„Unverhofft kommt oft“ – diesen eigentlich ausgelutschten Spruch werden wir wohl im Rückblick auf dieses Jahr als Leitbild 2013 festhalten, für Magdalena Baszton trifft dies aber wahrscheinlich noch sehr viel mehr zu, als für andere…
Berlin oder Bad Segeberg, das ist hier die Frage
Da die Wohnungslage in Berlin ja eher kritisch ist und jeder, wirklich jeder in das kreative Epizentrum der Welt pilgern möchte aber nicht bereit ist von seinem Praktikantenhonorar eine der überteuerten Luxuswohnungen in der City zu bezahlen, boomen Wohngemeinschaften wie nie zuvor. Warum teuer, wenns auch billig geht.
Aber, dass wir einmal unsere 2-Zimmer Neubau Wohnung mit einem Mitbewohner teilen, hätten wir uns nie gedacht.
Bis zu einem besagten Tag kurz vor Ostern, an dem wir uns entschlossen, meine Schwägerin in Spe in Bad Segeberg zu besuchen.
Quasi schon auf gepackten Kisten und Koffern sollte sie sein, auf Weltreise sollte es gehen, sich ein Plätzchen auf dieser Welt zu suchen. 3 Stunden Autofahrt in unserem blauen Kleinwagen später, bogen wir quasi direkt von der Autobahn in den kleinen Kurort in Schleswig Holstein.
Klein, idyllisch und naja, voller Heilkliniken, Kneippgästen und Möbel Kraft. Bad Segeberg würde wohl nie zu unseren favorisierten Wohnorten gehören.
Ein unerfüllter Mädchenwunsch
Ich hatte mich allerdings schon gefreut, da mir zu Ohren gekommen ist, dass ja ein paar Hunde mit in der Idylle lebten, und ich, wie jede Frau, als kleines Mädchen den Hundewunsch hatte, der jedoch unerfüllt blieb.
Freudig, schwanzwedelnd begrüßt wurden wir von zwei entzückenden Kreaturen. Chihuahua Schwergewicht, und Rudeloberhaupt Camelot, der mit seinem Charme und seinem Hüftgold das Herz einer Frau im Sturm erobern kann sowie Companion und Untergebener Emilio, 1,5 Kilo Zucker.
Die Zwei lebten gemeinsam bei Schwägerin in Spe und teilten sich Tisch, Bett und Napf… NOT! Seine Hoheit Camelot beanspruchte Tisch, Bett und Napf für sich alleine. Auch Streicheleinheiten waren ausschließlich für ihn bestimmt:
Ein Hinhocken und Handraustrecken reichte, Mr. Wuchtbrumme hatte seinen Companion schon beim Daherlaufen mit dem Chihuahua-Po des Weges verwiesen um sich ausgiebig kraulen zu lassen – in seiner Welt wohl der ultimative Beweis seiner Huldigung.
Die Hackordnung war augenblicklich klar
Da stand es nun das kleine Elend, aufgeregt schwanzwedelnd und schaute mich mit seinen großen Augen an als ich vergeblich versuchte, auch ihm Guten Tag zu sagen. Auch jemand wie ich, der bis dato von Hundeverhalten null Ahnung hatte merkte schnell, wer in diesem Hause der Boss war. Emilio war nicht nur der jüngere, sonder auch der körperlich deutlich unterlegene. Nachdem Camelot sich seinen Willen erkämpft hatte und wohlig grunzend meine Streicheleinheiten genoss, beobachtete ich, wie Emilio sich in ein Körbchen zurückzog und mir mit den Augen ein Loch in den Bauch bohrte.
Ich glaube dies war der Moment in dem ich mich verliebte, dieses schüchterne und dennoch so wuselige Wollknäuel hatte es mir angetan, was ja bekanntlich bei Frauen schnell geht.
Kindchenschema nennt man das. Große runde Kopfaugen, mehr brauche ich nicht zu sagen. Ich entschloss mich, mich erstmal zurückzuhalten und mich in die Unterhaltung einzuklinken aber nicht ohne, dass ich es aktiv geschafft hatte, den Knirps auf den Arm zu nehmen und mein Freund wusste, was kommen würde.
„Können wir den mitnehmen?“
Kurz zu meinem Freund: Ein Hundeliebhaber.
Aufgewachsen mit mehreren Golden Retrievern. Seiner Meinung nach, richtige Hunde, die sabbern, riechen und die man nach einer Durchzechten Nacht auf dem Küchenboden als Kissen benutzen kann.
Aber auch der Meinung, das Hundehaltung in den Zwingern in Berlin (auch bezahlbare Wohnungen genannt) reinste Qual ist und der niemals auf die Idee gekommen wäre sich einen Hund anzuschaffen.
Mit der Reaktion, die kam, hätte ich im Leben nie gerechnet. Schwägerin in Spe löste das Rätsel schnell auf, dass sie für den Kleinen ein neues Zuhause suche, da er zu sensibel für die Rumreiserei sei.
Schwägerin in Spe hatte King Camelot seit 5 Jahren und dieser war, neben seiner Rudelführerrolle, auch zu ihrem ständigen Wegbegleiter geworden. Seine Bestimmung war es, auch ins neue Zuhause mitzukommen. Für Klein-Emilio würde es aufgrund seiner Größe und der damit verbundenen Zartheit heißen: Pflegefamilie oder Tierheim.
Aber am meisten überraschte mich mein Freund. Anstatt die Augen zu verdrehen und mir müde zuzulächeln begann er Fragen zu Emilios Wesen zu stellen. Es stellte sich heraus, dass der Kleine ein ruhiger, stubenreiner, unkomplizierter Weggefährte sei, der bedingungslose Liebe schenkt. Der etwas esoterischen Ader meiner Schwägerin in Spe zu verdanken endete das Interview mit den Worten: „Es war eigentlich total unnütz den Kleinen damals von der Züchterin zu nehmen, aber wer weiß, vielleicht hab ich ihn genommen, um ihn dir irgendwann zu geben.“
Zu meiner Überraschung beschlossen wir gemeinsam, ein paar Nächte darüber zu schlafen.
Der Abschied vom Kleinen fiel schwer, am liebsten hätte ich ihn verantwortungslos einfach mitgenommen, aber im Prinzip war schon klar, dass dies nicht ein Abschied für immer war, denn die entscheidende Unterhaltung begann schon auf dem Weg im Auto zurück nach Berlin:
Vernunft darf niemals siegen
Die Vernunft sagte: Wir können das dem Kleinen nicht antun, ihn aus der gewohnten Umgebung zu reißen, und ihn mit in eine berufstätige WG zu lassen, im wilden Berlin.
Das Herz sagte: Aber wer weiß, wohin er sonst kommt? Wir kriegen das schon hin.
Und siehe da, die treibende Kraft war mein Freund. „Ich werde dann eben halbtags von Zuhause arbeiten. Wir kriegen das schon hin!“
Sagte er gerade tatsächlich, dass wir den Hund zu uns nehmen? Ich konnte es gar nicht glauben. Und wären wir wirklich nicht so vernünftig gewesen, wären wir auf der Autobahn, irgendwo in the middle of nowhere umgedreht und wären zurückgefahren, um ihn mitzunehmen. In Berlin angekommen war schnell klar, in 3 Wochen, wenn wir als Umzugshelfer nochmals nach Bad Segeberg fahren würden, wäre in der Berliner WG alles für die Ankunft des neuen Mitbewohners vorbereitet sein. Doch es kam anders, als man dachte.
Frei nach dem Motto, „Unverhofft kommt oft“
Beitragsbild & Quelle: Eva Kroll
Weiteres Bild: Magdalena Baszton