Dr. Sibylle Ott ist Gastautorin bei Issn‘ Rüde! und erfolgreicher Zwergpinscher Züchter.
Es gab auch andere Hunde
Ein Zwergpinscher! Ausgerechnet! Was hatte ich nicht schon für imposante Hunde:
Meine Shiba Inu Hündin Himiko an erster Stelle. Feengleich, im Haus ein Kätzchen, draußen ein wildes Tier.
Beim Spaziergang zeigte sie perfekte „Mäuselsprünge“, erwischte die Tierchen auf Anhieb, aber ich musste die Halbtoten meist noch erlösen. Mit 6 Monaten war sie schon so lauffreudig, dass ich sie mit dem Fahrrad begleiten musste – und deswegen von einem Autofahrer als „Tierquäler“ beschimpft wurde (ei, was bin ich da in die Pedale getreten!). Etwa im gleichen Alter trieb sie 3 Rehe gleichzeitig im Wald vor sich her, schnell und lautlos… (falls ein Jäger mitliest: ich bin uns unserer Schuld bewußt und es ist kein zweites Mal vorgekommen!), beim Spielen schlitze sie mir ein Ohr aus und mein Wellensittich Fritzchen verlor etliche Schwanzfedern.
Oder meine Chiba, eine Akita Inu Hündin, die Schöne und das Biest in Personalunion.
Obwohl eher klein für ihre Rasse schaffte sie es, einem ausgewachsenen Greyhound seine Beute abzujagen (was dem Greyhoundbesitzer viel Spott und mir einen Feind eingebracht hat). Ihre Feinde starrte sie in Grund und Boden. Für sie gab es nur oben oder unten, nur mich und später, nachdem sie ihn partout nicht wegignorieren konnte, ihren Rüden Kirby. Nachdem sie sich einmal für ihn entschieden hatte, stand sie zu ihm und zog ihn unter mehr als einem anderen Rüden hervor, einmal sogar unter einem Dogo argentino. Sie war jahrelang ein wundervoller Reitbegleithund. Und widerlegte das Vorurteil, Akitas würden nicht apportieren. Die brauchen nur einen Retriever, der ihnen die Laufarbeit abnimmt! Mir brachte sie die Hausschuhe, wenn ich heimkam.
Kirby war ein Chesapeak Bay Retriever, ein Mitbringsel aus Bonaqua, Tennessee. Er hatte ein übergroßes Herz, überschüttete Freund und Feinde mit Liebe –
meinen Freundeskreis hat er auf das Wesentliche reduziert und auch meine Scheidung sehr unterstützt
(„der Hund oder ich“ – ja, das gibt´s wirklich!). Er schlug Schneisen in die Landschaft und im Winter durch die zugefrorenen Teiche, ein echter Eisbrecher, eigentlich war er jahrein jahraus nass. Schon im zarten Alter von 2 Monaten brachte er erwachsene Männer zu Fall, nur die Kinder blieben irgendwie immer stehen (kriegten allerdings Zunge oder Schwanz in´s Gesicht, wenn sie nicht schnell genug waren). Beim Weintrinken war er auch nicht zu gebrauchen, da er mit dem Schwanz die Gläser vom Tisch wischte. Was könnte ich nicht alles erzählen, z.B. wie er mich, samt Stuhl, Chiba und meinem 7-Monatsbauch aus einem italienischen Straßencafe schleuderte oder wie ich einmal an den Schwarzwurzeln meiner beiden Hunde hing, die ihrerseits einen Fuchs gepackt hatten der verzweifelt genug war, ausgerechnet bei mir Zuflucht zu suchen. Ich zog so lange, bis es knackte, bis die Biester losließen und der Fuchs davonschoß. Währenddessen schlief mein Baby friedlich im Kinderwagen. Meine Kinder waren ja was gewöhnt, Kirby war ihr Zugtier, im Sommer vor dem Kinderwagen (Achtung: Dreipunktgurtung!), im Winter vor dem Schlitten.
An manche Dinge erinnere ich mich weniger gern. Das Thema Kaninchen laß´ ich aus. Auch, wie Kirby meine Patentante zu Fall brachte, versehentlich natürlich, wie immer (sein zweiter Name war Michl, nach Michl aus Löneberga). Und ich versuche nicht daran zu denken, wie Chiba im Sterben ihren Kirby umarmte.
Danach brauchte ich ganz schnell einen neuen Hund – es wurde
ein lackschwarzer deutsch-französischer Schäferhund, Merlin
unser großer Beschützer. Elegant, verteufelt schnell und der erster Hund, der es mir einfach nur recht machen möchte (was dabei herauskommt, ist allerdings nicht immer dasselbe!). Uns verteidigt er, als gälte es das eigene Leben.
Auf den Zwergpinscher gekommen
Das alles und noch viel mehr hatte ich mit meinen Hunden schon erlebt, als mir meine Schwester einen Zwergpinscher für meinen Sohn vorschlug.
Einen Zwergpinscher! Einen Schoßhund! Ein Nichts! Vorurteile gegen Zwergpinscher? Fragt mich! Ich hatte sie alle!
Was bin ich froh, dass wir uns die Eltern unserer Alcinia wenigstens angeschaut haben, erlebt haben, wie sie mit unserem Schäferhund durch die Weinberge fetzten. Wir warteten fast zwei Jahre auf unseren Welpen. Ostern 2010 zog sie bei uns ein und seither ist ein Leben ohne Zwergpinscher nicht mehr denkbar. Sie ist ein geborener Optimist, obwohl sie mit einem depressiven, sorgenvollen Schäfer zusammenlebt. Immer fröhlich und gut gelaunt vertreibt sie jeden Kummer. Es ist einfach wunderbar, 5 kg lebendiges Glück um sich zu haben! Merlin den Großen hat sie sofort um den Finger gewickelt, aber auch sonst hat sie den Dreh raus. Sie schwimmt immer oben, wie das Fettauge auf der Suppe und hat ein katzenartiges Talent, das Leben zu genießen. Was für mich aber die größte Überraschung war, ist ihr Arbeitseifer: beim Training auf dem Schäferhundplatz steckt sie den Großen in die Tasche! Sie lernt schnell und ist besonders beim Agility-Training begeistert bei der Sache. Es ist eine Wonne, sie über die Hindernisse fliegen zu sehen, oder wie sie die Steilwand hinaufsaust wie eine Ratte den Dachbalken. Überhaupt macht sie einfach alles mit, jede Aktivität, jeden Fetz und jede Gelegenheit, mit aufs Sofa zu liegen, wo sie sich mucksmäuschenstill ankuschelt. Sie weiß, wie man mit Menschen umgeht, ihre soziale Intelligenz ist frappant. Oder kann sie doch Gedanken lesen? Wie auch immer: ein Leben mit Zwergpinscher ist fröhlicher, einfacher und entspannter – einfach schöner – als ohne.
Ach ja: und Hausschuhe bringen kann sie auch.
Bilder & Quellen: Dr Sibylle Ott