Von unseren Hunden hat keiner einen geradlinigen Lebenslauf. Als sie als flauschige Welpen ihren ersten zweibeinigen Rudelchefs übergeben worden sind, hat niemand ahnen können, dass sie mal bei uns landen würden. Während unsere Isi bereits mit 4 Monaten bei uns einzog, hatte Bujo schon 5 Jahre Hundeleben, 2 Familien und 1 Tierheim hinter sich, bevor wir ihn kennenlernen konnten. Und er war sich nicht sicher, ob er uns kennenlernen wollte. Er stieg zwar brav in`s Auto ein und auch wieder aus, aber wanderte am ersten Abend lange mit wummernden Herzen durch die Wohnung ohne zur Ruhe zu kommen. Aber der Reihe nach!

Unser Bujo war das Resultat von 30 Minuten Internetrecherche. Es kommt mir schon fast unheimlich vor, denn ich wollte eigentlich einen Artikel über die überfüllten Tierheime Berlins in den Sommerferien 2015 lesen. Aber wie das im Internet so ist, war ich plötzlich auf der Seite der „Hundehilfespanien“. Einmal dort gelandet hab ich noch 2 Klicks in die Untermenüs getätigt und da sah ich ihn: Bull, 5 Jahre, Cocker, Rüde, sitzt in einem Tierheim in Mallorca und versteht die Welt nicht mehr. Es klingt seltsam, aber dieser Hund hat mich mitten in`s Herz getroffen. Ich wollte einfach mehr über diesen Hund wissen und so habe ich begonnen mich mit den Formalitäten der Hundehilfe beschäftigt:

  • Mir war damals noch nicht klar, dass das der erste Schritt in Richtung Zweithund war.
  • Dass es neben seriösen Tiervermittlungen leider auch viele schwarze Schafe gibt, wusste ich damals auch nicht.
  • Ich wusste auch nicht, wie sehr mir dieser kleine, schwarze Hund bald an`s Herz wachsen würde.

Ich füllte eine mehrere Seiten lange Selbstauskunft aus, ich telefonierte, ich beschäftigte mich mit den Bedingungen und Voraussetzungen der Vermittlung, ich suchte im Internet nach Erfahrungsberichten, ich informierte mich über das Risiko, dass die Mittelmeerkrankheit bei Hunden aus dem Süden unbemerkt mitreist, ich fragte meine Vermieterin, ich freundete mich immer mehr mit dem Gedanken an, einen zweiten Hund bei uns aufzunehmen. Bald hatte ich auch meinen Mann mit dem Gedanken angesteckt. Zu diesem Zeitpunkt war Bujo noch in Spanien und wurde auf den Transport in eine Pflegefamilie nahe Berlin vorbereitet. Wir wohnen in Bayreuth.

Ich hätte Bujo – der damals noch Bull hieß – direkt vom Flughafen abholen können, entschied mich aber einen Tag später zur Pflegefamilie zu fahren, um ihn im ausgeschlafenen Zustand kennenlernen zu können.

Mit unserer Hündin Isi auf dem Rücksitz, kam ich bei Bujo`s frischgebackenem Pflegefrauchen und ihren 2 riesigen Doggen an. Ich glaube ich habe noch nie so große Hunde gesehen!

Zwischen ihnen wirkte der magere aber lebhafte Bujo richtig zierlich. Und dann kam der Moment, ab dem mir klar war, dass Bujo -ganz sicher!- bei uns einziehen wird: Das Gartentor wurde geöffnet und ich betrat mit Isi das Grundstück. Jetzt standen wir mit weichen Knien auf der selben Seite des Zauns wie die zwei mächtigen Doggen. Ich gebe zu, das Gefühl war seltsam, auch für Isi, denn sie machte sich ganz klein und wäre am liebsten sofort wieder durch den Zaun geschlüpft.

Was machte Bujo, der uns das erste Mal in seinem Leben sah? Er stellte sich zwischen meine kleine, rostrote Hündin und die Doggen und bellte die Doggen weg!

Er hat sie sofort in Schutz genommen, von der ersten Minute an. Das war unser erster Tag mit Bujo. Ich hatte da bereits die Zusage, dass er (wenn wir wollen) bei uns einziehen darf und so begann an diesem Sommertag unsere gemeinsame Reise. In den ersten Tagen und Wochen hatte Bujo immer wieder Panikanfälle, er wurde unruhig und hatte starkes Herzklopfen. Er hatte Durchfälle und biss sich in jeder freien Minute seine Schwanzspitze blutig. Er hatte trockene Haut, brüchige Krallen, bekam dicke Pickel an der Schnauze, an den Ohren und an den Augen. Er bellte sich bei jedem Geräusch die Seele aus dem Leib. Er wollte zwar gestreichelt werden, aber sobald man eine Körperstelle untersuchte, schnappte er. Er hatte kein Vertrauen, besonders misstrauisch war er Männern gegenüber. Er war zudem sehr dünn und fraß wirklich ALLES was er erreichen konnte und schlang es herunter. Wir waren in der ersten Zeit oft beim Tierarzt und mussten diesen bald wechseln, da der bisherige Arzt zwar unsere ruhige Isi gut versorgt hatte, sich bei einem ängstlich schnappenden Bujo aber als erschreckend gewaltbereit erwies! Ich fand in dieser Zeit auch heraus, dass es spezielle Tierärzte für Augenheilkunde gibt, denn Bujo hat grauen Star im fortgeschrittenen Stadium.

Was mich sehr beeindruckte war das Tempo in dem Bujo zu lernen begann. 10 Tage nachdem er bei uns eingezogen war, hörte er von einen Tag auf den nächsten auf an seinem Schwanz zu kauen. Nach 4 Wochen hörte der Durchfall auf, nach ungefähr 6 Wochen durfte ich ihn uneingeschränkt anfassen, ihm Zecken ziehen oder Pickel untersuchen ohne dass er schnappte. Wir experimentierten mit der Nahrung und verschiedenen Ergänzungsstoffen, bis wir herausfanden, dass Leinöl im Futter Bujo`s Hautprobleme komplett zum abklingen bringen kann – ein herzliches Danke an unsere tierliebe Vermieterin für diesen tollen Tipp! Aber Bujo lernte noch mehr, unsere Familie ist sehr musikalisch und so gab es für ihn die verschiedensten Klänge zu entdecken. Jedes einzelne Instrument hat er verbellt, dann daran geschnuppert und danach akzeptiert.

Er musste lernen, dass unsere Hündin Isi in den ersten Monaten nur ungern ihr Heim mit ihm teilte, obwohl die erste Woche mit den beiden aus Spiel und Spaß bestand. Als Isi verstand, dass Bujo dauerhaft bei uns leben würde, war schlagartig Schluss mit Lustig. Das bedeutete für uns große Sorgfalt bei der Futterverteilung, wir wurden konsequenter und viele Abläufe strukturierter. Nachlässigkeiten in der Erziehung die man sich bei einem Hund vielleicht noch leisten kann, fallen bei mehreren Hunden viel schwerer in`s Gewicht, so besuchten wir mit beiden Hunden nochmal die Hundeschule. Inzwischen funktioniert unser erweitertes Menschen-Hunde-Rudel ziemlich gut! Jeder hat seine Routinen gefunden und Grenzen abgesteckt. Ich bin sehr glücklich unseren Bujo gefunden zu haben und er gibt uns jeden Tag so viel Liebe, dass ich das Gefühl habe, auch er ist ganz zufrieden bei uns gelandet zu sein.

Ein Gastbeitrag von Ulrike Reichel-Greber

Bild & Quelle: Ulrike Reichel-Greber