Wenn man Fehler macht, sollte man sich bemühen daraus zu lernen und wenn es beim Wandern zu steil wird, kann es sinnvoll sein, ein Sicherungsseil zur Hilfe zu nehmen. Etwas ähnliches trifft auf unsere Reise mit Telmo zu.

Angefangen hatte es an Sylvester

Vormittags hatten wir noch einen ausgedehnten Spaziergang mit Telmo gemacht. Gegen 14:00 Uhr waren die ersten Kracher zu hören. Telmo hatte mit erhöhter Aufmerksamkeit aber noch nicht mit Angst reagiert. Nach ca. einer Stunde waren die Kracher im Minutentakt zu hören und aus Telmos erhöhter Aufmerksamkeit wurde langsam aber sicher Angespanntheit. Wir hatten uns nichts anmerken lassen, nur wenn es einmal bei uns besonders laut und in direkter Nähe geknallt und Telmo Richtung Terrassentür reagiert hatte, waren Antje oder ich zur Türe gegangen, hatten für ihn deutlich erkennbar nachgesehen und uns dann wieder völlig entspannt verhalten.

Er sollte wissen, wir haben das Geräusch auch gehört, uns aber davon überzeugt, dass es harmlos ist und keine Gefahr darstellt.

Auch wenn er noch kein Zeichen größerer Angst gezeigt hatte, abends nochmal raus zu einer Gassirunde war nicht mehr möglich. Bis 24:00 Uhr hatte Telmo sich wirklich gut gehalten, Anspannung und Skepsis ja, Panik oder große Angst zumindest in der Wohnung nein. Vielleicht hatte auch der Überbau über seiner Kudde und das Lavendelöl darauf dazu beigetragen. Als ein paar Minuten nach Mitternacht dann die richtige Knallerei losgegangen war, hatte er dann doch Angst gezeigt. Im letzten Jahr hatte Telmo sich noch für ca. eine Stunde zitternd in den Flur gelegt, dieses Jahr waren es nur 15 Minuten ohne zu zittern. Wir hatten gewartet bis es draußen ruhig geworden war und wollten gegen 02:30 Uhr raus damit er sich nochmal erleichtern konnte. Kaum hatten wir das Wort „Gassi“ ausgesprochen, helle Freude bei Telmo. Ohne jedes Problem war er bis zur Haustüre gegangen, doch kaum war sie auf, hatte er sich mit angelegten Ohren und eingeklemmter Rute hingelegt. Auch ein paar Minuten Warten hatten nicht geholfen, seine Angst war zu groß. Also wieder rein. Was tun? Immerhin hatte er seit dem Spaziergang am Vormittag nicht mehr das Bein gehoben.

Einfach mal abwarten?

Die vermeintliche Lösung, den Wecker auf 06:30 Uhr gestellt (Schlaf wird sowieso maßlos überbewertet) und ein neuer Versuch.

Wieder zuerst Freude bei Telmo, aus der bei geöffneter Haustüre in Sekundenschnelle Angst geworden war.

Ok., wie wäre es mit dem Garten? Auch das ein Fehlversuch. In dem Bewusstsein, dass uns ein paar Stunden später eine mehr oder weniger große Pfütze erwarten würde, war ich wieder ins Bett gegangen. Um 09:00 Uhr war es dann endgültig mit der Nachtruhe vorbei. Die erwartete Pfütze hatten wir nicht vorgefunden und sofort wurde ein neuer Versuch mit Telmo zu einer Gassirunde aufzubrechen, gestartet. So als ob nie etwas gewesen wäre war er ohne jedes Zögern mitgekommen. Aber kaum waren wir ein paar Minuten unterwegs, ein lauter Knall mit ein paar weniger laute hinterher.

Telmo schnüffelt im Schnee

Bild & Quelle: Antje & Christoph Detmer

Zum Glück hatte er bis zu diesem Moment schon für längere Zeit (mittlerweile waren es 21 Stunden…) das Bein gehoben, denn seine Reaktion hatte keinen Zweifel gelassen, Rückzug in den sicheren Bau. Nach dem Frühstück waren wir zu unserem üblichen langen Vormittagspaziergang aufgebrochen. Telmo hatte es zwar sichtlich eilig zum Auto zu kommen, hatte aber nicht besonders ängstlich gewirkt. Im Wald war er dann ganz der entspannte Telmo den selbst ein weiter entfernter Kracher nicht besonders aufgeregt hatte. Den restlichen Tag waren dann immer wieder weitere Kracher zu hören und Telmo wurde wieder zunehmend ängstlicher. Da er am Abend wieder nicht auf die Straße wollte hatten wir es einfach mit dem Auto versucht. Telmo also ins Auto, zum Rhein runter gefahren und eine Gassirunde gedreht. Am 02. und 03. Januar das gleiche Spiel, eine erste (sehr kurze) Gassirunde am Morgen war möglich aber weder am Nachmittag noch am Abend hatten wir ihn dazu bewegen können mit uns raus zu gehen. Die einzige Ausnahme, Telmo ins Auto und in den Wald oder zum Rhein fahren. Für uns war das ein sicheres Zeichen dafür, dass Telmo die Knallerei direkt mit der Umgebung unserer Wohnung in Verbindung gebracht hatte, zumal wenn es auch noch dunkel war. Am 05. Januar mussten Antje und ich wieder zur Arbeit und meine Schwester würde mit ihm gehen aber wie sollte sie das machen wenn er sich schon nach den ersten paar Metern weigern würde? Ein Auto hatte sie nicht. Antje und ich waren uns inzwischen einig, Telmo als Alternative die Fahrt zum Rhein oder in den Wald anzubieten, war ein Fehler gewesen.

Der Weg des geringsten Widerstands war wohl falsch…

Statt ihm zu helfen seine Angst zu überwinden und so wie vor Sylvester in der Umgebung der Wohnung zu laufen hatten wir seiner Angst nachgegeben und ihm vermittelt, wenn du hier nicht willst, gehen wir eben woanders spazieren. Nun musste eine schnelle Lösung her. Wie hatte ich schon öfters in verschiedenen Beiträgen im Internet gelesen? Den Hund einfach solange ziehen bis er aufgibt und mitkommt? Wie hatte ein toller „Hundefachmann“ in einem Hundeforum einmal geschrieben, „ich bin der Chef, ich habe meinen solange hinter mir her gezogen bis ihm die Pfoten weh getan haben und er freiwillig gelaufen ist“. So ein, sorry, schwachsinniges Vorgehen war für uns völlig indiskutabel. Lieber das Gehirn einschalten und nachdenken. Wenn Telmo Angst hatte und hat, möchte er so schnell wie möglich in die Wohnung, seinen sicheren Bau. Warum sich das also nicht zu Nutze machen. Am 04. Januar keine großartigen Versuche zu Gassirunden sondern Telmo ins Auto und in den Wald gefahren. Der Unterschied zu den Vortagen, Antje hatte uns aussteigen lassen und war wieder nach Hause gefahren.

Wo ist Frauchen?

Telmo sitzt auf schneebedecktem Weg

Bild & Quelle: Antje & Christoph Detmer


Telmo war zuerst ein wenig verunsichert weil Frauchen nicht wie gewohnt mitgekommen war, aber dann gab es doch einige interessante Gerüche und sogar ein paar andere Hunde. Zurück am Parkplatz dann sichtliches Erstaunen bei Telmo, sein Taxi war nirgends zu sehen. Also hatte er sich gesetzt um zu warten, irgendwann musste das Auto seiner Meinung nach ja auftauchen. Ich hatte ihn nicht gedrängt sondern einfach ein paar Minuten sitzen lassen. Als ich dann der Meinung war, lange genug gewartet, das Taxi kommt nicht, wir müssen laufen, war Telmo anderer Meinung. Gut, die Leine ein wenig auf Spannung und gewartet. Als Telmo nach zwei oder drei Minuten ein paar Schritte auf mich zu gemacht und ich mich wieder in Bewegung gesetzt hatte, hatte er sich sofort wieder gesetzt.

Da ich ein sehr geduldiger Mensch bin und auch nichts dagegen habe neue Spielchen zu spielen, hatten wir die nächsten 100 Meter mit Leine auf Spannung bringen, warten bis er auf mich zu kommt und wieder Leine auf Spannung bringen, zurückgelegt.

Dann hatte Telmo die Nase voll und ohne weiteres Hinsetzen von ihm war er bis nach Hause gegangen.

Wiederholung tut gut

Wir hatten ihm zwei Stunden Pause gegönnt, dann sind wir mit ihm vor das Haus gegangen. Wieder das gleiche Spiel. Leine auf Spannung, warten bis er aufsteht und ein paar Schritte macht, wieder Leine auf Spannung. Als er sich beim dritten oder vierten Mal nicht sofort wieder gesetzt hatte, hatte ich die Chance ergriffen und einen Dauerlauf gestartet. Zuerst einen kleinen Berg hoch, dann um die Ecke und unserer Parallelstraße entlang. Dieses Mal war es nicht Telmo der gestoppt hatte sondern ich. Ich war mir ganz sicher, ich war mit funktionierender Lunge aus dem Haus gegangen aber irgendwo unterwegs musste ich sie verloren haben und niemand hatte es mir rechtzeitig gesagt!!Nach ein paar Minuten Erholung meinerseits hatten wir die Runde ohne weiteren Stopp durch Telmo – nein, auch kein weiterer Stopp wegen mir – zu Ende gehen können. Und weil es so gut geklappt hatte, hatten wir eine ausgedehntere Runde um den Block folgen lassen. Wieder zwei Stunden Pause um bei einsetzenden Dunkelheit noch einmal aufzubrechen. Dieses Mal hatte Telmo nur zweimal gezeigt, dass er eigentlich lieber zu Hause geblieben wäre und als wir das Ganze nach 22:00 Uhr wiederholt hatten, war er von Anfang an ohne Zögern mitgekommen.

Seit diesem Tag hat Telmo sich nie wieder einem Spaziergang verweigert.

Er zeigt uns zwar immer noch wenn er vor einem Geräusch Angst bekommt und lieber nicht weiter möchte aber entweder reicht es dann ihn anzuleinen damit er weiter mitkommt oder wenn er schon angeleint ist müssen wir ihm nur ein oder zwei Minuten Zeit geben bis er wieder aufsteht und weiterläuft.

Telmo folgt einer verschneiten Spur

Bild & Quelle: Antje & Christoph Detmer


Wir haben mit Vera, unserer Trainerin, ausführlich darüber gesprochen und sind uns mit ihr einig, hatte Telmo als er zu uns gekommen war, die Leine noch als Bedrohung angesehen, empfindet er sie jetzt als „Sicherungsseil“. Bekommt er Angst, möchte er angeleint werden weil die Leine unser verlängerter Arm ist und er sich dadurch besser geschützt fühlt. Damit verbunden ist natürlich für uns die Verpflichtung, Telmo immer dann wenn er aus irgendeinem Grund angeleint ist, maximalen Schutz zu bieten. Ein weiterer Effekt, die Bindung zwischen Telmo und uns ist noch enger geworden, er orientiert sich noch stärker an uns. Ein paarmal konnten wir schon beobachten, dass er in Situationen in denen er sich unsicher ist wie er reagieren soll, uns direkt ansieht und auf eine Reaktion wartet. Gerade das „Spiel“ vom 04. Januar und das was sich daraus ergeben hat ist für uns wieder einmal die Bestätigung, übertriebene Dominanz des Menschen, das Verlangen völliger Unterwürfigkeit des Hundes, Alphawurf und Hilfsmittel wie Stachel- oder Würgehalsbänder haben in einer Mensch-Hund-Beziehung nichts zu suchen. Bindung und das Geben von Sicherheit sind wichtiger, erfolgreicher und sicherlich auch wesentlich natürlicher.

Viele Grüße bis zur nächsten Folge
Antje & Christoph Detmer mit Telmo

Alle Bilder & Quellen: Antje & Christoph Detmer