„Landwirte müssen draußen bleiben“ – verrückte Vorstellung so ein Schild an einem Geschäft oder Restaurant, stimmt’s? Unverschämt, diskriminierend, undenkbar. Obwohl es dafür gute Gründe gäbe. So ein Landwirt hat schließlich nicht nur Reste von allem Möglichen an seinen Schuhsolen (unhygienisch ohne Ende), sondern stellt auch ein echtes Risiko für Allergiker dar: Tierhaare, Gräser- und Getreidepollen – all das trägt er in Haaren und Kleidung mit sich herum und gefährdet so seine Mitmenschen.
Trotzdem: nie wird es ein derartiges Verbot geben. „Hunde müssen draußen bleiben“ erscheint aber allen völlig normal. Wieso eigentlich?
Ach so, fast hätte ich vergessen, mich vorzustellen: ich heiße Noah, bin vier Jahre alt und gebürtiger Spanier. Seit gut drei Jahren lebe ich mittlerweile in Bayern und habe schon sehr viel vom Freistaat gesehen, Deutschland von den Alpen bis an die Ostsee erkundet und drei weitere Länder bereist. Das wichtigste im Leben (außer essen natürlich) ist für mich, immer bei meinen Menschen zu sein.
Dafür nehme ich einiges auf mich:
- mit Maulkorb und kurzer Leine steige ich in vollgestopfte Gondeln, um auf Berggipfel zu schweben,
- über endlose Metallgitter marschiere ich mutig auf schwankende Boote,
- ich lasse mich über Rolltreppen tragen
- und liege „scheintot“ zwei Stunden unter einem Tisch im Restaurant.
Und das, obwohl ich anfangs sogar im Auto Panikattacken bekam. Bin schließlich ein Sozialfall aus dem Tierheim – da kennt man nichts außer seinen vier Wänden, aber wo ein Wille ist, ist ein Weg.
Manchmal tun mir meine Menschen allerdings richtig Leid: sie stehen dann mit langen Gesichtern vor einer Tür mit einem Schild, auf dem ein Hundebild drauf ist. „Hunde verboten“ sagen sie dann ziemlich entnervt. Und im gleichen Atemzug: „Tja, wenn die unseren Hund nicht mögen, dann kriegen sie auch nicht unser Geld.“ Da sind sie konsequent, das muss ich ihnen lassen.
Im Teeladen
Kürzlich wollten sie z.B. in einen Teeladen. Dort gab’s wohlgemerkt keine offenen Tees – alles nur abgepackt. Kaum hatten sie einen Fuß über die Schwelle gesetzt, stürmte schon eine Verkäuferin auf uns zu: „den Hund müssen Sie aber draußen lassen“. Was glaubt die denn? Wer draußen blieb, waren meine Menschen. Sie würden mich nie wehrlos vor einem Geschäft zurücklassen. Stattdessen sind sie auch nie mehr reingegangen – weder mit mir noch ohne mich. Nun ist Tee ja nichts anderes als getrocknete Pflanzen. Meine Menschen sind vom Fach und wissen, was aus dem Tee so alles raussortiert wird, bevor er in bunte Tüten mit viel Plastik außen rum abgepackt wird: Erdklumpen oder Vogeldreck zum Beispiel. Ist ja auch nicht dramatisch, kommt ja dann heißes Wasser drauf. Aber ich im Teeladen – das ist zu unhygienisch (zumindest war das die Begründung der Dame an der Tür). Meine Menschen haben das lange diskutiert, und auch ich habe eingehend darüber nachgedacht. Ohne vernünftiges Ergebnis allerdings.
Im Hotel beim Frühstücksbuffet
Im Hotel hatten wir auch mal ein Problem: ich bleibe nicht gern allein in fremden Zimmern. Also begleite ich meine Menschen zum Frühstück. Fast immer jedenfalls. In der angeblich so hundefreundlichen Stadt Berlin war das nicht möglich. Da hieß es – genau, ihr ahnt es sicher schon – „zu unhygiensch“. 12 Frühstücke weniger für die Unterkunft. Drei Tage lang gingen wir dann nämlich in ein Café gegenüber. Bei der Gelegenheit stellten meine Menschen gleich fest, dass das Essen dort besser, billiger und bio war. Das Spannende an dem Hotelrestaurant war aber, dass sich niemand daran störte, dass die automatische Tür zur Hauptstraße direkt gegenüber vom Buffet war. Jeder, der reinkam, brachte einen Luftschwall Straßenstaub mit und klopfte sich die Füße 5 Meter vor dem Buffet ab (es war Mistwetter). Dann noch Kinder, die über das Essen niesten und in den Semmeln („Brötchen“ für Nicht-Bayern) wühlten. Dazu der Typ mit dem Raucherhusten (oder war’s doch offene TBC?). Aber: alles offenbar viel hygienischer als ein unter dem Tisch liegender Hund. Jetzt werdet ihr euch fragen, „woher weiß der das alles, wenn er doch gar nicht in den Frühstücksraum durfte“? Ganz einfach: um vom Lift zum Ausgang zu kommen, musste man am Buffet vorbei und durch alle Tische durchlaufen. Das taten wir drei Tage lang, um zu „unserem Lokal“ zu kommen. Dabei habe ich all das beobachtet. In der Apotheke kann man auch einiges erleben. Wo wir meist nicht rein dürfen (die Hygiene!), ist sonst jeder willkommen: der Landwirt frisch aus dem Stall, dem der Kuhmist noch von den Gummistiefeln fällt, und der riecht wie ein Güllefass (wie ich diesen Duft liebe!), das Kleinkind, von dessen Scharlacherkrankung Mutti detailliert berichtet, während es mit den eben noch abgelutschten Händen den Tresen betatscht (anschließend wurde die halbe Apotheke desinfiziert), und der arme Kerl, der so trinkt, dass man schon von seiner Fahne einen sitzen hat. Alles kein Thema, aber die Vierbeiner … zu unhygienisch, zu dreckig.
Das habe ich zwar alles nicht mit eigenen Augen gesehen, aber meine Menschen erzählten sehr glaubhaft davon.
Wenn das Hauptargument „Hygiene“ mal nicht so zieht, dann heißt es oft „Allergiegefahr“. Leider stimmt das: je größer der allgemeine Hygienefimmel, desto mehr Allergiker gibt es. Trotzdem habe ich noch nie einen Hundehaar-Allergiker getroffen, der nur durch meine Anwesenheit in Atemnot geraten wäre. Dann wäre ich natürlich schleunigst verschwunden. Aber nur für den Fall, dass da jemand sein könnte … ?!
Was wirklich stört
Ich habe leider das Gefühl, dass das alles vorgeschobene Gründe sind. Keiner verbietet zum Beispiel angeheiterten Fußballfans den Zutritt zur Straßenbahn, auch wenn alle anderen Fahrgäste schon fester nach der Hand ihrer Kinder greifen oder sich in irgendeine Ecke drücken. Niemand sagt „lassen sie ihr Kleinkind draußen“, auch wenn die Verkäuferin bereits ahnt, dass das süße Mädchen gleich mit Schokoladenhänden nach den teuren Blusen greifen wird. Auch der hustende und schniefende Restaurantgast wird nicht hören „das ist nun wirklich zu unhygienisch, lassen Sie sich ihr Essen aufs Zimmer bringen.“
Mit uns kann man’s ja machen
Wir sind ja nur Hunde. Schade eigentlich. Meine Menschen wären bereit, im Museum oder im Zoo den gleichen Eintrittspreis zu zahlen wie für einen Erwachsenen. Sie würden auch eine Kaution an der Kasse hinterlegen, falls ich was anstelle. Wir würden auch gemeinsam die Begleithundeprüfung oder/und den Hundeführerschein machen, wenn uns das Zutritt in Ausstellungen oder Geschäfte verschaffen würde. Und ich, ich würde mir überall einen Maulkorb verpassen lassen, wenn ich nur mit dürfte.
Wie ihr seht: wir hätten viele Ideen und wären bereit, einiges zu tun, um möglichst viel gemeinsam erleben zu können. Hoffentlich verstehen bald immer mehr Geschäftsleute und Veranstalter, wie viele nette Besucher (und wie viel von dem Geld, auf das die Menschen doch so scharf sind) ihnen entgehen, wenn sie ohne „wenn und aber“ sagen „Hunde verboten“.
Bis dahin kann ich euch nur folgende Tipps geben:
- Gewöhnt euch rechtzeitig an einen Maulkorb. Natürlich muss der perfekt sitzen, und vielleicht lasst ihr ihn euch am Anfang mit etwas Leberwurst versüßen.
- Besucht mit euren Menschen einen Leinenführigkeitskurs. So wie manche ihre(n) Liebste(n) durch die Fußgängerzone zerren, werden ja auch wir oft durch die Gegend geschleift (okay, okay, manchmal hängen auch wir uns ins Geschirr). Entspanntes „Händchenhalten“ bzw. „Leinenbaumeln“ ist da allemal besser.
- Ich bin ja nicht der Typ, der sich gerne hinsetzt oder -legt. Aber meine Menschen bestehen manchmal drauf, und ich mache das jetzt auch. Mit guten Manieren kommt man einfach weiter. Im Gegenzug schleppen sie meine Lieblingsdecke überall hin mit. Die brauche ich, um zu entspannen. Außerdem sieht das gepflegter aus. Man hat ja Stil.
- Bringt eure Menschen dazu, nicht nur für sich, sondern auch für euch eine Haftpflichtversicherung abzuschließen. Man weiß ja nie …
- Last but not least: informiert euch rechtzeitig – bei Freunden, im Internet oder auch auf meiner Seite „www.bayern-mit-hund.der“ – wo wir willkommen sind. Erspart allen viel Ärger und Enttäuschungen. So ist der Zoo Leipzig zwar wunderschön, aber wir dürfen dort keine Pfote reinsetzen. Gemeinsam waren wir dann im Zoo von Hannover. Der ist mindestens genauso toll, wir sind willkommen und dürfen – entsprechende Manieren (siehe oben) vorausgesetzt – fast überall mit hin. Beim Baumwipfelpfad im Bayerischen Wald ist es ähnlich: im Nationalpark will man von uns nichts wissen, in St. Engelmar werden wir freundlichst begrüßt. Und in Regensburg gehen wir jetzt nicht mehr in den Teeladen, sondern in den Hundekeksladen. Dort darf ich sogar selbst an der Theke wählen.
Euer Noah
Ein Gastbeitrag von Noah’s Frauchen, Daniela Skalla
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