Es ist zwar schon viele Jahre her aber ich kann mich noch gut an die gemeinsamen Urlaubsreisen mit meinen Eltern erinnern. Oft war es nach Österreich in die Berge gegangen. Fast jeden Tag standen Wanderungen an, z.B. zum Admonter Haus oder zur Heindelkarhütte. Zu unserer Ausrüstung gehörten dabei außer einem Rucksack mit einem kleinen Snack und Regenkleidung auch Wanderstiefel da es nicht nur über befestigte Zufahrtswege gegangen war. Oft waren wir dabei anderen Wanderern begegnet, die sich statt für festes Schuhwerk für Turnschuhe, Sandalen oder sogar Badelatschen entschieden hatten. Besonders mein Vater hatte sich über diesen Leichtsinn sehr oft aufgeregt.
Fehler sind menschlich
An diese Wanderer in Badelatschen werden wir heute erinnert recht häufig durch einige Menschen die mit ihren Hunden unterwegs sind. Den perfekten Hundehalter gibt es mit Sicherheit nicht, es liegt in der Natur des Menschen Fehler zu machen. Aber ab und zu handelt es sich nicht um Fehler sondern um Leichtsinn oder völlige Fehleinschätzung.
So auch im letzten Dezember. Ich war abends mit Telmo auf einer Runde durch unser Wohngebiet unterwegs. Als wir noch ca. 20 Meter von einer hohen Hecke entfernt waren war plötzlich lautes Hundegebell und eine nicht weniger laute weibliche Stimme zu hören. Im gleichen Moment kam ein Hund in Telmos Größe um die Hecke geschossen, wurde aber an der Leine zurück gerissen und die hinter der Hecke nur schemenhaft erkennbare Person fiel nach vorne auf das Pflaster. Dann war das Geschrei erst richtig losgegangen. „Du Sauhund, wie soll ich jetzt wieder hoch kommen, wie viele Brillen willst du mir noch kaputt machen, immer musst du so ein Theater machen!“
Der Sauhund an sich
Also, die Rasse Sauhund kannte ich nicht, evtl. eine neue Züchtung? Die Frage nach den kaputten Brillen wurde von ihrer Fellnase ebenso wenig beantwortet wie die nach der Art und Weise des wiederaufstehens. Telmo war trotz des nicht gerade freundlichen Artgenossen 5 Meter vor seiner Nase ganz ruhig geblieben, mit ihm an der Leine zu der Frau gehen und nachsehen ob sie sich evtl. bei dem Sturz verletzt hatte, wollte ich nicht riskieren. Also hatte ich sie angesprochen und gefragt ob sie Hilfe benötigt. Das war scheinbar nicht der Fall, denn ihre Schimpfkanonade war von einem kurzen „nein, brauch ich nicht“ unterbrochen worden. Irgendwie schien sie aber nicht auf die Beine zu kommen und auch mein gut gemeinter Rat, nicht auf ihren Hund einzuschreien und seine Aufregung dadurch noch zu verstärken, war von ihr ignoriert worden. Leider hatte es keine Möglichkeit gegeben, Telmos Leine irgendwo zu befestigen um dann ohne ihn nachzusehen, ob sie sich evtl. verletzt hatte.
Ich hatte ihn deshalb Sitz machen lassen und war vorsichtig auf die Frau und ihren Hund zu gegangen. Keine gute Idee, schon nach dem zweiten Schritt hatte mir der Vierbeiner sein Gebiss gezeigt und aus seinem Bellen war ein eindeutig unfreundliches Knurren geworden. Also war Rückzug angesagt.
Es ist immer dasselbe Spiel
Ich hatte gerade überlegt aus einem der Häuser Hilfe zu holen, da hatte es die Frau (ohne Unterbrechung ihrer Schimpfkanonade) geschafft, sich an einem Pfosten in die Vertikale zu ziehen. In einem ausreichenden Abstand bin ich an ihr vorbei und da konnte ich erst sehen, wie viel Glück sie gehabt hatte. Sie hatte nicht nur Krücken sondern war auch am Ende einer Treppe gefallen. Nicht auszudenken, wenn ihr Hund nur ein paar Sekunden früher angefangen hätte zu ziehen. Am Tag darauf hatte ich meiner Schwester davon erzählt. Sie war dieser Frau schon öfters begegnet und hatte mir erzählt, sie hätte ihren Hund immer an einer langen Flexileine und wenn andere Hunde kämen würde sie immer anfangen, wäre es immer das gleiche Spiel. Ihr Hund würde sofort an der Leine ziehen, die Frau würde ihn anschreien und sich immer irgendwo festhalten um nicht umgezogen zu werden. Soviel Leichtsinn ist in Antjes und meinen Augen schon grob fahrlässig und ein Hundetrainer der ihrem Vierbeiner das Ziehen abgewöhnt, wäre auch mit Sicherheit preiswerter als sich ständig neue Brillen zu kaufen.
Telmo kann auch Zähne zeigen
Ein weiteres Beispiel für das „Bergwandern in Turnschuhen“ hatte ich nur zwei Wochen später erlebt. An die ein Seite unserer Parallelstraße grenzt eine große Wiese. Es war gegen 20:00 Uhr als ich mit Telmo in diese Richtung gegangen war. Schon auf große Entfernung konnte ich zwei Personen mit einem Hund erkennen. Nicht sehen konnte ich aber ob er angeleint war oder nicht. Da wir Telmo grundsätzlich im Wohngebiet anleinen, hatte ich mir keine weiteren Gedanken gemacht. Wir waren noch ca. 25 Meter entfernt, da kam der andere Hund bellend auf uns zu gestürmt. Ich hatte mich sofort vor Telmo gestellt und versucht den Hund durch Ausbreiten der Arme und ein lautes „Stopp“ zum Anhalten zu bewegen. Der Hund hatte kurz gestoppt, war dann aber weiter auf uns zu gestürmt wobei aus seinem Bellen ein tiefes Grollen geworden war.
Da hatte ich Telmos Leine fallen lassen und als der andere Hund kurz vor uns war, schritt Telmo an mir vorbei, machte eine Ausweichbewegung und sprang seinen Kontrahenten von der Seite an und legte ihm beide Vorderläufe auf Nacken und Rücken. Uhi, so böse hatte ich ihn noch nie knurren gehört.
Der andere Hund hatte Telmo abgeschüttelt, war aber vielleicht wegen seiner Größe oder höheren Gewichtes nicht so schnell und wendig. Wie auch immer, wieder war Telmo kurz zur Seite gewichen, hatte ihn ein zweites Mal angesprungen, dieses Mal aber nicht nur geknurrt sondern auch sein offenes Maul kurz in den Nacken gedrückt ohne aber zu beißen. Es hatte in diesem Moment so ausgesehen als ob der andere Hund verunsichert gewesen wäre denn nachdem er Telmo abermals abgeschüttelt hatte war er ein Stück zurückgewichen.
„Das hat er noch nie gemacht“ – nun denn…
Einen erneuten Angriff konnte er nicht mehr starten denn zum Glück hatte ihn sein Halter am Geschirr erwischt und zurückgezogen. Telmo hatte nicht nachgesetzt und sich sofort abrufen lassen. Die Reaktion des anderen Halters: „Kann ich nicht verstehen, hat er noch nie gemacht, eigentlich hat er Angst.“
Nicht dass wir Telmo nicht frei laufen lassen, aber in den meisten Situationen wissen wir wie er reagiert und sind darauf vorbereitet. Sind wir uns unsicher, wird er sowieso angeleint.
Als Hundehalter hat man die Verantwortung für die eigene Sicherheit, für die des Hundes und vor allem auch für die anderer Menschen, Hunden und sonstiger Tiere.
Hier leichtsinnig zu sein ist in unseren Augen wie Bergwandern in Turnschuhen.
In der nächsten Folge geht es um Silvester.
Ein Gastbeitrag von Christoph & Antje Detmer
Alle Bilder & Quellen: Christoph Detmer