„Never let go“, diese 3 Worte sagte ich jedem Touristen der auf unsere Huskyfarm gekommen ist mehrere Male während der Instruktionsbesprechung. Also jedem Besucher, der sich darauf eingelassen hat für einen Tag Musher zu sein. Manchmal passierte es, dass einigen bei den Worten das Herz in die Hose rutschte, einfach weil dem einen oder anderen erst dann bewusst geworden ist, dass es nicht ein Sport wie jeder andere ist. Es nicht auszuprobieren, wäre jedoch schade gewesen.
Musher zu sein ist ein unglaubliches Gefühl
Denn es ist ein unbeschreibliches Gefühl, wenn man auf einen Hundeschlitten steht und von 6 laufhungrigen Hunden durch die arktische Landschaft gezogen wird. Es herrscht absolute Stille, weit und breit keine Zivilisation und soviele Bäume, dass man den Wald nicht sehen kann.
Sonnenunter- und Aufgänge scheinen hier unendlich zu dauern und werden ab und zu von Naturfestspielen auf sternengespickten Nachthimmeln unterbrochen. Aber immer ist das rythmische Geräusch der 24 Pfoten auf dem Schnee zu hören.
Bin ich für den Alltag auf einer Huskyfarm geschaffen?
Bei all der Faszination für die Hunde und zur rauen Natur gibt es jedoch auch auf einer Huskyfarm einen Alltag. Für den Alltag bin ich hergekommen. Natürlich für einen mit Hunden. Dass mich die raue Natur und das Outdoorleben auch begeistert, klar, das gehört dazu.
Ich bin aber wegen den Hunden gekommen und wollte damit herausfinden, ob trotz harten Bedignungen meine Begeisterung für Hunde ungebrochen bleibt.
Ob ich es mir auch nach knochenharten Tagen bei -40 Grad immer noch vorstellen kann, professionell mit Hunden zu arbeiten.
Huskies sind schlau – sie kennen alle Routinen in- und auswendig
Aber wieder zurück zu den Hunden, die spielen sich nämlich genau auf diesen Alltag wie ein Uhrwerk ein. Sie wissen ganz genau wenn der erste Hund „Peanut“ sein Futter bekommt, wie lange es für „Comet“ dauern wird, gefüttert zu werden. Neben zig Kleinigkeiten müssen Käfige und Boxen gereinigt, Hundehütten kontrolliert und die Huskyfarm jeden Morgen von Neuem touristentauglich gemacht werden. Auch die Safarivorbereitungen gehören dazu. Das Equipment muss geprüft und die Hunde regelmässig gesundheitlich gecheckt werden. Die Hunde werden zweimal am Tag gefüttert und gewässert. Abends wird wieder die Fütterung vorbereitet und die Fütterroutine beginnt von Neuem. Manchmal gibt es auch Nachtsafaris, d.h. extra Touren nach der Fütterung. Das bedeutet, dass es oftmals auch nach der Abendfütterung jede Menge zu tun gibt.
Stell Dir vor, Du musst über 120 Huskies beim Namen kennen…
120+ Alaskan Huskies sind auf der Huskyfarm, die ich zusammen mit anderen Freiwilligen betreuen durfte. Alle Namen und zusätzliche wichtige Informationen mussten gelernt werden:
- Angefangen bei der Geschirrgrösse,
- als auch, dass Hulda sich nicht mit anderen Hündinnen versteht
- und Eka ein erstklassiger Leithund ist, aber mit Menschen sehr schüchtern ist.
- Oder dass Kiri Kiri und Bran so stark sind, dass Sie besser nicht von den Touristen alleine zu Ihren Hütten zurückgeführt werden sollten.
Bei soviel Hunden wird einem erst einmal bewusst, dass jeder Einzelne eine Persönlichkeit ist und man sich auf jeden einzelnen Hund einlassen muss, um mit ihm weiterzukommen.
Dabei lernt man, bei den stürmischen Hunden bestimmt aufzutreten, bei den Schüchternen sanft, fast zart zu werden und bei einigen Exemplaren unterschiedliche Herangehensweisen auszuprobieren.
Da einige Hunde eben genau nicht in eine von den gängigen Schubladen passen. Das kommt auch daher, dass nicht alle Huskies auf dieser Farm aufgezogen worden sind und leider andere Farmen Ihre Hunde teilweise auch mit altertümlichen Methoden behandeln. Glücklicherweise war ich auf einer Farm auf der viel Wert auf die Sozialisierung der Hunde gelegt wurde und somit jedem Hund die Chance gegeben wird später adoptiert zu werden (wie z.B. Hunde mit Herzfehlern, epileptische Hunde, pensionierte Hunde und Hunde, die zu faul für das Laufen sind – man glaubt es kaum, aber das kommt selbst bei Huskies vor).
Aber trotz aller Unterschiede haben alle eins gemeinsam: jeder veranstaltet einen gewaltigen Lärm, wenn die Fütterungszeit beginnt. Erst wenn auch der letzte Hund sein Wasser und Futter bekommen hat, kehrt Ruhe ein. Gefolgt von einem 120+ Schnauzen starken Heulkonzert, wenn die Letzten das Farmgelände verlassen.
Gänsehaut garantiert. Jedesmal!
Wildes Durcheinander beim Anleinen und Loslaufen!
Nur bei einer einzigen anderen Situation entsteht auch ein ohrenbetäubender Lärm – und zwar wenn die Hunde vor den Schlitten gespannt werden. Wenn man mit einem Geschirr bewaffnet in die Reihen der Hunde tritt, wetteifert jeder Einzelne von Ihnen der Auserlesene zu sein. Selbst scheue Hunde verlieren ihre Schüchternheit und kommen freudig aus ihren Hundehäusern um startklar zu sein. Es ist faszinierend zu sehen wenn sich scheue Hunde verändern und dem Moment entgegensehen, wenn das langersehnte „Let´s go“ von dem Musher ertönt. Die ersten Meter sind immer die Schnellsten, gerade eben weil die Hunde das Laufen lieben und alles geben wollen.
Jeder Einzelne ein Topathlet, der gepflegt und trainiert werden will.
Wie ich einen Husky adoptiert habe
Trotzdem gibt es aber auch unter Huskies die eine oder andere Ausnahme die es eher gemütlicher mag. „Laufen ja, aber bitte nicht so schnell und den Schlitten ziehen brauche ich eigentlich auch nicht, oder? Ich meine, dafür haben wir ja weitere 5 Hunde im Team“ Diese Worte hätte man jedenfalls dem Hund „Hertz“ in die Schnauze legen können, wenn man ihn im Team laufen gesehen hat. Die meiste Zeit hing seine Zugleine lasch durch. Ganz im Gegensatz zu den straff gespannten Zugleinen der anderen Huskies. Eben ein Schlittenhund mit anderen Prioritäten, so jedenfalls habe ich das für mich interpretiert und ihm deswegen gerade eben mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Soviel, dass ich ihn einfach mitnahm, als ich mich von diesem einzigartigen Erlebnis verabschiedet habe. Jetzt hat er in seinen kommenden Jahren auch abseits von einem Arbeitshundeleben einfach mal die Möglichkeit nur Hund zu sein.
Never let go
Ich möchte meine Erfahrung auf einer Huskyfarm auf keinem Fall missen, auch wenn die Mentalität eine ganz andere ist, als die Beziehung zu Hunden in unseren deutschen Grosstädten. Den Hund als reines Arbeitstier zu sehen und mitzuerleben wie hart diese Hunde jeden Tag arbeiten, ist inspirierend. Das war auch genau der Grund, warum ich eindringlich die Worte „Never let go“ vor einer Safari wiederholte. Denn wenn die Hunde einmal angefangen haben den Schlitten zu ziehen, hält sie nichts mehr zurück. Vor allem nicht, wenn ein Musher den Schlitten überrascht losgelassen hat. Das lässt diese Kraftpakete bestimmt nicht stoppen, dafür lieben Sie Ihren Job, das Laufen einfach viel zu sehr.
Ein Gastbeitrag von Eve E. Wer gerne mehr Informationen zu der beschriebenen Huskyfarm hätte, kann auf deren offiziellen Seite fündig werden: http://www.hettahuskies.com/