Telmo sollte also nach draußen. Klar hatten wir Ulli vertraut aber trotzdem war uns nicht ganz wohl bei der Sache, wussten wir doch, wie groß seine Angst allein vor dem Treppenhaus war.

Nach unserer Beruhigungszigarette hatte Ulli uns erklärt wie die Sache ablaufen sollte.

  • Zuerst sollte ich das Auto aufmachen. Gut, war nicht schwer und schnell geschehen.
  • In einem ersten Schritt sollte es bis vor die Wohnungstüre gehen.
  • Dann der zweite Schritt, bis vor die Haustüre und dann der größte Schritt, raus zum Auto und abwarten ob Telmo rein springt oder nicht.
  • Vor der Wohnungs- und Haustüre sollten Antje und ich uns neben Telmo setzen, die Hand auf ihn legen damit er unsere Nähe spürt.
  • Wir sollten aber nicht reden, ihn nicht ansehen und auch nicht streicheln.
  • Also haben wir Telmo an seinem No-Exit-Geschirr genommen und sind langsam vor die Wohnungstüre.
    Telmo hatte sich einfach steif gemacht und mehr oder weniger tragen lassen. Vor der Wohnungstüre hatte er sich am ganzen Körper zitternd hingelegt, die Ohren angelegt und die Rute zwischen die Hinterläufe geklemmt. Wie von Ulli angewiesen hatten wir die Hand auf ihn gelegt. Nach ein paar Minuten wurde das Zittern weniger und Ulli meinte jetzt käme der zweite Schritt. Also auf, Telmo am Geschirr genommen und raus vor die Haustüre. Wieder das Gleiche wie vor der Wohnungstür. Telmo zittert, wir legen die Hand auf ihn und als nach ein paar Minuten das Zittern wieder weniger wird, auf zum dritten Schritt, auf zum Auto. Telmo will nicht, macht sich steif und wir tragen ihn Richtung Auto. Ca. zwei oder drei Meter davor bewegt er plötzlich die Läufe und kaum setzen wir ihn ab, stürmt er auf die offenen Heckklappe zu, springt rein und duckt sich in eine Ecke. Antje und ich setzen uns neben ihn, Hand auf seinen Rücken, abwarten.

    Telmo 1 erster Besuch auf der Hundewiese, Telmo liegt die ganze Zeit in einer Ecke.

    erster Besuch auf der Hundewiese, Telmo liegt die ganze Zeit in einer Ecke.
    Bild & Quelle: Christoph Detmer

    Kommando zurück?

    Als er nach ein paar Minuten anfängt zu hecheln, sagt Ulli dass der Stress für ihn zu groß wird und das es jetzt zurück geht. Wieder das gleiche Spiel, Telmo macht sich steif, zittert. Schließlich haben wir es bis ins Treppenhaus geschafft und Telmo hat es auf einmal ganz eilig in die Wohnung und in seine Kudde zu kommen. Antje und ich waren schweißnass aber total erleichtert denn nicht nur Telmo, auch wir hatten die Aktion überstanden, waren aber reif für die nächste Beruhigungszigarette.

    Telmo 2a Der zweite Besuch auf der Hundewiese, Telmo wir mutiger.

    Der zweite Besuch auf der Hundewiese.
    Bild & Quelle: Christoph Detmer

    Und jetzt das Ganze noch einmal…

    Telmo 2 Der zweite Besuch auf der Hundewiese, Telmo wir mutiger.

    Der zweite Besuch auf der Hundewiese, Telmo wir mutiger.
    Bild & Quelle: Christoph Detmer


    Bevor Ulli sich (lächelnd) verabschiedet hatte meinte sie noch, so sollten wir es bis zum Wochenende jeden Abend machen damit Telmo sich daran gewöhnen und wir am Samstag auf ihre Hundewiese kommen könnten. Na toll, vielleicht hatte das Wetter ja Mitleid mit uns und es würde die nächsten Tage wie aus Kübeln schütten oder einen Schneesturm geben. Aber wie das Leben so spielt, das Wetter ist gut geblieben. Am nächsten Tag, ohne Ullis Hilfe, ist die ganze Aktion so verlaufen wie beim ersten Mal. Dann der dritte Tag, Telmo hatte sich im Auto nicht mehr in eine Ecke gedrückt sondern so hingelegt, dass er einen freien Blick nach draußen hatte. Am vierten Tag ist er den Weg vom Auto zurück zum Haus komplett allein gelaufen und am fünften Tag sogar den ganzen Hin- und Rückweg. Wir hatten Ulli angerufen und ihr genau erzählt, wie es gelaufen war. Sie meinte wir würden es am nächsten Tag auch ohne ihre Hilfe bis zur Hundewiese schaffen. Trotz ihrer Zuversicht waren wir reichlich nervös. Die Fahrt (ca. 20 Min.) war trotz Telmos ständigem Hecheln relativ entspannt. Ulli hatte allen anderen Hunden abgesagt damit Telmo sich ganz allein mit der Situation anfreunden konnte. Das Anfreunden hatte in seinen Augen aber eine ganz eigene Bedeutung, kaum waren wir auf der Wiese, hatte er sich in eine Ecke verkrochen und war einfach liegen geblieben. Wir hatten ihn völlig ignoriert und uns mit Ulli unterhalten. Nach einer halben Stunde ist er dann zurück zum Auto gegangen. Wir sollten weiter mit ihm den Weg vom Haus zum Auto üben und am nächsten Samstag wieder zur Wiese kommen.

    Wohnung, Auto, Wohnung

    Die Übungen – Wohnung, Auto und zurück – funktionierten dann immer besser. Telmo ist zwar immer nur zögerlich zum Auto aber wenigsten ohne Probleme zurück zur Wohnung. Dann war es wieder Samstag und wir sind zur Hundewiese.

    Telmo 3 Der erste kleine Spaziergang bei uns zu Hause

    Der erste kleine Spaziergang bei uns zu Hause.
    Bild & Quelle: Christoph Detmer

    Telmo ist zuerst wieder in die Ecke in die er sich eine Woche vorher gelegt hatte, aber nachdem Antje und ich nicht bei ihm stehen geblieben, sondern quer über die Wiese gelaufen sind, hatte er sich aufgerafft und war ein paar Meter gelaufen.

    Wir waren richtig glücklich, denn es waren ständige Fortschritte erkennbar. Telmo schien seine Ängste immer wieder zu überwinden, wir waren uns sicher, er wollte seine Ängste überwinden, er wollte nicht aufgeben. Auch zu Hause lief es immer besser, inzwischen war es für ihn fast schon zur Routine geworden, jeden Abend mit uns zum Auto und wieder zurück zu gehen. Nur weiter als bis zum Auto war ein totales No-Go und der Rückweg war auch nur in gerader Linie möglich. Dann der dritte Besuch auf der Hundewiese. Zu unserer Überraschung ist Telmo nicht mehr in „seiner“ Ecke liegen geblieben, er ist ein wenig herum gelaufen und hatte scheinbar entspannt den Boden ab geschnüffelt.

    Jetzt waren wir sicher, es würde nur noch aufwärts gehen.

    Wieder eine Woche später dann ein ganz besonderes Highlight. Nachdem wir ca. eine halbe Stunde auf der Hundewiese zugebracht hatten, hatte Telmo sich wieder in seine Ecke gelegt als wir wieder nach Hause wollten.

    Rückfall oder „Bindung“?

    Ulli meinte ganz locker, wir sollten einfach in Richtung Auto gehen, wenn Telmo der Abstand zu uns zu groß würde, würde er schon hinter uns her kommen, das würde man Bindung nennen, wir sollten uns aber nicht nach ihm umdrehen. Also sind wir langsam los kurz vor dem Tor dann Ullis erlösende Worte, „Telmo kommt hinter euch her, geht ruhig weiter zum Tor und wartet da auf ihn.“ Am Tor angekommen hatten wir uns umgedreht, auf Telmo warten brauchten wir aber nicht, er hatte uns schon eingeholt. Wir hatten ihn angeleint und gehofft, dass er dieses Mal, so wie bei den Übungen zu Hause, den Weg zum Auto ohne Probleme mit geht.

    Und tatsächlich, so als ob es das Natürlichste der Welt für ihn wäre, ist er mit zum Auto.

    Ganz spontan sind wir aber einfach am Auto vorbei gegangen und unser Telmo – klar, warum schon ins Auto bei dem Wetter – macht mit uns einen Spaziergang quer durch die Felder. Unser Herz hatte Freudensprünge gemacht, Anfang April war Telmo zu uns gekommen und jetzt, am letzten Samstag im November hatten wir den ersten gemeinsamen Spaziergang gemacht, ein Tag den wir nie vergessen werden.

    Abends hatten wir uns gedacht, was auf der Hundewiese funktioniert, sollte auch bei uns zu Hause funktionieren.

    Und tatsächlich, zwar sehr zögerlich aber doch ganz freiwillig ist Telmo mit uns raus und wir hatten einen kleinen Spaziergang gemacht. Telmo hatte weder an der Leine gezogen, noch hatte er sich ziehen lassen. Immer dicht neben uns ist er mit gelaufen.

    Wie ergeht es eigentlich anderen in einer ähnlichen Lage?

    Auf der Internetseite des Tierschutzvereins gab es eine ganz spezielle Rubrik, „endlich daheim“. Dort berichten Adoptanten wie es ihnen mit den Hunden ergangen ist, wie toll sie sich eingelebt hatten und wie problemlos alles gelaufen war. Eigentlich wollten auch wir immer berichten, wie es mit Telmo gelaufen war. Aber die Rubrik hieß „endlich daheim“ und immer wieder hatten wir uns gefragt, war Telmo wirklich daheim oder hatte er nur einen Platz gefunden, der ihm ausreichende Nahrung und Sicherheit bieten konnte. Aber jetzt, als Telmo nicht nur seine beiden ersten Spaziergänge gemacht hatte sondern sich dabei an uns, an seinen Menschen orientiert hatte, jetzt wussten wir, auch Telmo konnte endlich sagen, ich bin endlich daheim. Am nächsten Tag wollten wir Telmo etwas mehr als nur eine Straße oder die Hundewiese bieten.

    Ab in den Wald!

    Also rein ins Auto und zum Wald in unserer direkten Nähe. Etwa eine Stunde sind wir mit ihm quer durch den Wald und es war ein Freude zu sehen, wie locker und entspannt er nicht nur mit uns mit gelaufen, sondern auch ausgiebig von seiner Nase Gebrauch gemacht hatte. In den nächsten Wochen waren wir dann nicht nur froh, dass uns Vera und Ulli beigebracht hatten zu beobachten,

    es war auch eine Zeit in der wir nicht immer angenehme Begegnungen mit anderen Hundehaltern gemacht hatten.

    Bevor Telmo zu uns gekommen war hatten wir in der Sendung eines amerikanischen Hundeprofis gehört, ein Hund würde immer im Jetzt leben, die Vergangenheit würde daher keine Rolle spielen. Entweder war die Übersetzung ins deutsche ungenau oder wir hatten etwas falsch verstanden. Bei Telmo hatten wir nämlich gemerkt, auch wenn er im Jetzt lebt, seine Vergangenheit hat sehr wohl eine Rolle gespielt. Er war in einem von mehreren Rudeln aufgewachsen und andere Hunde als die seines eigenen Rudels waren für ihn auch immer Konkurrenten gewesen. Nicht nur das konnten wir jetzt feststellen. Sowohl Vera als auch Ulli hatten uns immer wieder auf Telmos Körpersprache hingewiesen, auf seine Art der Kommunikation.

    Die Begegnung mit fremden Hunden

    Kamen uns andere Hunde entgegen, hat Telmo nach Möglichkeit versucht, in einen Bogen auf sie zu zugehen. Problematisch ist es immer dann geworden, wenn andere Hunde direkt auf ihn zu gekommen waren. Zuerst hatte er dann den Kopf gesenkt und die Nase war in einer Linie mit seiner Rute, dann hatte sich sein Fell gesträubt und kamen die anderen Hunde weiter direkt auf ihn zu oder hatten ihn fixiert, hatte er versucht zum Angriff über zu gehen. Wir hatten darauf dann so reagiert, dass wir mit Telmo ein Stück auf die Seite gegangen sind uns vor ihn gestellt und abgewartet hatten, bis die anderen Hunde uns passiert hatten. Das lief auch ganz gut.

    Schwierigkeiten gab es besonders dann, wenn andere Hunde nicht angeleint waren und sich entweder durch ihre Halter nicht hatten abrufen lassen oder wenn die Halter trotz unserer Bitte nicht bereit waren, ihre Hunde anzuleinen.

    Es gibt sie, die Unvernünftigen und Unbelehrbaren – eine Schande!

    Immer noch hatte ich meine Schwester jeden Vormittag angerufen und gefragt, wie es mit Telmo geht. Bei einem Anruf hieß es dann, im Wald hat es großen Stress gegeben. Zwei Cocker Spaniel und ein Mischling waren bellend auf Telmo zugelaufen. Telmo hatte natürlich ebenfalls angefangen zu bellen und sich ihn ihre Richtung gewand. Meine Schwester hatte den vermeintlichen Halter gebeten, seine Hunde an die Leine zu nehmen, die Antwort, „das sehe ich nicht ein, habe ich noch nie gemacht, die müssen ihre Probleme unter sich ausmachen“. Meine Schwester hatte ihn nochmals gebeten seine Hunde anzuleinen und sich gleichzeitig bemüht, sich zwischen die drei Hunde und Telmo zu stellen. Es gab dann ein heftiges Wortgefecht bei dem sich auch völlig unbeteiligte Spaziergänger eingemischt hatten und meiner Schwester wurde vorgeworfen, mit dem schlimmsten Hund überhaupt im Wald unterwegs zu sein. Nach diesem Telefonat war ich mehr als wütend. Was erwarten die Menschen von Telmo? Drei Hunde laufen bellend und mit aufgestellter Rute auf ihn zu, sie ignorieren sein Bellen, sein Knurren und dass er ihnen seine Zähne zeigt, ignorieren sie ebenfalls statt dessen versuchen sie sogar nach seinen Läufen zu schnappen. Was erwartet dann so ein Hundehalter? Soll Telmo still halten, abwarten und alles über sich ergehen lassen? Tut mir leid, aber so ein Mensch hat keine Ahnung von Hunden.

    Telmo hatte nur das gemacht, was er in seinem Rudel in Spanien gelernt hatte, wirst du attackiert und der Gegner reagiert nicht auf deine Warnungen, dann kämpfe.

    Telmo 6 - Im Großen Sand bei Mainz, Telmo genießt die Freiheiten der Schleppleine

    Im Großen Sand bei Mainz, Telmo genießt die Freiheiten der Schleppleine.
    Bild & Quelle: Christoph Detmer

    …sie geben auch keine Ruhe

    Ein paar Wochen später, im Wald ist Telmo inzwischen an der Schleppleine gelaufen, hatte ich dann selbst das zweifelhafte Vergnügen diesem Halter zu begegnen. Schon auf eine größerer Entfernung hatte ich ihn gebeten seine Hunde an die Leine zu nehmen. Seine Antwort war ähnlich wie bei meiner Schwester, „warum, MEINE machen nichts, die bellen doch nur“. Dann ist er an mir vorbei und hatte sich nicht einmal mehr zu seinen Hunden umgedreht. Die hatten sich aufgeteilt, zwei sind sich abwechselnd von vorne immer wieder auf Telmo zu, der dritte hatte versucht von hinten nach ihm zu schnappen. Ich hatte versucht mit Telmo einfach weiter zu gehen, aber die drei kamen hinter uns her. Einige Male hatte nicht viel gefehlt und Telmo hätte einen der drei mit seinen Zähnen erwischt. Erst als ich in dem Halter zugerufen hatte, wenn er seine Hunde nicht sofort abrufen oder an die Leine nehmen würde, würde ich Telmo frei lassen, er hätte gelernt zu kämpfen, war er zurück gekommen und hatte sie (seine Versuche sie abzurufen waren fehl geschlagen) an die Leine genommen und von Telmo weg gezogen. Natürlich hatten wir mit Vera und Ulli darüber gesprochen und sie hatten uns gesagt, Telmo hätte sich ganz natürlich verhalten. Indem er in einem Bogen auf die anderen Hunde zulaufen würde, würde er ihnen zeigen, dass er nicht auf eine Konfrontation aus wäre. Sein weiteres Verhalten, auf die weitere Annäherung der anderen Hunde und besonders auf deren attackieren mit Knurren und Zähne fletschen zu reagieren, wären Warnungen, würden die anderen Hunde darauf nicht reagieren, hätte er keine andere Wahl als sich zu wehren oder zu fliehen. Telmo hätte in seinem Rudel in Spanien nur überlebt, weil er die Kommunikation der Hunde untereinander und mit großer Wahrscheinlichkeit auch den Kampf (Narben zeugen davon) beherrschen würde.

    Die Entscheidung war klar: wir müssen ihm Sicherheit geben!

    Wir hätten nur eine Möglichkeit, wir müssten Telmo zeigen, dass wir für seine Sicherheit eintreten und das für ihn keine Notwendigkeit besteht, selbst die Initiative zu ergreifen. Das würde bedeuten, wir positionieren uns frühzeitig mit entsprechend selbstsicherer Körpersprache zwischen Telmo und seine vermeintlichen Gegner. Eigentlich würden sie so etwas nicht empfehlen sondern dazu raten, die Leine fallen zu lassen, aber in Telmos besonderem Fall würde es nicht anders gehen. Nur wenn die Lage so eskalieren sollte, dass unserer eigene Sicherheit in Gefahr wäre, sollten wir die Leine fallen lassen.

    Telmo 8 - Im Großen Sand bei Mainz, Telmo genießt die Freiheiten der Schleppleine

    Bild & Quelle: Christoph Detmer

    Natürlich waren wir auch wesentlich verantwortungsvolleren Haltern (und natürlich Halterinnen) begegnet, die hatten entweder ihre Hunde angeleint sobald sie gesehen hatten, dass Telmo an der Leine war oder sie hatten uns gefragt, ob es besser wäre, ihre Hunde anzuleinen.

    Für uns waren – und sind es heute noch – Spaziergänge mit Telmo auch immer wieder Möglichkeiten mit ihm zu üben. Er soll keine Kunststücke beherrschen, aber auf „sitz“, „bleib“ und „hier“ soll er hören. Gerne hatten wir auch die 10 Meter lange Schleppleine genommen, auch wenn ich in den ersten Wochen meistens 5 Meter davon selbst tragen musste. Vom ersten Spaziergang an hält Telmo ständigen Kontakt zu uns, sieht sich alle paar Meter nach uns um, wartet wenn wir stehen bleiben und kommt sofort wenn er sieht, dass wir die Richtung wechseln.

    Telmos Reisegefährtin, Amelie, schaut vorbei

    Im Februar 2014 hatten wir ein ganz besonders emotionales Erlebnis. Katharina, die Mitarbeiterin vom Tierschutzverein wollte uns zusammen mit Amelie, Telmos Reisegefährtin, besuchen. Wir waren sehr gespannt darauf wie Telmo reagieren würde, ob er Amelie erkennen würde und wie seine Reaktion auf ihr „Eindringen“ in sein Revier wäre.

    Am 22. Februar war es dann soweit. Katharina hatte noch eine weitere Hündin mitgebracht und obwohl Amelie sofort ins Wohnzimmer gestürmt und auf „sein“ Sofa gesprungen war, war Telmo völlig ruhig geblieben, kein Sträuben seines Fells, kein Knurren, nichts.

    Nach ein paar Minuten ist er langsam zu Amelie gegangen und hat sie vorsichtig beschnüffelt, dann aber sofort wieder in Ruhe gelassen. Während Telmo große Angst vor lauten (Knall-) Geräuschen hat, sind es bei Amelie ihr unbekannte Menschen. Sie legt sich dann hin und geht erst weiter wenn sie eine Aufmunterung dazu erhalten hat. Am späten Nachmittag, hatten wir dann einen gemeinsamen Spaziergang gemacht in dessen Verlauf ich mehr als einmal nur sprachlos zusehen konnte. Nach den ersten 200 Metern mussten wir ein kurzes Stück an einer Bahnlinie vorbei. Telmo wie gewohnt sehr zögerlich, teilweise sogar geduckt. Amelie völlig normal und selbst als ein Zug vorbei gefahren ist, hatte sie nicht einmal gezuckt. Von diesem Moment an war Telmo ganz normal aber in direkter Nähe zu Amelie gelaufen. Eine Zeit später kommt uns ein Spaziergänger entgegen. Während Telmo gelassen geblieben ist, hatte sich Amelie an eine Hecke gelegt und erst nachdem Katharina ihr über den Bauch gestreichelt hatte, war sie weiter gelaufen. Als uns der nächste Spaziergänger entgegen gekommen war, bei Amelie wieder das gleiche Verhalten. Telmos Reaktion hatte mich aber sprachlos gemacht, er hatte sich mit steil aufgerichteter Rute und aufgestellten Ohren direkt neben Amelie zwischen sie und dem Spaziergänger gestellt und ihn nicht mehr aus den Augen gelassen bis er uns passiert hatte. Genau so ist dann noch eine weitere Begegnung mit einem Spaziergänger verlaufen. Am nächsten Tag hatte ich sofort mit Ulli gesprochen und sie war sich sicher, Telmo hatte Amelie erkannt und sofort gemerkt, wovor sie Angst hatte. Ob er es schon in Spanien gemacht hatte kann Niemand wissen, aber auf diesem Spaziergang hatte er versucht Amelie Schutz zu geben.

    Von Ulli kam dann direkt die Frage, ob wir Amelie nicht auch adoptieren wollten, sie und Telmo könnten viel voneinander lernen.

    Leider war das aber nicht möglich.

    An der Bindung gilt es noch zu arbeiten

    Woran wir noch arbeiten wollten und mussten war die Bindung zwischen Telmo und uns sowie sein Verhalten anderen Hunden gegenüber. Deshalb hatten wir uns entschlossen mit ihm in eine Hundeschule zu gehen. Bis zu Vera war es uns zu weit, also sind wir zu Ulli gegangen. Zur ersten Stunde angekommen, hatte Ulli die schon anwesenden Halter über Telmo informiert und gebeten, ihre Hunde an die Leine zu nehmen. Dann erst sind wir auf die Wiese. Telmo war sichtlich angespannt und hatte sich dicht neben uns gehalten. Nachdem sich alle Hunde ein paar Minuten auf sichere Distanz kennenlernen konnten, kam die erste Übung.

    Kalle und Fetzer – es war keine Liebe auf den ersten Blick

    Wir sollten uns im Kreis aufstellen, dann jeder mit seinem Hund einmal außen und einmal innen den Kreis ablaufen. Zuerst war Kalle, die „Augenblick, ich muss erst meine Läufe sortieren-Dogge“ an der Reihe. Kaum war sie in unserer Nähe, hatte sich Telmos Fell gesträubt und die Beiden hatten sich angebellt. Als nächstes war Fetzer, der „ich bin total gut drauf, wir lassen die Sau raus-Schnautzer“ an der Reihe. Wieder ein gesträubtes Fell bei Telmo, wieder bellen. Als wir dann an der Reihe waren, hatte Telmo zwar etwas skeptisch aber ansonsten ohne weitere Aufregung beide Runden mit uns absolviert.

    Und jetzt ist Telmo dran

    Jetzt sollte es runter von der Wiese gehen und einen kleinen gemeinsamen Spaziergang geben. Zu unserer Verwunderung war das für Telmo kein Problem. Auch als wir mitten im Ort die erste Übung von der Wiese wiederholen mussten, Telmo setzt sich und sieht (fast) gelangweilt zu wie die anderen Hunde an ihm vorbei laufen und als wir an der Reihe sind macht er es so, als ob er nie etwas anderes gemacht hätte. Von Stunde zu Stunde war Telmo dann relaxter.

    Bei der dritten Stunde hatte es auf der Wiese dann geheißen, alle Hunde von der Leine.

    Antje und mir war gar nicht wohl, aber Telmo hatte uns eines besseren belehrt. Er war einfach neben uns liegen geblieben und hatte den anderen Hunden zugesehen. Kam ein anderer ihm zu nahe, gab es ein kurzes Knurren oder bellen und die Sache war erledigt.

    Lediglich Fetzer durfte sich ihm etwas mehr nähern und die beiden hatten sich sogar vorsichtig beschnüffelt.

    Auf die Körpersprache kommt es an

    Ulli hatte uns bei jeder Stunde auf Telmos Körpersprache aufmerksam gemacht und Tipps gegeben, wie wir zu reagieren hätten. So hieß es z.B. „jetzt fixiert er Barney, jetzt müsst ihr eingreifen sonst geht es nicht gut“ oder wenn wir eingreifen wollten weil er einen anderen Hund angeknurrt hatte „nein, bleibt ruhig, er sagt ihm damit nur er soll nicht näher kommen und das darf er auch“. Dann kam die vierte Stunde. Ulli wollte testen, wie die einzelnen Hunde auf Wildtiere reagieren. Bis auf eine Ziege die direkt am Zaun gelegen hatte, fand Telmo Rehe, Hasen und sonstige Bewohner des Tierparks völlig uninteressant. Ein paar Meter abseits dann auf einem schmalen Weg kam Ulli die Idee für eine Übung:
    Wir sollten uns zu beiden Seiten aufstellen und jeweils ein Halter sollte mit seinem Hund an der Leine zwischen den anderen durch. Entgegen unseren Erwartungen hatte kein einziger Hund Probleme damit. Nun sollte eine Steigerung folgen. Ulli meinte nämlich ganz locker, jetzt machen wir das ohne Leine, Herrchen oder Frauchen mit Hund an ein Ende des Weg, den Hund „sitz“ machen lassen, Leine ab, ans andere Ende gehen und den Hund zu sich rufen. Soweit so gut. Wir waren natürlich sicher, dass wir diese Übung mit Telmo an der Leine machen würden, hatten uns aber getäuscht. Antje war noch ganz siegessicher mit Telmo nach vorne gegangen und wollte schon zwischen den anderen Hunden durch, da kam Ullis nette aber bestimmte Stimme. „Das gilt auch für Telmo, sitz machen lassen, Leine ab und los geht’s.

    Ich hatte mich gewundert, bei welchen Temperaturen ein Mensch ins Schwitzen kommen kann. Aber irgendwie hatte Ulli uns auch Sicherheit vermittelt.

    Antje hatte Telmo also sitz machen lassen und dann abgeleint.

    In der nächsten Folge geht es um Telmos erste Schritte ohne Leine, seine Verhaltensänderung gegenüber anderen Hunden und Wildschweine.

    Ein Gastbeitrag von Christoph Detmer

    Alle Bilder & Quellen: Christoph Detmer