Am letzten Aprilwochenende war es endlich so weit: Gespannt lauschten etwa 60 Seminarteilnehmer – professionelle Hundetrainer wie interessierte Laien – dem lange erwarteten Wolfsforscher Günther Bloch, der sie mit seinem umfangreichen Erfahrungsschatz rund um „Canis und Lupus“ begeisterte. Der zweitägige Workshop fand am 25. und 26. April im Konferenzraum des Hotels Eschbachtalsperre in Remscheid statt und war monatelang vorher ausgebucht. Zum Publikum gehörten neben Veranstalterin Brita Günther von Tiertime auch etwa 40 Hunde. Der renommierte Kynologe und gebürtige Rheinländer Bloch, der mittlerweile fest in Kanada verwurzelt ist, referierte auf seine gewohnt kompetente und charmante Art über „Gruppenleitung, Kommunikation und Charaktereinschätzungen“ sowie die Möglichkeiten zur Verbesserung von Gruppenstrukturen, Kommunikation und Persönlichkeitsbewertung in der Mensch-Hund-Beziehung.

Bloch zufolge definieren wir unsere Haushunde „als vierbeinige Familienmitglieder und individuelle Persönlichkeiten mit sozio-emotionalen Bindungsbeziehungen zu ihren Menschen.“ Ziel seines Seminars war es daher, den Blick verunsicherter Hundehalter dafür zu schulen, ob ihr Hund tatsächlich ein „Problem“ darstellt und wie man das eigene Gruppenleben mit Hund optimal gestaltet. Bloch gab außerdem Antworten auf folgende Fragen: Wie funktioniert eigentlich Gruppenorganisation und Leitung ganz praktisch? Wie sehen wolfstypische Gruppenstrukturen tatsächlich aus? Wie funktioniert ein geordnetes Zusammenleben von Hunden untereinander und mit Menschen? Wie lernt man sowohl hundliche Persönlichkeiten einzuschätzen, als auch deren Stellung in der Mischgruppe Mensch-Hund seriös zu bewerten?

 

Fixierte Rudelstellung? Schwachsinn!

Bild2_Landseer_Latzke

Ganz relaxt, der Landseer eines Seminarteilnehmers
Bild & Quelle: Ute Latzke

Im Verlauf streifte Günther Bloch kurz die heftig diskutierte und ebenso umstrittene Theorie der „Rudelstellung“ und bezog dazu eine klare Position. Sicher gebe es in Gruppenverbänden wie Wolfsrudeln und auch Hundegruppen – etwa bei den von ihm beobachteten Pizza-Hunden – Rudelstellung bzw. bestimmte Positionen. Doch diese seien meist nicht statisch und schon gar nicht genetisch fixiert. „Vielmehr sind diese Konstellationen über Jahre erarbeitet und von den Rudelmitgliedern getestet worden“, so Bloch. Die Existenz von „genetisch-fixierten Rudelstellungen“, die von einer gewissen Befürwortergruppe vehement vertreten werde, zog er hingegen stark in Zweifel und brachte das knapp auf den Punkt mit: „Schwachsinn!“ Ausführliche Informationen und eine Einschätzung zu besagter Rudelstellungstheorie gibt G. Bloch unter: http://rudelstellungen-klargestellt.de/?p=14).

Bild3_Pudel - kleine Gaeste_Latzke

Ja auch uns interessiert das, schließlich sind wir Pudel ganz schön schlau
Bild & Quelle: Ute Latzke

Zwischendurch lockerte Bloch die Vorträge immer mal mit einigen Anekdoten auf – zum Amüsement der Teilnehmer: Bei den Persönlichkeitstypen von Hunden unterschied er zunächst zwischen dem Alpha- und dem Beta-Typ.

Ersterer sei ein vorwitziger Draufgänger, Checker und Kontrolletti, der zweite eher zurückhaltend, nachdenklich und „sitzt die Dinge auch mal aus“.

Anschließend übertrug Bloch diese Kategorisierung auf den Menschen: „Ich bin ein A-Typ, Angela Merkel ist der B-Typ.“

 

Beobachtung von Wölfen in Kanada und Pizza-Hunden in Italien

Beindruckend waren die Videoaufnahmen mit detaillierten Beobachtungen von Wolfsrudeln im Banff Nationalpark (Kanada) sowie Aufzeichnungen von „Pizza-Hunden“ in Italien. Besonders interessant dabei: Obwohl sich die Leittiere des von Bloch gefilmten Wolfsrudels als charismatische, besonnene Führungspersönlichkeiten gaben, ließen sie sich beim Spiel mit ihrem Nachwuchs (Bloch: „Schnösel“) durchaus „auf der Nase“ bzw. dem Bauch herumtrampeln. Mit anderen Worten, die majestätischen „Alphatiere“ lassen auch schon mal Fünfe grade und sein und gehen entspannt über das ein oder andere Fehlverhalten der Rudelmitglieder hinweg – solange deren Treiben das Rudel nicht in Gefahr bringt. Bei den Pizza-Hunden konnte Günther Bloch zum Teil ähnliche Strukturen ausmachen, und zwar sowohl bezüglich Gruppenkonstellation als auch im Verhalten. Das sei insofern bedeutsam, da Hunde es durch die Domestikation und Versorgung durch den Menschen nicht mehr gewohnt seien, in einem rudelähnlichen Verband unter Artgenossen zu leben. Dies aber wohl durchaus noch können und praktizieren, wenn sie etwa im freien Leben als Streuner und ohne menschliche Bezugsperson ums Überleben kämpfen müssten.

 

Was tun, wenn man einen Wolf sieht?

Bild4__WolfshundLatzke

Zwar kein Wolf, aber mindestens genauso beindruckend: der Wolfshund. Den begrüßte G. Bloch freundlich mit: „Na Du Wolfskiller!“
Bild & Quelle: Ute Latzke

Apropos Überleben: Da es in Deutschland wieder Wölfe gibt, stellt sich natürlich die Frage, wie verhalten, wenn einem unerwartet ein Exemplar gegenübersteht. „Auf keinen Fall weglaufen und sich auch nicht zurückziehen, sondern den Wölfen entschlossen entgegen gehen, laut und vernehmlich in die Hände klatschen oder so etwas rufen wie „Hau ab da!“, so Bloch, Weglaufen löse nur das Beuteverhalten aus, das wurde auch schon bei Bären beobachtet. Mehr dazu unter: „Wölfe in Deutschland: Werden Sie zum Problem?“ oder im Ratgeber: „Der Wolf ist zurück. Was mache ich, wenn…“ (G. Bloch/Elli H. Radinger), kürzlich als Kindle-Edtion und Taschenbuch auf Amazon erschienen. Mit Gruß an die „Jägerschaft“ verwies Bloch auf den Artikel „Warum Wölfe töten sich rächt“ auf wissenschaft-aktuell.de: Laut einer US-Studie könnte der Abschuss einiger weniger Tiere dazu führen, dass die Rudelstruktur zerstört und im Folgejahr deutlich mehr Nutzvieh gerissen wird.

Praxistipps für Hundehalter

Bild5_G-Bloch_Foto-Ute Latzke

G. Bloch im Gespräch mit Seminarteilnehmern
Bild & Quelle: Ute Latzke

Im praktischen Teil drehten Halter und Hunde am ersten Seminartag gemeinsam eine kleine Runde an einer abgeschiedenen Stelle in der Nähe des Hotels. Das war eine willkommene Abwechslung insbesondere für die ca. 40 Hunde, die das gesamte Seminar über ruhig und gelassen – bis auf kleine Ausnahmen – neben ihren Haltern verbracht hatten. Der kurze Spaziergang fand unter Günther Blochs Aufsicht und daher strukturiert statt: Die Hunde wurden nicht einfach gleichzeitig abgeleint, sondern während des Gehens und immer einer nach dem anderen. Alles verlief friedlich und anschließend machte Bloch einige Anmerkungen zu den unterschiedlichen Hundetypen und ihrem Verhalten. Tags drauf gab er konkrete Anregungen, z.B. wie sich eine ziemlich leinenaggressive Hündin, die ihren Halter munter durch die Gegend zerrte, sehr wirkungsvoll begrenzen lässt: Der Halter sollte die Leine fortan hinter dem Rücken und die Hündin auf seiner linken Seite führen. Durch den Schritt des linken Beines wurde die Leinenlänge automatisch begrenzt, so dass die Hündin nicht nach vorne preschen konnte. Vielmehr ging sie ruhig und gelassen neben ihrem Herrchen und nahm sogar – endlich – Blickkontakt mit ihm auf. Der Halter wiederum sollte die Hündin für dieses Verhalten ausgiebig loben. Er und seine Hündin lernten schnell: Anschließend verlief sogar eine Begegnung mit einem anderen Hunde-Halter-Paar entspannt und nicht wie zuvor ritualisiert mit Aggression oder Gekeife. Günther Bloch betonte anschließend, dass hier mindestens die kommenden zwei Monate regelmäßig geübt werden müsse, damit der Erfolg von Dauer sei. Ähnlich wirkungsvoll, gelassen und mit Einsatz seiner eindeutigen Körpersprache gelang es Bloch, eine viereinhalb Monate alte Vizsla-Hündin in die Schranken zu weisen und damit auch ein wenig runterzukühlen: Der kleine Rüpel hatte sein Frauchen ganz schon bedrängt und gemaßregelt… naja, ist ja fast noch ein Welpe! Im Verlauf outete sich noch der ein oder andere Hundehalter mit seinem Hunde-Problem und Günther Bloch gab auch hier kompetente Ratschläge.

 

Bild6_praktische Uebungen_Latzke

Praxisübungen für ein entspannteres Miteinander
Bild & Quelle: Ute Latzke

Bild7_Block-praktische Uebung

Bild & Quelle: Ute Latzke

Das Seminar endete mit einer abschließenden Fragerunde und dem Hinweis, dass Günther Bloch wider Erwarten für das kommende Jahr doch noch weitere Veranstaltungen in Deutschland plane. Dies war bis dahin noch offen, da sein Laika Timber schwer erkrankt war, sich aber nun glücklicher Weise auf dem Weg der Besserung befindet.

 

Weitere Informationen zu Günter Bloch und dem Seminarveranstalter „Tiertime“: www.hundefarm-eifel.de

____________________________________________________________

 

Ein Gastbeitrag von Ute Latzke, weitere Infos auf www.utelatzke.de,

Fotos: Ute Latzke

 

Weitere Artikel von Ute Latzke

 

Hund und Ehrenamt Teil 1: Learning by Doing…

 

Hund und Ehrenamt Teil 2: Hürden sind zu nehmen

 

Ja wo isser denn…