Eine Dogge sollte es sein. Nachdem diese Entscheidung gefallen war, haben mein Mann und ich dennoch lange auf unsere erste Dogge gewartet. Wir waren auf Ausstellungen, machten uns im Internet schlau und besuchten Züchter um Züchter. Eine Vorstellung wie der ideale Züchter für uns aussah, die hatten wir gewiss:

Keine Massenvermehrung, nein das wollten wir nicht. Stattdessen suchten wir einen Züchter, der nur gelegentlich einen Wurf hat, mit seinen Hunden zusammen lebt und viel von dieser Rasse – insbesondere der Gesundheit – versteht und uns mit Rat und Tat zur Seite steht. So kamen wir, nach fast zwei Jahren intensiver Suche, endlich zu unserem Camelot.

Alles schien einfach perfekt:
Die vielen, vielen Vorgespräche, insbesondere um das Thema Gesundheit, die wir führten lange bevor überhaupt der Wurf gefallen war und unsere vielen Besuche bei den Welpen. Wöchentlich haben wir unseren Camelot besucht. Und dann endlich war er da: Der Tag, an dem er, unser „Lotte“, so wurde Camelot von Anfang an bei uns genannt, bei uns einzog. Wir waren die glücklichsten Hundeeltern der Welt!

Lotte wuchs und bereitet uns täglich Freude.

Anlass zur Sorge in Bezug auf seine Gesundheit – die gab es fast so gut wie nie. Im Oktober 2005 bekam Lotte Husten. Ein Besuch bei unserer Tierärztin beruhigte uns: Camelot hatte „nur“ eine leichte Erkältung. Mit etwas Medizin sei das gut in den Griff zu bekommen. Tatsächlich ließ das Husten nach und wenn er dann doch ein oder zweimal am Tag „tief von unten heraus“ hustet – naja, da dachten wir uns nichts bei; jeder hustet ja mal. Bei jedem Besuch hörte unsere Tierärztin natürlich auch sein Herz ab – und sie hörte nichts…

An Lottes letzten Tag hier auf Erden, es war Valentinstag 2006, war alles wie immer:
Er tobte vormittags noch mit seinem Mädels Kira („Carlotta“ ­seiner Wurfschwester, die wir mit über zwei Jahren als fünfte Besitzer von einer Familie übernommen hatten) und Amber („vom Yellow Fellow“, einer Tochter von Kira, die wir aus unserem A­Wurf behalten haben). Zur Mittagszeit – kurz bevor ich zur Arbeit ging – gab es dann wie üblich Fressen. Mit großem Appetit hat Lotte sich darüber her gemacht. Danach legte er sich auf sein Körbchen im Flur. Ich saß gerade am Schreibtisch als ich einen Knall hörte.

Ich sah in den Flur: Lotte lag auf der Seite und rührte sich nicht – in zwei Sätzen war ich bei ihm – aber jede Hilfe war nicht nur zu spät – nein, sie wäre gar nicht mehr möglich gewesen. Ein kurzes Aufjaulen und Lottes blaue Zunge trat aus seinem Maul.

Binnen Sekunden war mein geliebter Freund tot

Paralysiert saß ich neben Camelot auf dem Boden – ich konnte es nicht begreifen – was war passiert – wieso war das passiert? Lotte war doch gesund!

Die herbeigerufene Tierärztin konnte nur noch seinen Tod bestätigen und sagte mir, dass diese Form des „plötzlichen Herztodes“ leider immer mal wieder vorkäme.

Uns träfe keine Schuld – da könnte man leider auch vorbeugend nichts machen. Noch am selben Tag informierten wir Camelots Züchter über dessen Tod. Ein Schreiben an Den Zuchtleiter des Deutschen Doggen Club 1888 e.V. [DDC] ging einen Tag später in die Post. Fakt ist: alle sechs Monate wurden bei allen unseren Hunden die so genannten „großen Blutbilder“ nebst Schilddrüsenprofil erstellt – alle Werte waren immer zur vollsten Zufriedenheit ausgefallen. Die allgemeine Untersuchung, die bei jeder Blutabnahme stattfand, stellte unsere Tierärztin auch zufrieden.

Lotte ist keine fünf Jahre alt geworden

Wir ließen seine sterblichen Überreste einäschern und begruben seine Urne bei uns im Garten. Alarmiert durch Camelots plötzlichen Tod, über die Hinweise, dass wohl häufiger Doggen „einfach umfallen“ und noch dazu im Deutschen Doggen Form das Thema „DCM“ [dilatative Kardiomyopathie; krankhafte Erweiterung (Dilatation) des Herzmuskels] aufkam­ wollten wir all unsere Doggen schallen lassen. Gesagt getan. Wir fuhren zu einem Tierarzt, der ein Ultraschallgerät sein Eigen nennt und ließen unsere Amber im Juli 2006 schallen. Die Diagnose: das Herz ist top ­ für eine sportliche Hündin ein sportliches Herz. Wir atmeten mehr als erleichtert auf – kein Herzproblem – keinen Grund zur Sorge!

Aufgrund dieser Diagnose wollten wir Amber zur Zucht zulassen. Im September 2006 absolvierte Amber erfolgreich die Zuchtzulassung. Im Oktober 2006 gingen wir, da wir von Fehldiagnosen bei Doggen hörten die nicht von einem Mitglied des Collegium Cardiologicum geschallt worden waren zu Herrn Dr. Kresken nach Duisburg. Neben der Kontrolluntersuchung wollten wir gleichzeitig mit unseren Hunden am Gentest teilnehmen, zu dem im DD Forum aufgerufen worden war. Voller guter Hoffnung und rein als Bestätigung wollten wir von Dr. Kresken hören, dass die bereits gestellte Diagnose von Amber völlig korrekt sei. Es kam anders.

Seine Diagnose lautete…

Amber hat okkulte DCM. Ein Schock für uns und es war klar, dass wir Amber somit nicht zur Zucht einsetzen würden. Ihr Bruder Archy, den wir direkt mit zu diesem Termin genommen hatten, war zu diesem Zeitpunkt völlig befundfrei. Als Züchter standen wir nun in der Pflicht sämtliche Welpen Käufer von unserem A­Wurf zu informieren. Wir ließen jedem den Aufruf zur Teilnahme am Gentest zukommen, informierten über Ambers Diagnose und teilten ihnen den Link zu dem von Katja Hasselbeck ins Leben gerufene DCM­Forum mit. Das Forum gibt es in der Art leider nicht mehr. Weiterhin informierten wir noch den Zuchtleiter des DDC über Ambers Diagnose und unsere verständliche Entscheidung, sie nicht zur Zucht einzusetzen. Im selben Monat informierten wir auf unserem Ortsgruppen Clubabend noch unsere Clubmitglieder und teilten Infoblätter zur Teilnahme am Gentest aus. Die Liste für die CC­ Kardiologen verteilten wir, in der Hoffnung, die Mitglieder würden an der Studie teilnehmen.

Und jetzt Kira…

Nun musste noch unsere Kira (Carlotta) zur Untersuchung. Kira erfreute sich immer bester Gesundheit, war ein „Hans Dampf in allen Gassen“, rennen, toben, Hasen und Rehe jagen – ein Athlet – ein Zehnkämpfer – kurz Kira war für uns der Inbegriff der sportlichen, gesunden und vitalen Dogge. Nichts, rein gar nichts, ließ eine mögliche Herzerkrankung vermuten. Ebenso bestätigte unserer Tierärztin uns immer, dass Kira top fit sei. Auch ihr Herz wurde bei allen Tierarztbesuchen abgehört… Wir gingen im Dezember 2006 mit gemischten Gefühlen zur Untersuchung in die Tierklinik Duisburg, denn nach dem bis dato vermuteten Erbgang „musste“ Kira krank sein. Die Voruntersuchung dauerte schon ewig: Ein Tierärztin im Praktikum sollte Kiras Herz zunächst abhören und lokalisieren. Sie hörte den kompletten Brustkorb bis fast zum letzten Rippenbogen ab. Sie schüttelte immer nur den Kopf und biss sich auf die Lippen. Als Herr Dr. Kresken zu uns kam, frage er: „Und, was konnten Sie feststellen?“.

„Das kann nicht sein“, sagte die Ärztin, „ihr Herz wäre riesig“. Das war es in der Tat, wie Dr. Kresken ihr und uns bestätigte. Seine Diagnose war niederschmetternd: DCM im Endstadium!

Er wunderte sich tatsächlich sehr, dass Kira überhaupt noch lebend vor ihm stand. Die Werte von ihr waren alarmieren schlecht, doch außer der medizinischen Unterstützung konnten wir für sie nichts mehr tun. Was uns zusätzlich völlig fassungslos mache war die Aussage von Dr. Kresken, dass beim Abhören des Herzens unsere Tierärztin bereits Herzgeräusche hätte hören müssen… Völlig am Boden zerstört verließen wir mit unserem Mädchen, ein umfangreiches Sortiment an Tabletten im Gepäck, die Klinik. Selbst nach Rücküberweisung und mit genauer Anleitung, worauf beim Abhören zu achten sei, hörte unsere Tierärztin jedoch bei einer Blutabnahme im Dezember rein gar nichts an Kiras Herzen. Auch über Kiras Diagnose informierten wir, neben dem Zuchtleiter und ihrem Züchter, alle Käufer der Welpen und baten inständige, sie mögen mit ihren Hunden zum schallen gehen und uns die Ergebnisse zukommen lassen. Leider wurde nur ein weiterer Hund aus unserem ersten und zeitgleich letzten Wurf geschallt. Ansonsten bekamen wir immer nur die Antworten, dass die Hunde sich alle völlig normal verhielten und sicherlich kein Grund zur Sorge bestehen würde. Zur Untersuchung zwingen können wir leider niemanden… Keiner unserer Welpen ist in der Zucht – ein schwacher aber dennoch kleiner Trost…

Die Kontrolluntersuchung für Kira war für Anfang Februar 2007, keine drei Monate nach Diagnosestellung, angesetzt ­ das Resultat: es ging weiter schnell und unaufhaltsam bergab. Die Werte haben sich trotzt umfangreicher Tablettengabe verschlechtert.

Man merkte unserem Mädchen bis zu ihrem Tod am 25. Februar 2007, knappe zwölf Wochen nach Diagnosestellung, nur ein Jahr nach ihrem Bruder Camelot und mit nicht mal sechs Jahren, nahezu nichts an. Das ist das heimtückische an dieser Erkrankung!

drei hunde im körbchen

Bild & Quelle: Anja Kiefer, Hundeimpressionen.de

Kiras Herz wurde zu Forschungszwecken entnommen und Herrn Dr. Kresken überlassen. Ihre sterblichen Überreste wurden kremiert und neben Camelot beigesetzt. Auch über Kiras Tod und der nachweislichen DCM informierten wir erneut den Zuchtleiter und Kiras Züchter. Die Untersuchung von Amber und Archy im März 2007 zeigten keine Verschlechterung zu der Untersuchung im Oktober 2006. Jedoch wurde bei der Routineuntersuchung dann im September 2007 bei unserem Archy okkulte DCM diagnostiziert, so dass auch er nun medikamentös eingestellt ist. Neben der Schulmedizin wurden unsere Hunde zusätzlich homöopathisch behandelt. Die erneute Kontrolluntersuchung im Januar 2008 war zumindest in der Art erfreulich, als das von Herrn Dr. Kresken keine weitere Verschlechterung bei unseren Hunden diagnostiziert wurde. Somit waren Ambers Werte sind seit Oktober 2006 und Archy Werte seit September 2007 stabil. Im November 2011 bekam unsere Amber eine Gebärmuttervereiterung. Aufgrund der sich bis dahin verschlechterten Herzwerte konnten wir die notwendige OP nicht vornehmen und mussten sie am 07.11.2011 über die Regenbogenbrücke gehen lassen. Unser „Öpi“ hat am 17.04.2013 seinen 9.ten Geburtstag gefeiert, jedoch war uns bewusst, dass dieser Frühling sein letzter sein wird. Der Termin bei Herrn Dr. Kresken am 12.02.2013 hat dies leider bestätigt. Wir mussten unseren Öpi am 08.09.2013 mit 9,5 Jahren über die Regenbogenbrücke gehen lassen.

Ein Wunder…

Dieses Alter ist für eine gesunde Dogge schon nahezu biblisch – für eine an DCM erkannte Dogge grenzt es an ein Wunder.

Was uns wirklich ratlos macht, ist die Ignoranz mancher Züchter, die dieses Thema schlichtweg totschweigen.

So etwas stimmt schon sehr traurig und macht wütend. Wir haben sicherlich kein „Sendungsbedürfnis“, allerdings sind wir der Meinung, dass niemand das Leid, einen lebensfrohen Hund mit nicht einmal fünf oder sechs Jahren zu verlieren, erfahren muss. Wir lieben die Deutschen Doggen. Ihre Art, ihr Wesen, ihren einzigartigen Charakter – aber wir lieben sie nicht mehr um jeden Preis. Daher steht für mich fest: Eine Deutsche Dogge wird nicht auf absehbare Zeit ihr Leben mit mir teilen.

Ein Gastbeitrag von Anja Kiefer

Alle Bilder & Quellen: Anja Kiefer, Hundeimpressionen.de