Mein Rüde Sparta hat eine wunderbare Angewohnheit, bei unseren Spaziergängen ist ihm jeder Mensch, der unseren Weg kreuzt, vollkommen egal. Er schnüffelt an Büschen, spielt mit seinem Ball, begrüßt andere Hunde, nur Zweibeiner wecken nicht das geringste Interesse in ihm.

Emily ist da (leider) anders.
Am Anfang hatte ich kein Problem damit, dass meine kleine Schmusemaus einfach jeden Menschen, der ihr freundlich erscheint, überschwänglich fröhlich begrüße will. Wenn ich ehrlich bin, habe ich noch immer kein Problem mit Emilys Verhalten. Ich kann Emily problemlos zu Kindern jeden Alters lassen. Sie liebt kleine Menschen ganz besonders, sie ist vorsichtig, rücksichtsvoll und sie springt nicht. Sie legt sich erwartungsvoll vor ihnen auf den Boden, und wenn nicht bald viele kleine Finger über ihren Kopf und Rücken patschen, geht sie wieder.

Kokoni auf der Wiese

Bild & Quelle: Nadine Brandt

Immer wieder schafft sie es grimmige Rentner, die in ihrem Sonntagsoutfit durch den Wald spazieren, dazu zu verleiten, ihren kleinen wuscheligen Kopf zu kraulen. Ich habe mich damit angefunden, dass mein Hund eine bessere Menschenkenntnis hat als ich. Um Menschen die Angst haben, oder einfach kein Interesse an ihr haben macht sie einen Bogen. Bis vor Kurzem waren zwei alte Damen, die sich auf Grund von altersbedingten Problemen nicht bücken konnten, das einzige Problem. Einem durch und durch freundlichen Hund zu erklären, dass die nette alte Frau sie zwar knuddeln möchte, aber leider nicht kann, ist nämlich gar nicht so einfach.

Ein Problem kommt selten allein

Doch leider ist es nicht bei diesem einen, kleinen Problem geblieben. Zu meiner Verwunderung wurde gerade eine andere Hundehalterin zu einem weitaus größeren Problem.
Am Anfang war alles gut, Emily begrüßte die vermeintlich nette Frau so, wie sie auch andere, ihr sympathische Menschen begrüßt. Aber irgendwann lief das Ganze aus dem Ruder, sobald sie die Frau in der Ferne erblickte, war Emily nicht mehr abrufbar, sie drehte regelrecht durch. Es dauerte eine Weile, bis ich erkannte, wo das Problem lag. Die Frau hatte sich angewöhnt, Emily bei jeder Gelegenheit Leckerlis zu geben. Die einzigen Personen, die ihr bis dahin Leckerlis gaben, waren Herrchen und Frauchen und das ausschließlich für gewolltes, richtiges Verhalten. Ich verstehe durchaus warum Emily sich in ihrer übermäßigen Freude bestätigt fühlte. Als ich die Frau darauf hinwies, dass es nicht in Ordnung ist, anderen Hunden einfach irgendwelches Futter zu geben, bekam ich die patzige Antwort:
„Ach was soll denn schon passieren? Die Süße freut sich doch so.“

Ja, was soll schon passieren, wenn mein Hund zu einer mir im Grunde völlig fremden Frau läuft, nicht abrufbar ist und irgendwelche Leckerlis zu fressen bekommt?
Ich nehme meine kleine Schmusebacke an die Leine und sehe im Augenwinkel einen genervten Blick und ein Kopfschütteln.
Ein paar Tage später übertrifft Emilys Auffassungsgabe die meine haarscharf um ein paar Sekunden, sie erblickt die Frau vor mir und rennt los. Ich sehe zum Glück noch rechtzeitig, wie eine Hand in der Jackentasche verschwindet und mit einem überdimensionalen Hundekeks wieder zum Vorschein kommt. Ich rufe: „Nein!!“ Die Frau packt den Hundekeks verärgert in die Tasche zurück und murmelt: „Tja, anfassen darf ich dich wohl auch nicht mehr, sonst wird dein Frauchen wieder eifersüchtig.“

Erneut nehme ich Emily an die Leine und weise die Frau darauf hin, dass es eine sehr gute Idee ist, wenn sie in Zukunft davon absieht meinen Hund zu streicheln. Und wieder bekomme ich als Antwort nur einen genervten Blick und ein Kopfschütteln.

Wie kann mich ein Mensch, der auch einen Hund hat, nur so vollkommen falsch verstehen?

zwei Hunde im Wald

Bild & Quelle: Nadine Brandt

Ich blicke zu Sparta, er pinkelt gegen einen Baum und schaut mich im Anschluss mit seinem, mir so vertrauten „Hä-war-was-Blick“ an. Ich beuge mich zu meinen Hunden runter, sie setzen sich vorbildlich vor mich und bekommen beide ein Leckerli. Emily freut sich.

Ein Gastbeitrag von Nadine Brandt.

Alle Beitragsbilder & Quellen: Nadine Brandt