte dann drei Wochen bis er schließlich im Hundetrainerhaushalt landete.
Sogar ich, die es ja wissen müsste,  fand es ziemlich anstrengend. Nachts mit dem 6 Kg Tierchen über die Schulter die Treppen runter und in den eisigen Garten zum Pippi machen raus. Der nächste Welpe wird ein Sommerhund. Die Stubenreinheit lies also auf sich warten. Sie durfte sich schließlich 12 Wochen lang beim Züchter im Haus lösen. Nach minutiöser Überwachung klappte es dann auch. Ohne Garten wäre ich, glaube ich, verzweifelt. Das bedeutet, wenn ich keinen Garten habe mindestens 10 – 15 x das kleine Monster vom dritten Stock runtertragen und schauen ob es sein Geschäft draussen erledigt. Es hat fast drei Monate gedauert, bis die grundlegenden Dinge funktioniert haben und wir beim Anblick der Kleinen nur noch entzückt waren. Ich habe aber keine kleinen Kinder mehr, die mich auch beansprucht hätten. Dann muss ich auch noch aufpassen das die Einrichtung heil bleibt. Da ist viel Management angesagt, schließlich soll der Welpe nicht Nein, Pfui oder Aus heißen.

Es ist auch nicht schön, nur die ganze Zeit geschimpft zu werden.  Die Welpenschule ist momentan zu, das Onlineangebot wird oft nicht angenommen. Dann muss ich mir mit Büchern helfen. Erfahrungsgemäß wird gerne das 6 Wochen Welpentraining gekauft. In 6 Wochen zum perfekten Hund. Spätestens nach der ersten Woche liegt das Buch in der Ecke und es wird in der Hundeschule angerufen. Ich kenne das Buch seeehr gut.

Vollzeitjob Welpenerziehung im Turbotempo

Der Welpe wird total überfordert. Man muss sich bewusst werden, dass ein Hund, je nach Größe zwischen einem Jahr und drei Jahren braucht, bis er erwachsen ist. Solange gibt es immer Höhen und Tiefen, man muss konstant dran bleiben bei der Erziehung. Dann ist aber auch alles sehr schnell vergessen, wie anstrengend es mit dem Welpen war, das fällt einem erst wieder ein, wenn der Zweithund einzieht.

Lasst Euch nicht den Mut nehmen, einen Hund oder Welpen anzuschaffen, überlegt, ob ihr dem mit Humor begegnen könnt und ob es mit kleinen Kindern tatsächlich schon das richtige ist einen Hund oder Welpen zu sich zu holen. Habe ich genügend Zeit neben den Kindern mich um den Welpen oder Hund zu kümmern? Eventuell ist auch mein Nervenkostüm nicht mehr so gut die aufregende Zeit mit einem kleinen Welpen zu meistern.
Im letzten Jahr hatte ich etliche Fälle von Menschen, die sich toll auf den Hund vorbereitet haben, als der Welpe einzog, haben sie nach einer Woche festgestellt, dass sie es doch zu anstrengend finden. Oft hörte ich dann meine Vorstellungen waren total anders und die Welpen sind zum Züchter zurückgegangen.

Besucht Bekannte oder Freunde mit Hund, geht gemeinsam spazieren und fragt Sie nach dem Alltag mit Hund. Werdet Gassigeher für ein Tierheim. Dann bekommt ihr Einblicke wie es mit einem Hund ist. Vielleicht führt Ihr sogar euren Traumhund aus. Momentan sind viele Hundebesitzer in Quarantäne. Die freuen sich über jeden der mit dem Hund spazieren geht. Da helft Ihr jemand und habt die Möglichkeit mit einem Hund an die frische Luft zu kommen.

Ich wünsche Euch, dass ihr den Traumhund aus dem Tierschutz bekommt oder den perfekten Welpen, der nie was anstellt und immer lieb ist. Der sein ganzes Leben bei seiner neuen Familie bleiben darf, auch nach Corona und Homeoffice wenn das normale Leben wieder zurück kommt.

Welpensozialisierung im Lockdown Hildegard Stepberger

Eure Hildegard Stepberger
Hundeschule Amperland
Besucht uns gerne auch bei Facebook 

 

 

 

 

 

 

Text & Bilder: Hildegard Stepberger

Beitragsbild & Quelle: Chiemsee2016 / Pixabay, creative commons public domain