Lieber Leser,

MIT MEINEM HUND IM BETT ist in 12 PLAUDERSTUNDEN unterteilt. Zwei davon, die PLAUDERSTUNDEN 2+6, veröffentliche ich an dieser Stelle exklusiv für die Leser von ISSN‘ RÜDE!.
Ich wünsche viel Spaß MIT MEINEM HUND IM BETT!

Fazit Issn‘ Rüde

„Mit meinem Hund im Bett“ ist eine tiefgängige Auseinandersetzung mit vielen Überzeugungen, die Hundehalter haben. Fundiert und argumentativ stark beschrieben, kritisiert Luh Expertenmeinungen, stellt die Sinnmäßigkeit von Hundeschulen & Co in Frage und

Nicht alle typischen Leser von Hundebüchern werden Luh’s Stil mögen. Und einen Ratgeber hat er auch nicht „produziert“. Vielleicht würde Luh auch gar nicht als Hunde-Experte durchgehen, aber eines schafft er: mit seinen Gedankengängen zu faszinieren. Man kann sie mögen oder nicht, aber man möchte ihnen bis zum Ende folgen.

Prädikat: Lesenswert!

2. PLAUDERSTUNDE

Ihr Hund betritt also zum ersten Mal seinen neuen „Bau“, fernab von der Mutter und den Geschwistern und den vertrauten Gerüchen, die ihm Geborgenheit vermittelten. Im Hundeleben ein traumatisches Erlebnis, das nur dann nicht so gravierend wird, wenn Sie mit Ihren Besuchen Vertrauen aufbauen konnten.

Ab diesem Moment haben Sie über Monate hinweg einen ewigen “Schatten“, der Sie nicht einen Moment aus dem Auge lässt und nie von ihrer Seite weicht, und ich empfehle Ihnen dringend, dieses Verhalten zuzulassen, auch wenn es manchmal lästig sein kann.

Ihr Hund ist dann das, was man einen Kontrollfreak nennt. Er würde Sie sogar mit auf die Toilette begleiten, wobei für dieses Örtchen sogar ich meinen Hunden eine Grenze gezogen habe. Er liegt dann eben ungeduldig wartend vor der Toilettentür. Diese „Manie“ lässt mit zunehmender Reife und Selbstsicherheit nach und beschränkt sich irgendwann auf Positionen, aus denen Ihr Hund Sie nur noch im Blick hat, aber nicht mehr wie eine Klette neben Ihnen liegt oder Sie bei jedem Schritt und Tritt, den Sie machen, begleitet. Und dann kommt der Zeitpunkt, an dem Sie die permanente Nähe Ihres Hundes vermissen werden, weil er irgendwo im Haus faulherumliegt und sich keinen Deut mehr um das schert, was Sie geradeso machen. Ab da nehmen Sie Ihren Hund nur noch wahr, wenn er etwas von Ihnen will, also wenn die Zeit angebrochen ist, zu der man üblicherweise zum Spaziergang aufbricht. Sie können die Uhr danach stellen. Die Situation, dass Sie Ihren Hund vermissen werden, er Sie aber nicht unbedingt, die wird eines Tages der Normalfall sein, und ab da haben Sie einen erwachsenen Hund im Haus. Ich besuche dann meinen Hund, meinen „einsamen Wolf”, in jener Ecke, in der er es sich gemütlich gemacht hat und faul den Tag verschläft. Kann dann schon sein, dass er sich gestört fühlt, doch meist freut er sich über meine kurzen Zuneigungs-Anfälle zwischendrin. Dieses unbedingte Verlangen nach Nähe, die Ihr Junghund mit dem ersten Schritt über die Schwelle in ein neues Dasein an den Tag legt, ist nicht nur seiner anfänglichen Unsicherheit angesichts all des Neuen geschuldet, sondern ist der Ausdruck dessen, dass Ihr Hund Siezwangsläufig als die neue Mutter adoptiert hat. Sein Leithund werden Sie erst, wenn der Abnabelungsprozess abgeschlossen sein wird und Sie dieser Rolle auch gerecht werden. An dieser Stelle kehre ich zurück zu meinem Eingangsstatement, indem ich postulierte:

„Wer seinen Hund bestimmt nicht auf die Couchlassen will oder wer ihn garantiert von der Bettkante stoßen wird, der sollte sich besser keinen Hund ins Haus holen”

Vergegenwärtigen Sie sich, dass Sie soeben dieses hilfsbedürftige Etwas von Hund aus der Vertrautheit seines Rudels gerissen und dem Schutz durch die Mutter entzogen haben. Sie sind der einzige Bekannten dieser neuen Umgebung – er hat nur Ihren Geruch und Ihre Stimme, die ihm Nähe und Geborgenheit vermitteln, und Ihre Hände, die ihn trösten. Nähe ist für einen Hund nichts Abstraktes, sondern was ganz Konkretes und Elementares. Wie das aussieht, weiß jeder, der auch nur einmal dabei war, wenn sich ein Wurf junger Hunde zum Schlafen niederlegte. Sie werden niemals beobachten können, dass ein Junghund abseits von den anderen allein liegt. Jeder sucht sich mindestens einen Partner, der möglichst auch noch als Kopfkissenfungiert, an den er sich anschmiegen kann. Ein wunderschönes Bild von Nähe, Zugehörigkeit und Harmonie. Irgendwann an diesem ersten Tag gehen auch Sie zu Bett und Ihr kleiner Hund folgt Ihnen ins Schlafzimmer. Spätestens jetzt treffen Sie eine für die Zukunft prägende Entscheidung: Hund darf mit zu Ihnen ins Schlafzimmer oder er muss mutterseelenallein vor der Tür bleiben. Rufen Sie sich das oben beschriebene Bild ins Gedächtnis und all das, was ich zum Thema Nähe bisher dargelegt habe, und handeln Sie in diesem Moment so, wie ich bisher bei all meinen Hunden gehandelt habe:

Er bekommt seinen Platz im Bett.

Ich behaupte an dieser Stelle, dass all meine Hunde nur aufgrund der Intimität, die ich zugelassen habe, zu jenen in vielen Situationen außergewöhnlich handelnden und reagierenden Hunden geworden sind, als die sie, wo immer sie mit mir gingen und lebten, bekannt waren und bewundert wurden. Meine jetzige Hündin, die Moonah, ist in dem Ort, in dem ich lebe, als Ausnahmeerscheinung bekannt. Sie kann keinen Handstand, gibt nicht mal die Pfote und macht schon gar keine Rolle auf Kommando. Den Befehl „Fuß“ kennt sie überhaupt nicht, und dennoch gehe ich mit ihr ohne Halsband und Leine durch den Ort und jeder kann sehen, dass sie ohne Aufforderung vor jeder Straße stoppt und auf mich wartet. Meine Hündin ist der einzige Hund im Ort, der unangeleint vor dem Metzgerladen sitzt oder vor der Bäckerei oder dem Discountmarkt und brav davor ausharrt, bis ich herauskomme. Und das macht sie auch in München in der Fußgängerzone, oder wo auch immer. All dies tut sie, nicht weil ich ihr dies durch strenge und beharrliche Dressur „anerzogen“ habe, sondern weil sie erspürt, was ichvon ihr in bestimmten Situationen erwarte. Ein solches symbiotisches Verhältnis ist meines Erachtens eben nur durch jene Intimität möglich, die zwischen uns von Anbeginn, also seit der ersten Nacht besteht.

Um möglichen Missverständnissen vorzubeugen: Mit Intimität ist keine irgendwie geartete erotische Beziehung gemeint, sondern im reinsten Wortsinn große Nähe und Innigkeit. Ich würde es jedem Leser wünschen, dass er ein eben solches Vertrauensverhältnis zu seinem Hund aufbauen kann, um mit ihmleinenlos durch die Welt spazieren zu können. Ein entspannteres Zusammensein mit Ihrem Hund können Sie meines Erachtens nicht erleben. Um nicht missverstanden zu werden: Dies ist kein Plädoyer für eine generelle Leinenfreiheit, denn diese Freiheit setzt ja voraus, das sein hoher Grad an Vertrauen zwischen Mensch und Tier vorhanden sein muss, doch dies trifft nach allem, was ich so beobachten kann, wohl nur auf relativ wenige Mensch/Tier-Beziehungen zu. Doch Sie, lieber Leser, Sie wollen diese Vertrauensstufe erreichen, denn weshalb sonst sollten Sie bis zu dieser Zeile durchgehalten haben. Und wie gesagt, dieses Vertrauen und diese Nähe werden nur möglich, wenn Sie Ihren Hund auch zu sich ins Bett lassen. Ein Hund im Bett kann angenehm und kuschelig sein, aber auch das schiere Gegenteil ist der Fall, denn Hund macht sich ungeniert breit und lang und legt sich auch mal quer über Sie, wenn Sie schlafen, und wenn Sie aufwachen, haben Sie nicht selten das Gefühl, dass Ihre sämtlichen Glieder einer Verbiegung standgehaltenhaben. Mit den Monaten arrangiert man sich mit dem Hund und er akzeptiert seinen zugewiesenen Platz. Auch Hunde träumen, bellen oder knurren manchmal dabei und bewegen ihre Beine, wenn sie im Albtraum die Flucht ergreifen müssen. Hunde schnarchen und seufzen nicht selten vor dem Einschlafen.

Mein Schlafverhalten akzeptieren sie klaglos, nur wenn ich zu unruhig bin, dann verlassen sie gern das Bett. Eine Methode, wie ich galant meinen Hund aus dem Bett kriege, wenn mir mal nicht nach seiner Nähe zu Mute ist.

Klappt aber bei Junghunden noch nicht. Je älter ein Hund wird, umso seltener teilt er mit Ihnen das Bett. Der erste Schritt, der seine Abnabelung einläutet, ist der, dass Ihr Hund Ihnen nicht mehr folgt, sobald Sie zu Bett gehen, sondern erst eine halbe Stunde später antanzt. Diese Zeitverzögerung dehnt sich kontinuierlich aus, und am Ende besucht er Sie nur noch kurz vor der Aufstehzeit oder auch nur, um Sie zu wecken, wenn erdenkt, es sei an der Zeit.

EIN HUND IM BETT IST DOCH UNHYGIENISCH!

entgegnet man mir, wenn ich erzähle, dass ich nächtens das Bett mit meinem Hund teile (Meine Frau und ich hatten getrennte Schlafzimmer, allerdings schlief Buschko, unser erster Hund und Neufundländer, im damals noch gemeinsamen Bett). Was dies angeht, habe ich bisher fünf Hunde überlebt, fast 30 Jahre meines Lebens, und bin wegen der vermeintlich unhygienischen Zustände noch nie krankgeworden. Dies gilt auch für meine Frau und meinen Sohn. Meine Frau hat mich hingegen in diesen Jahren x-mal mit ihren eingefangenen Grippeviren angesteckt, Fußpilz fing ich mir in denDuschen von Hotels ein. Vom Hund geht also weniger Ansteckungsgefahraus als von den engsten Mitmenschen. Allerdings achte ichpenibel darauf, dass die Hunde regelmäßig entwurmt werden. Und die Bettwäsche muss man schon sehr häufig wechseln. Dennoch kapriziere ich meine Hunde nie in die Badewanne, sondern jage sie ins Wasser, auch im Winter, damit sie halbwegs sauberwerden. Nur die „parfümierten“ Stellen – also wenn der Hund sich einmal, was nicht selten vorkommt, an einem Kadaver reibt oderdarin wälzt – wasche ich intensiv mit Seife. Sonst verschone ich meine Hunde mit Seife oder Hundeshampoo, denn Seife zerstört den natürlichen Fettgehalt des Fells, der zur Abwehr von Parasiten wichtig ist und zur Wärmeregulierung und zu dessen Imprägnierung beiträgt. Ich kämme meinen Hund auch nicht täglich, eigentlich nur, wenn der Fellwechsel einsetzt und im Haus und Auto alles voller Haare ist. Die Fellpflege besorgen die Hunde schon von selbst, wenn man ihnen die Freiheit lässt, durch Gestrüpp und Unterholz zu jagen, in Bäche zu springen und zu jeder Jahreszeit in einem Weiher oder See zu baden. Ihr neues Familienmitglied hat die erste Nacht bei Ihnen im Bettverbracht und Sie sind gerädert aufgewacht nach einer Nacht mit wenig Schlaf. Und Ihnen ist ja bereits klar: Fortan, die nächsten Wochen – bei Ihren morgendliches Ritualen und wenn Sie den Hausputz verrichten; wenn Sie in der Küche die Mahlzeiten vorbereiten oder wenn Sie ein Mittagsschläfchen halten -, wird Sie Ihr Hund ständig wie ein Schatten begleiten. So zum Beispiel der Junghund einer sehr guten Freundin von mir, der ihr jeden Morgen ins Bad folgt und der sich mit ihr unter die Dusche stellt. Dieses Verhalten ist unsere größte und einmalige Chance, die uns der Hund gibt, um ihm die Dinge beizubringen, die wir von ihm in Zukunft erwarten und einfordern können. So eng und prägend und aufmerksam wird seine Beziehung zu Ihnen nie mehr sein. Daher gilt es, diese Jugendphase zu nutzen.

Die entscheidenden Dinge fürs Leben in einer Menschenwelt soll der Hund exakt in diesem kurzen Zeitfenster von uns erfahren und darauf konditioniert werden. Wichtig dabei: Jede Form der Überforderung verkehrt sich in ihr Gegenteil, weshalb wir uns sehr klar darüber sein sollten, was wir von der Lernfähigkeit eines Junghundes erwarten dürfen und was nicht.

Wer also denkt, ein Junghund habe Kommandos unverzüglich auszuführen, der sollte keinen Hund, sondern Rekruten bei der Bundeswehr ausbilden. Über den Kadavergehorsam, den einige Halter von ihren Hunden erwarten, werde ich später noch einige Worte verlieren müssen. Zunächst nur so viel: Ich will keinen Hund, den ich ständig an der Leine führen muss, sondern einen Hund, der die Grenzen seiner größtmöglichen Freiheiten (Autonomie) kennt und akzeptiert, oderdurch mein Verhalten erkennt und erspürt, was ich von ihm in jedem Moment erwarte.

Ich bin sein Leuchtturm

und er mein loyaler Begleiter, der mir eine einmalige Nähe zu einer Wesenswelt ermöglicht, die noch immer- wenn auch domestiziert – von den archetypischen Denk- und Verhaltensmustern des Wolfes geprägt ist. Andere suchen und finden die Wildheit und Ursprünglichkeit der Natur durch Extremerfahrungen, mir genügt ein Hund oder ein ganzes Rudel zur Teilhabe an dem, was die Zivilisation an den Randgedrängt, ausgeblendet oder zerstört hat. Dazu ist unbedingt nötig, dass ich meinem Hund Freiräume für sein autonomes, art- und charakterspezifisches Verhalten lasse. Eines ist mir durch das Zusammenleben mit Hunden klar geworden: Jeder Befehl, der nur deshalb erfolgt, weil ich ihn zur Normerklärt habe und darum durchsetzen will, der wird von ihnen nur ungern und widerwillig befolgt, denn sie können Situationen durchaus selbst einschätzen und darauf adäquat reagieren. Befehle sollten also immer sinnvoll sein und aus keinem anderen Grund erfolgen und bekommen dadurch erst die Bedeutung und Akzeptanz, die mit ihnen erreicht werden soll. Das Vertrauen, das mein Hund mir entgegen bringt, das basiert auf der Akzeptanz, dass ich sein Leithund bin, der ihm Orientierung und die nötige Sicherheit gewährleistet, um in diesem Leben mit mir überhaupt bestehen zu können. Dazu gehört eben auch, dass meine Befehle für ihn erkennbar eine Hilfe zur Bewältigung schwieriger Situationen sind.

In einem Wolfsrudel ist nicht automatisch der Stärkste der Leitwolf, der stärkste Rüde also, vielmehr kann man beobachten, dass häufig eine Wölfin das Rudel anführt, die wegen ihrer Intelligenz die besten Jagderfolge aufweist.

Ihre Entscheidungensind lebenswichtig für den Zusammenhalt und für das Überlebendes Rudels. Instinktiv entscheidet unser Hund, ob wir unserer Leithund-Funktion gerecht werden, also ob wir sinnvolle Entscheidungentreffen, Durchsetzungswillen an den Tag legen, ihn ernähren können und ob wir ihm ein funktionierendes soziales Umfeld bieten und den Schutz, dessen er in bestimmten Situationen bedarf .Wir müssen etwas dafür tun, dass er uns sein uneingeschränktes Vertrauen gibt und unsere Leithund-Funktion bedingungslosanerkennt – das wird viel zu häufig vergessen oder missachtet und manifestiert sich in der irrigen Annahme, dass uns durch „Besitz“ diese Rolle zugestanden werden muss. Hund aber hat keine Vorstellung von derartigen Besitzverhältnissen und den sich daraus resultierenden „Rechten“. Solch Menschliches ist im schnurzegal. Viele Hundebesitzer machen meines Erachtens den Fehler, mit ihren Hunden vorwiegend im Befehlston zu kommunizieren, und das fast immer in einer Lautstärke von etlichen Dezibel über dem Normalton, als wären der Park oder die Wiesen und Felder ein einziger Kasernenhof. Wer keine Feldwebelstimme hat, der wird dann in Gefahrensituationen seine Lautstärke nicht mehr wirklich steigern können. Jede Form der Kommunikation, die sich an der militärischen Semantik orientiert, modulieren wir unweigerlich schärfer und lauter, was an sich schon eine Unbedingtheit impliziert, die wir vom Empfänger erwarten. Selbst dann, wenn wir es gar nicht so meinen und beispielsweise nur möchten, dass sich unser Hund nicht so weit von uns entfernt. Um diese unweigerliche Schärfe und Befehlslautstärke zu vermeiden, benutze ich keinen der üblichen Befehle, sondern rufe meinen Hund auf eine eher lockende Art, und zwar in sehr abgestuften Grund-Varianten.

  • VARIANTE 1, wenn ich nur möchte, dass sie mir hinterher folgt:„Hei, jei, jei…!“
  • VARIANTE 2: „Moonah!“ (freundlich bis leicht befehlend), wenn ich will, dass sie von etwas ablässt und in meine Nähe kommt.
  • VARIANTE 3: „Habe ich noch einen Hund?!“, wenn ich den Hund nicht mehr sehe und möchte, dass er sich zeigt.
  • VARIANTE 4: „Moonah, hier!“ (von lockend bis leicht befehlend),wenn ich möchte, dass sie direkt zu mir kommt.
  • VARIANTE 5: „Zu mir!“ als lauter und unmissverständlicher Befehl, und wenn es in kritischen Situationen erforderlich ist: auchgebrüllt.

Grundsätzlich vermeide ich den üblichen Befehlston, denn der kommt nur in Situationen zum Einsatz, in denen der Hund unbedingt und sogleich reagieren soll, also wenn eine ernsthafte Gefahr oder Situation vorliegt, die ein Gehorchen unabdingbar macht. Meine Hunde sind dann derart überrascht über meine Lautstärke und Schärfe im Ton, dass sie sich schon deshalb auf mich konzentrieren und meinem Willen folgen. Ein weiterer Grundsatz, den ich Ihnen nur empfehlen kann, ist:KEINE LECKERLIS! Ich weiß, Hundeschulen arbeiten fast alle mit diesen Bestechungsmitteln, und das aus gutem Grund: Sie müssen bei der Dressur Ihres Junghundes schnelle Erfolge hinbekommen, was ihnen – weil es sich rumspricht – Neukunden zuführt, die wiederum für solche Erfolgserlebnisse vermeidbare Honorare bezahlen.

Wenn Sie sich Hilfe holen wollen, dann rate ich Ihnen dazu, einen „Hundeflüsterer“ zu wählen, der bei der „Grund-Erziehung“ Ihres Hundes auf solche Leckerlis verzichtet.

Zugegeben, einen solchen zu finden wird schwierig sein. Dass ich trotzdem dazu rate, auf jede Form der Bestechung zu verzichten, hat folgende Gründe: Ihr Hund soll die Dinge, die er tun soll, aus einem einzigen Grund tun: Weil Sie es möchten. Nicht weil er dafür ein Leckerli bekommt. Und ihr Hund soll die Dinge, die Sie möchten, einzig und alleindeshalb tun, weil er ihrem Willen als Leithund gerecht werden will. Niemand käme auf die Idee, seine Kinder ständig mit Lutschern und dergleichen zu belohnen, wenn sie etwas Selbstverständliches befolgt haben. Schnell wäre der Punkt erreicht, dass dieseKinder nur dann noch folgen würden, wenn wir vorweg mit einem Überraschungsei winken. Und eben solch ein unsinniges Belohnungsprinzip kann ich viel zu häufig beobachten, wenn ich auf Hundefreunde treffe, die am Gürtel ihr Leckerli-Säckchen hängen haben und automatisch daraus diese Bestechung herausfischen, so bald ihr Hund nach einem befolgten Befehl brav und erwartungsvoll, geradezu fordernd, vor ihnen sitzt. Wer damit zufrieden ist, dass er einen Pawlowschen Hund an seiner Seite hat, der lediglich auf Reize reagiert, der könnte auch gleich einen Roboter an die Leine nehmen, denn der hätte niemals einen eigenen Willen. Bei jedem Hund, so gut er auch mit Leckerlis konditioniert ist, bleibt ein Rest eigener Wille zurück, der die Konditionierung in gewissen Konstellationen ausblendet.

Denn was ist in den Situationen, in denen dem Hund sein Leckerli ein blödes Leckerli ist – der davonzischende Hase aber mit Hallali die jagdbare Beute, der Radfahrerein willkommenes Objekt zum Verbellen (vertreiben!) ist und der Jogger einfach Waden zum Reinbeißen hat? In solchen Momenten könnten Sie Ihrem Hund einen ganzen Sack voll Leckerlis als Belohnung versprechen und er würde auf diesen Deal nicht eingehen.

Zur Erinnerung: Wir haben es noch immer mit einem Raubtierzu tun, das seinen Urinstinkten gehorcht und darum jagt, was wegläuft, oder sein Territorium verteidigt, indem es Feinde verjagt oder zum Kampf stellt. Und ich beobachte, wie die meisten dieser Leckerli-Bestochenen immer dann an die Leine müssen, wenn der Hundefreund in der Topographie Radfahrer, Jogger, einen fremden Hund, ein Stück Wald oder Straße ausmacht. Der Grund ist offensichtlich: Es fehlt diesen Menschen – absolut berechtigtermaßen! – das Vertrauen und die Gewissheit, dass ihr abgerichteter Leckerli-Empfänger sie als ihren Leithund begreift, dessen Wille notwendiges Überlebensgesetz ist. Die Konditionierung unseres Junghundes darauf, weshalb er einen Befehl von uns befolgen soll, ist in dieser frühen Phase seinesLebens von enormer Bedeutung, weshalb die Annahme, die manch Leckerli-Freund unreflektiert herausposaunt, „dass es unerheblich sei, aus welchem Grund auch immer der Hund unseren Befehlen gehorcht – Hauptsache er tut es“, einfach nur falsch sein kann. Wenn uns bewusst ist, dass es darauf ankommt, dass unser Hundin uns den Leithund erkennt und dass er dies sein Leben lang auch akzeptiert, dann müssen wir ihn bei seiner Entdeckungsreiseins Leben anleiten und führen. Wir werden dafür viel Zeit und Geduld aufbringen müssen und Einfühlungsvermögen. Es wird darum gehen, eine Balance zwischen grenzenloser Freiheit und Grenzsetzung zu finden, zwischen Zuneigung und Strenge, zwischenzugestandener Autonomie und der Durchsetzung unseres Willens.

Im Unterschied zur Leckerli-Dressur sind einzig wir es, auf die sich der verspielte, abenteuerlustige und neugierige Hund konzentriert. Unsere Zuneigung und unser Lob ist die Belohnung und nicht derschnöde Happen, einhergehend mit der überschwänglichen und inflationären Lobhudelei, sobald Hund was richtig gemacht hat (was offenbar in den Hundeschulen empfohlen wird).Wir werden auch keine einzige extra Hunde-Schul-Stunde benötigen, weil wir situativ, Stunde für Stunde, Tag für Tag, unseren Hund lernen und Erfahrungen sammeln lassen und lediglich aus der Situation heraus etwas unterbinden oder ihn zum Kommen nötigen, und dies ohne Drill und laute Befehle.

Zurück zum Thema Leine.

Täglich kann ich beobachten, wie Hundefreunde die Leine als restriktives „Erziehungsmittel“ einsetzen und nicht bemerken, wie sehr sie dadurch den Hund „vermenschlichen“, ihm also assoziative Fähigkeiten von Moralzusprechen, die vielleicht Kinder in den Kontext von Ungehorsam und Strafe einordnen können – nicht aber ein Tier. Die Leine ist ein Instrument, das dem Hund nicht nur seine Bewegungsfreiheiteinschränkt, sondern ihm seine Autonomie auf das Gravierendste raubt. Hund wird zum reinen Anhängsel, ein seiner Eigenständigkeit und Selbstverantwortung enthobener Hund, der sklavisch neben seinem Herrn/seiner Herrin einher trottet und allmählich verblödet. Ich möchte erbost dazwischen gehen und dem unwissenden und ignoranten Herrchen/Frauchen den Hund entreißen, wenn ich sehe, wie er/sie Hund am Schnüffeln hindert, ihn wegzerrt von der Spur, die er aufnehmen oder ergründen will (im Vergleich ist das, wie wenn man Ihnen die Zeitung zum Frühstück entreißen würde),oder wie der Rüde am Markieren, was für ihn unendlich wichtig ist, gehindert wird, nur weil Herrchen/Frauchen am anderen Ende der Leine es eilig hat.

Auf diese Weise verlernt der Hund, selbst auf kritische Situationen angemessen zu reagieren, und irgendwann ist die Leine tatsächlich „nötig“. Was sie nicht wäre, wenn sie nicht so restriktiv zum Einsatz käme.

Die kognitiven Leistungen eines Hundes sind erstaunlich, weshalb wir in den meisten Situationen darauf vertrauen sollten, dass er diejenigen Dinge auch ohne vorherige Dressur und Abrichtung meistert, die aus seiner verstandesmäßigen Sichtweise Sinn machen und auch ihm das Zusammenleben mit uns erleichtern. Hier nur ein Beispiel von Unzähligen, von denen ich Ihnen berichten könnte: In den Tagen, in denen mein Sohn noch im Kinderwagen lag, gab es noch nicht in jeder Münchner S-Bahn-Station einen Aufzug, und wenn doch, waren sie meist defekt. Es gab nur Rolltreppen und normale Treppen. So stand ich also eines Tages mit Kind und Kinderwagen vor der Rolltreppe und dazu mit meinem Neufundländer, der partout nicht mit auf diese Treppe wollte, die sich bewegte und vor der er sich deswegen ängstigte. Also schleppte und hievte ich Kind mit Kinderwagen, schwer schnaufend und mitmeinem Elend hadernd und dabei einen Entschluss fassend, die normale Treppe hoch – mein Hund fröhlich und behände vorweg. Tags darauf war ich wieder in der gleichen Situation mit Kind, Kinderwagen und Hund – und mit dem Willen, meinen Entschluss zu versuchen. Diesmal ließ ich das Kind im Kinderwagen vor der Rolltreppe stehen und führte meinen Hund zur Treppe vom Vortagmit der Aufforderung, diese hoch zu gehen, was er ohne michnatürlich nicht tat und was ich auch nicht erwartet hatte. Also zurück zum Kind im Kinderwagen, den ich entschlossen sogleich auf die Rolltreppe schob und gespannt darauf war, ob Buschko in seiner Not seine Angst vor der Rolltreppe überwindet, aber ich blickte nur in verzweifelte Hundeaugen. Also rief ich ihm gestenreich zu, dass er die andere Treppe nehmen sollte – und er hat verstanden, was ich von ihm in diesem Moment erwartete. Ab diesem Tag musste ich ihm lediglich zeigen, in welche Richtung er laufen sollte, um zu seiner Treppe zu kommen. Irgendwann hatte er die meisten seiner Treppenaufgänge bei sich abgespeichert und sauste sofort, sobald wir ausgestiegen waren, los und erwartete uns dann ungeduldig am Rolltreppenende, wo er, groß und mächtig wie er war, und trotz der vielen Menschen, die sich an ihm vorbei drücken mussten, viele sicherlich ängstlich, dennoch stur stehen blieb.

Ein solches Vertrauen in seine kognitiven Fähigkeiten setzt natürlich voraus, dass Ihr Hund im üblichen Alltagsleben und im öffentlichen Raum weitestgehend autonom agieren darf und daher ein Leben an der Leine so gut wie nicht kennt.

Und Sie selbst brauchen hierfür die innere Einstellung und Portion Souveränität, dass kalkulierbare Risiken und die verständnislose Meinung mancher Mitmenschen noch lange kein Grund sind, die Autonomie Ihres Hundes unnötig einzuschränken. Natürlich konnte ich mir ein Schreckensszenario ausmalen, was alles passieren kann, wenn Buschko in der S-Bahn-Station zwischen den wartenden und aussteigenden Reisenden hindurchschießt oder auf der Treppe auf einen anderen Hund trifft. Doch ich wusste, was ich beim täglichen Spaziergang durch den normalen Straßenverkehr ja beobachten konnte, dass Buschko niemals einen Menschenumrannte und ein anderer Hund ihn schon anfallen müsste, damites zu einer Rauferei gekommen wäre. Davon, dass er beim Spurtüber das Perron jedes Mal einige der Passanten erschreckte, ging ich aus, allerdings habe ich mehr darüber amüsierte Menschenerlebt als verärgerte. Ein derart selbstständiger Hund bringt die Menschen zum Staunen,und meist erlebte ich, wenn ich oben an der Rolltreppe ankam, etliche von ihnen, die interessiert abwarteten, wie das seltengebotene Schauspiel enden wird. Nur selten habe ich dann Beschimpfungen entgegennehmen müssen, häufig allerdings verwunderte Fragen, die ich gern beantwortete. Diese Selbständigkeit und Zuverlässigkeit liegt nicht daran, dass Buschko ein genialer Ausnahme-Hund gewesen wäre. Alle meine Hunde folgten mir ohne Leine und selbstständig. Moonah muss an die Leine, wenn wir ein Restaurant besuchen– sonst nie. Sie hat nie ein Halsband um den Hals und leinenlosbegleitet sie mich durch die Stadt (gestern erst flanierten wir durch die Bahnhofstraße in Zürich), besucht mit mir die Bank und langweilt sich, geht mit mir einkaufen und wir konsultieren den Ärztin der Tierklinik ohne dieses verhasste Utensil.

Unverantwortlich!? Mag schon sein, manchmal denke ich darüber selber so, aber das Verhalten meines Hundes ist ein wunderbares Beispiel dafür, dass zwischen Hund und Mensch ein derartiges gegenseitiges Vertrauen entstehen kann, dass eine gespannte Leine wie ein Accessoire des Misstrauens zwischen ihnen wäre. Ich weiß einfach, dass ich darauf vertrauen kann, dass mein Hund nicht einfach auf die Straße hinausrennt.

Darauf konnte ich mich bei jedem Hund, mit dem ich allein unterwegs war, beinah zu 100%verlassen.Beim Rudel aus Janga mit ihren Kindern Socke und Mora war die Vertrauensquote geringer; sie ist vielleicht mit 70% zu beziffern, denn wenn nur einer die rote Linie missachtete, vielleicht weil er eine Katze erblickte, hatte dies einen unwillkürlichen Nachzieheffekt, so wie ihn jeder Autofahrer vor der Ampel bei Rot kennt, wenn nur die Autos auf der Nebenspur Grün haben. Allerdings bin ich mit dem Rudel nie durch die Straßen einer Stadtgegangen, ohne dabei die Jungen an der Leine zu führen. Janga, die Mutter, lief dann leinenlos voraus und war stolz wie Oskar -und sie hat mich dabei nie enttäuscht. Ich muss zugeben, so richtigentspannt war ich bei diesen Exkursionen nie und bin so auch nur durch die Straßen gezogen, wenn es sich absolut nicht vermeiden ließ. Nicht auszudenken, welches Chaos die drei großen Hundeverursacht hätten, wenn sie vereint einer Stadtkatze quer über eine Kreuzung nachgejagt wären. Das wollte ich dann doch nicht, bei allem Vertrauen, riskieren. Im Nachhinein bedauere ich es klammheimlich, nicht doch wenigstens einmal, die Probe aufs Exempel gemacht zu haben. Obmir danach der Ritterschlag zugesprochen worden wäre oder ich nicht doch eher, wegen der vielen Blechschäden, vor einem Bergvoller Rechnungen gesessen hätte und zudem vor der Weigerung der Versicherung, auch nur einen müden Cent für dieses Experiment zu bezahlen, das sei an dieser Stelle dahingestellt. Vorsorglich habe ich jeden Hund bei einer anderen Versicherung versichert, nicht wegen solcher riskanten Herausforderungen an die Grenzen des Vertrauens, sondern weil ich gehört habe, das Hundeversicherer sehr allergisch auf häufige Schadensmeldungen reagieren und Verträge schnell mal kündigen. Aber von meinen Erfahrungen mit einem Rudel Hunde möchte ich Ihnen doch erst später im Text berichten, weshalb ich damit fortfahre, Ihnen im Detail darzulegen, wie ich es schaffe, dass meine Hunde diese rote Linie erkennen und akzeptieren.

6. PLAUDERSTUNDE

Schwarze Pädagogik, SS-Hundemueller und Millan als gesinnungsethische Leitlinien bei der „Erziehung“ des Hundes sind üble Hinterlassenschaften aus dunklen und tiefbraunen Zeiten und erleben leider soeben ihre Renaissance in sprachlich, methodisch wie medial modifizierter Form. Wundern darf man sich darüber nicht, wenn wir der bereits zitierten PEDIGREE-UMFRAGE Glauben schenken, wonach„insgesamt die Situation für Hundehaltung in Deutschland vonden über 2.400 Befragten Hundehaltern und Nicht-Hundehalternnegativ eingeschätzt wird. Jeder dritte Hundehalter (35 %), aber auch jeder vierte Nicht-Hundehalter (26 %) hält eine Hundehaltung in der heutigen Gesellschaft fast für unmöglich.“In 9 % der deutschen Haushalte lebt wenigstens ein Familienhund. 7 Millionen Hundehalter haben also das Problem, ihren Hund für das Verhalten im öffentlichen Raum „korrekt“ zu „erziehen“, damit sie mit ihrem Hund nicht gegen Verordnungen verstoßen und die Freunde nicht auf den Gehsteig scheißen, Radler, Jogger und Spaziergänger ängstigen, Wild jagen oder andere Hunde beißen, und, und, und …Nicht jeder hat so viel Zeit wie ich, um sich intensiv mit seinem Hund zu beschäftigen. Das Gros geht tagsüber mindesten acht Stunden lang zur Arbeit und hat als „Nebenjob“ seinen Hund, der zivilisatorisch kompatible Strukturen benötigt, weil ihm sonst Behörden und gewisse Mitmenschen und auch Hundehalter, populärausgedrückt, massiv aufs Dach steigen. Da sind in Sachen „Benehmen“ schnelle Erfolge gefragt, und dies mit einem Minimum an investiertem Geld- und Zeitaufwand. Solches versprechen Hundeschulen, und bemerkenswert sind die enormen Steigerungsraten an Neugründungen von solchen Crash-Kurs-Anbietern in den letzten Jahren.

Die Erfolgsrate dagegen ist in der Regel höchst bescheiden, wie eine Studie aus Bayern belegt, wenngleich die Teilnehmer – im Gegensatz zu den Experten von der Uni München – hochzufrieden mit dem erreichten Ergebniswaren.

Auch ich bin immer wieder darüber verwundert, wie oft und mitwelcher Lautstärke etliche meiner Hundefreunde ihren Hund rufen müssen, bis er sich an ihre Seite bequemt, obwohl sie etliche Sitzungen in Hundeschulen verbracht haben. Deren Hunde machen mit Freuden auf Kommando eine Rolle oder springen über ein Hindernis, was meine Moonah von mir nie beigebracht bekam, hingegen reagiert sie auf meinen leisesten Ruf oder Blickkontakt und ist im nächsten Moment neben mir, selbst dann, wenn sie im freudigsten Spiel ist oder eine Fährte verfolgt. Ein Leckerli bekommt sie dafür nicht, hingegen die anderen fast regelmäßig, sollten sie denn „gehorchen“. Für das, was für mein Hund eine Selbstverständlichkeit ist, wollen die andern belohnt werden, weil sie auf ein Prinzip konditioniert wurden, das auf Belohnung basiert und nicht auf Interaktion. In den Hundeschulen bekommt der Hund als allererstes andressiert, dass er auf Kommando Sitz!, Platz! machen und bei Fuß! gehen soll. WOZU? Hundeschulen begründen ihr Tun damit, dass man Hunden „Gehorsam“ antrainieren muss, und die Welt scheint diese Chimäre noch immer zu glauben. Darum mühen sich Millionen Hundehalter damit ab, ihren Junghunden das Sitz!, Platz! und Fuß! abzuringen, und viele verzweifeln dabei, weil das Kerlchen einfach nicht tun will, was Frauchen/Herrchen unbedingt von ihm möchte. Weiß denn der blöde Köter nicht, dass er solches tun soll, damit er als artiger Leinen-Hund künftig in die Stadt mitgenommen werden kann und dann mit in ein Café darf, um sich dort – Platz! – für Stunden zu langweilen? Nein, weiß er nicht, und es interessiert ihn nicht die Bohne, aber er weiß, wenn er Sitz!, Platz! und Fuß! befolgt, dann bekommt er Leckerli oder wird über den Klee gelobt.

Und nicht wenige Hunde wissen…

wenn sie Sitz!, Platz! und Fuß! verweigern, dann setzt es im schlimmsten Fall Schläge, in nicht wenigen Fällen erlebt der Hund ein zorniges Gebrüll, wird geschüttelt, niedergedrückt oder Frauchen/Herrchen reagiert darauf mit der Variante des beleidigten Liebesentzugs und/oder der demonstrativen Nichtbeachtung. Da versteh einer den Mensch! Wie viele Hundeseelen wurden wohl wegen der Prämisse, dass Hund Sitz!, Platz! und Fuß! können muss, nachhaltig verletzt oder garzerstört? Von jeder Generation bestimmt zig Millionen, seit es den in dieser Form und Zahl trainierten Haushund von heute gibt. Und an diesem Elend haben die Hundeschulen ein erhebliches Maß an Schuld. Deshalb muss eine schonungslose Aufarbeitung des zurückliegenden Grauens stattfinden und eine ehrliche wie zielführende Auseinandersetzung darüber, denn nur so kann ein Umdenken tatsächlich stattfinden. Wenn GANDHIS Feststellung: Die Größe und den moralischen Fortschritt einer Nation kann man daran messen, wie sie ihre Tiere behandelt, zutrifft (die inhumane Behandlung der niederen Kasten und die Beibehaltung des Kastensystems schienen ihm allerdings nie ein moralisches Problem zu sein), dann sind die mannigfachen körperlichen und psychischen Verbrechen am Hund moralisch denen von Missbrauchsfällen in Heimen und Internaten gleichzusetzen und sind von der Gesellschaft in gleicher Weise zu stigmatisieren.

De jure hat der Gesetzgeber ein solches Umdenken in Deutschland vollzogen, indem er Haustieren psychischen Schmerz zugesteht und somit feststellt, dass beispielsweise der Hund keine reine Sache sei, sondern ein empfindendes Wesen, das von der Gesellschaft zu schützen sei.

Auch ist im Tierschutz-Gesetz von artgerechter Haltung die Rede. Und es verbietet jegliche Form von Zwangsmitteln bei Tieren (sofern dafür kein vernünftiger Grundvorliegt).Gesetze sind das eine – ein Regulativ, dass eklatante Missbrauchsfälle sanktioniert, sofern sie zur Anzeige kommen. Das Denken und Handeln ist das andere, denn tradierte Denkmuster sind nicht so einfach per Gesetz aus der Welt zu schaffen. Im Gegenteil: Sie werden gerade deshalb nur subtiler gehandhabt – verhüllt vom grauen Gewand angeblich humanerer Methoden. Und die haben manche Perfidie im Repertoire. Millan und andere TV-Hundeflüsterer wurden schon genannt undentlarvt. Technische Zwangsmittel noch nicht, beispielsweise funkgesteuerte Halsbänder, die am Hals des Hundes vibrieren oder einen hochfrequenten Ton auslösen und damit den Hund enorm erschrecken, so dass er Schutz suchend zu seinem Peiniger zurück kommt, der ihm dafür – welch Ironie! – ein Leckerli zur Belohnung gibt. Allemal humaner und legaler, so die Denke derer, die solche Halsbändereinsetzen, als ein Elektroschocker, der qua Definition zu den verbotenen Zwangsmitteln zählt. Aber auch die werden leider noch reihenweise eingesetzt.

Nicht nur, dass die Produzenten solcher Elektro-Schocker begeistert sind, weil deren Absatz stetig zunimmt, sondern auch die Nutzer sind voll des Lobes, weil der Erfolg damit ihnen eine Legitimation des Verbotenen gibt.

Und sie berufen sich auf das Tierschutz-Gesetz, in das versehentlich – sprich: absichtsvoll – schwammig formuliert wurde: „Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.“ Doch was ist ein vernünftiger Grund? Etwa schon die Offensichtlichkeit, dass Bello einfach nicht folgt, oder erst dann, wenn Bello einen anderen Rüden im Kampf verletzt? Menschen, die solche Schocker einsetzen, vergleiche ich mit Kampfjet-Piloten, die lediglich auf den roten Knopf drücken müssen, doch was ihr Tun an Leid, Verderben, Schmerz und Todverantwortet, erfassen sie aus der extremen Höhe und ob der rasanten Geschwindigkeit niemals wirklich. Ebenso der den Elektroschock auslösende Mensch, der hunderte Meter vom Hund entfernt den Knopf drückt. Der erlebt nicht unmittelbar, wie der Stromschlag den Hund durchzuckt, Schmerz erzeugt und Angst auslöst. Auf Knopfdruck bekommt man einen verstörten Hund an seine Seite anstelle eines selbstbewussten Jägers oder draufgängerischen Galans, der nur die Dame seines Herzens besteigen wollte.

Angeblich 900.000 Geräte soll die Industrie laut der Illustrierten STERN bis 2003 bereits verkauft haben (einen aktuelleren und verifizierbaren Umsatz konnte ich leider nicht eruieren). Plus eine unbekannte Zahl Anti-Bell-Halsbänder, die dem Kläffer einen Strafimpuls verpassen, sobald er das Maul aufmacht.

Nun gehört aber sicher das Gros derjenigen, die ihren Hund in so eine Hundeschule schleppen, nicht zu den Sadisten, denen der Elektroschocker locker in der Tasche sitzt. Ich vermute, dass die meisten von ihnen der allgemeinen Propaganda aufsitzen und tatsächlich glauben, damit dem vierbeinigen Freund etwas Gutes zu tun. Dafür wird dann gerne auch ordentlich Geld in die Handgenommen. Apropos Wirtschaftsfaktor Heimtierhaltung: Laut der „HEIMTIERSTUDIE2014” von PROF. RENATE OHR (Universität Göttingen) entspricht das enorme Umsatzpotential von über 9,1 Mrd. Euro pro Jahr mit den Geschäften mit Haustieren etwa 0,32 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Deutschland oder dem des gesamten Buchhandels, wobei hierfür allein die Hundehaltung mit mehr als 50 % verantwortlich ist:

  • Gut die Hälfte von dem üppigen Kuchen schluckt die Tiernahrungsindustriemit immer mehr unsinnigen Produkten,
  • gefolgt von der Pharma-Industrie, die, wie bei den Humanmedizinern undmit ähnlichen Methoden, die Tierärzte ködert und in Abhängigkeit bringt.
  • Und der Handel mit Heimtierartikeln erlebt Jahr für Jahrein Umsatz-Plus.
  • Von dem Kuchen schlemmen zudem u. A. Hundefriseure, Züchter, Hundepensionen, Tierkadaver-Beseitigter und natürlich die Hundeschulen, die ein verhältnismäßig bescheidenes Stückchen von rund 75 Millionen Euro naschen dürfen.

Ein Gutteil ihrer Einnahmen dürften Hundeschulen mit dem Verkauf von Leckerlis und Nahrungsprodukten bestreiten, denn die wenigsten Hausfrauen in der Rolle als Trainerin können von Sitz!, Platz! oder Fuß! finanziell tatsächlich überleben. Das liegt sicher auch an der Vielzahl von Neugründungen, die sich lokal Konkurrenz machen, zumal es bis vor Kurzem keine relevante Qualitäts-Kriterien dafür gab, wer eine Hundeschule eröffnen darf und wer nicht.Zu diesem Thema möchte ich die folgende Passage aus einer Pressemitteilung zitieren: „Sie schießen in Deutschland wie Pilze aus dem Boden: 2200 sogenannte Hundeschulen gibt es mittlerweile bundesweit (Anmerkung der Issn‘ Rüde Redaktion: eine große List von Hundeschulen in Ihrer Nähe gibt es auf „der beisst nicht„). Das sind fast dreimal so viele wie noch im Jahr 2006. Was diese Einrichtungen wirklich taugen, ist allerdings für den einzelnen Hundebesitzer schwer zu durchschauen. Denn bisher kann sich bei uns praktisch jeder, der mal an einem Kurs mit Hunden teilgenommen hat, als Hundetrainer bezeichnen. Das führt dazu, dass auf diesem Gebiet viel Schindluder betrieben wird. In Potsdam hat jetzt (2013) ein wissenschaftliches Symposium stattgefunden, bei dem Experten unter anderem vom Bundesverband der Hundeerzieher und Verhaltensberater ihre Zweifel an der Qualität mancher Hundeschulen geäußert haben. Sie und sieben deutsche Hundetrainer-Verbände verlangen eine staatlich anerkannte Berufsausbildung für Hundetrainer mit einheitlichen, anerkannten wissenschaftlichen Standards in der Ausbildung. Beidem Symposium ging es auch um Leitlinien für solche Standards.“(siehe auch NZ)

Zulassungsprüfung

Seit Mai 2015 sind die Veterinärämter der Länder für die Zulassung von Hundetrainern zuständig und dafür, Leitlinien für eine Eignungs- und Zulassungsprüfung zu erstellen, die sicherlich den Hundetrainer-Verbänden nicht ausreichen werden, da Mediziner keine ausgewiesene Hundeexperten sind und insofern medizinische und gesundheitsrelevante Fragen präferieren.

Was uns auf der grünen Bühne Hundewiese als Trainingsaufführung dargeboten wird, ist tatsächlich nicht selten das reinste Laientheater.

Damit möchte ich die Akteure der unzähligen Laienbühnen nicht diskreditieren, gehöre ich doch selbst zu ihnen, maß es mir aber nicht an, dem Profi ebenbürtig zu sein. Dies tue ich auch mit diesem Buch nicht und wiederhole an dieser Stelle, dass ich kein Experte in Sachen Hund bin und darum auch niemals eine „Hundeschule“ betreiben würde. Da ich „Hundeschulen“ in der derzeitigen Form für überflüssig halte, käme ich auch nicht auf einen solchen Gedanken. Vielmehrversuche ich Sie mit diesem Buch davon zu überzeugen, dass die „Erziehung“ Ihres Hundes ohne die in diesen „Schulen“ propagierte Konditionierung auf Befehle und Leckerlis nachweisbarbesser funktioniert. Mit dieser Aussage desavouiere ich sicherlich manchen Hundetrainer, der in vielen Dingen so denkt wie ich und zudem eine langjährige Ausbildung durchlaufen hat, wobei er von Dozentenunterrichtet wurde, die als Wissenschaftler und Experten anerkannt sind. Wer das Glück hat, in der Nähe seines Wohnortes einen derart intensiv geschulten Trainer vorzufinden, und das Unglück, mitseinem Hund – aus welchem Grund auch immer – nicht klar zukommen, der sollte diesen Experten kontaktieren.

Wenn Hundeschulen sinnvoll sind

Ich erachte dergleichen „Hundeschulen“ auch dann für sinnvoll, wenn sich jemand zum ersten Mal einen Hund ins Haus holt, obwohl er sich noch nie mit dem Wesen Hund in irgendeiner Formbeschäftigt hat, aber beispielsweise denkt, ein Hund wäre für seine Kinder ein Gewinn, zum Beispiel was die Herausbildung von Sozialkompetenz und Verantwortungsbewusstsein betrifft. An sich stört mich schon der Begriff „Hundeschule“, und ich würdederartige Institutionen und Vereine in der jetzigen Form und Ausrichtung abschaffen und stattdessen als SEMINAR UND PRAXIS FÜR MENSCHEN MIT HUND definieren, und das aus dem einfachen Grund, dass nämlich wir über den Hund erst vieles zu lernen und zu erfahren haben, bevor wir ihm dabei helfen können, in der vom Mensch dominierten Welt artgerecht und dennoch zivilisatorisch angepasst zu bestehen. Kurz gesagt: Ich wünsche mir eine andere Art von Mensch-Hund-Trainings. Vor dem üblichen, vor dem zweifelhaft kompetenten Gros dieser Branche, insbesondere vor den Laiendarstellern in Trainerpose, möchte ich nur warnen. Nicht zuletzt wegen einiger dort sich hartnäckig haltender Mythen, die so falsch sind, dass sie bei der Mensch/Hund-Beziehung Schaden anrichten. Ein Beispiel an dieser Stelle: Im Gegensatz zu diversen Hundeschulen, die behaupten, in der Mensch/Hund-Kommunikation seien Emotionen fehl am Platz, weil Hund verbal von uns eindeutige Ansagen und Strukturen benötige, betont der Biologe und Verhaltensforscher PROF. KURTKOTRSCHAL, dass Emotion in der Stimme beim Gespräch mit Hunden wichtig ist. So entwickle sich eine enge Beziehung desgegenseitigen Vertrauens und der Unterstützung. Andererseits gibt es Hundetrainer, die allen Ernstes ihren Klienten empfehlen, ihren Hund böse anzuknurren, wenn Fiffi wieder einmal nicht gehorcht. Dass ein Hund von solcher „Pädagogik auf Augenhöhe“ sich jemals beeindrucken ließ, habe ich bisher noch nicht erlebt. Wir sind nun mal für Hund keine Hunde, selbst dann nicht, wenn wir das Prädikat vorweisen können, der bekannteste Stimmenimitator auf der Welt zu sein. Sie fragen sich sicherlich, wie ich dazu komme, mir ein Urteilüber Hundeschulen zu erlauben, die ich mit meinen Hunden doch nie besucht habe. Die tägliche Beobachtung von Hunden und Haltern, von denen ich mit Bestimmtheit weiß, dass sie eine Hundeschule besuchen oder besucht haben, verrät mir so einiges von dem, was in diesen Zucht- und Ordnungsanstalten unerfahrenen Hundefreunden Falsches bis Unmögliches vermittelt wird –und dies seit Jahrzehnten. Interessanterweise ist mir noch kein Hundeschul-Hund untergekommen, der ohne Leine durch die Straßenschluchten einer Großstadt gelaufen ist, ergo auch kein Hundeschulen-geprägter Hundehalter, der seinem Hund eine derartige Selbstverantwortung zugetraut und zugestanden hätte. Auch in Gesprächen mit meinen Hundeschul-Hundefreunden zu dieser Thematik erlebe ich diesbezüglich immer wieder Unverständnis, und manche halten mich deswegen wohl gar für einen verantwortungslosen Gesellen, wenn nicht Spinner, der Hund wie Umwelt bewusst unkalkulierbaren Risiken aussetzt. All jenen, die so über mich denken, möchte ich folgendes entgegenhalten: Der oben bereits erwähnte Prof. Kurt Kotrschal berichtet in einer seiner Kolumnen von einer Diplomarbeit zweier Studentinnen ausder Arbeitsgruppe Mensch/Tier-Beziehung an der Uni Wien.

600 Spaziergänge mit Hunden in Wien wurden beobachtet. Dabei, so berichtet Kotrschal, sei es nur ein einziges Mal zu einem Konflikt zwischen zwei Hunden gekommen, obwohl 50 % der Hunde gesetzwidrig ohne Leine und ohne Beißkorb geführt worden seien. Es habe keinen Konflikt zwischen Mensch und Hund gegeben, und die Menschen untereinander seien sich auch freundlich begegnet. Anders ausgedrückt: Leine und „bei Fuß!“-Befehl tragen rein gar nichts dazu bei, dass beim Spaziergang mit Hund unangenehme Zwischen- und Unfälle vermieden werden.

Ob mein Hund an der Straße links neben mir sitzt oder steht, ist doch unerheblich, wenn er begriffen und akzeptiert hat, dass er die Straße nur mit mir sicher überqueren kann. Diese Einsicht bekommt der Hund aber nur, wenn ich ihn laufend mit Verkehrssituationen konfrontiere, die ihn verunsichern oder gar ängstigen, und wenn er bei solchen Konfrontationen erlebt, dass er mit mir auf der sicheren Seite ist. Hunde lernen nur situationsabhängig, speichern das Erfahrene als positiv oder negativ ab und agieren dann in ähnlichen Situationen entsprechend. Unterstützen kann ich diese Lernprozesse mit den bereits erwähnten Warnhinweisen und Gesten, an denen mein Hund sich orientieren kann. Konfrontieren Sie Ihren Junghund bewusst mit ganz alltäglichen Situationen: Gehen Sie mit ihm Einkaufen, in Läden, in die er reindarf, ins Café, durch die Fußgängerzone, nehmen Sie ihn überall dorthin mit, wo auch Sie hingehen und es mit ihm möglich ist –aber ohne Leine! Termindruck sollten Sie bei solchen Exkursionen keinen haben, denn ihr Junghund wird an allen Ecken und herumliegenden Dingen verweilen und schnüffeln wollen, und das soll er auch. Gleichzeitig wird er lernen, dass er trotz all der interessanten Gerüche Sie im Auge behalten muss, will er Sie nicht verlieren, denn dies würde ihn in Panik versetzen. Einmal zumindest muss er diese Erfahrung gemacht haben. Sie sind für ihn, was der Reiseleitermit dem Fähnchen oder Schirm für die Touristengruppe ist: der Orientierungspunkt und die Person, bei der er notfalls Schutzfinden kann. Und natürlich haben Sie ihren kleinen Erfahrungssammler auf Entdeckungstour ständig im Blick, greifen aber nur dann ein, wenn eine Situation eintritt, die für den Hund gefährlich ist oder blöd ausgehen könnte. Während eines solchen Ausflugs lernt ihr kleiner Schützling mehr Lebenswichtiges als die Hunde, die zur gleichen Zeit ihre Trainingsstunden mit Sitz!- und Platz!-Kommandos verbringen. Sitz!, Platz!, Ablegen!, Fuß!, sind Befehle, die meine Hunde nichtkennen. Moonah würde Sie nur fragend ansehen. Und dennoch setzt sie sich neben mich hin, wenn sie spürt, dass ich in einer Situation unsicher bin (beispielsweise an einer unübersichtlichen Kreuzung). Und sie hält instinktiv Kontakt zu mir, wenn sie in Situationen kommt, in der sie selbst Unsicherheit verspürt. Soeben war ich in der Bank. Vor mir ein anderer Kunde vor dem Geldautomaten. Ich halte also den Diskretionsabstand ein und muss warten. Moonah wartet unaufgefordert sitzend neben mir, merkt, dass es eine Weile dauern wird, und legt sich darum ruhigneben mir ab.Von Hundeschulen indoktrinierte Hundehalter hätten, sofern sieden Hund nicht ohnehin draußen vor der Bank angekettet hätten, ihrem Hund sofort erst den Befehl Sitz! erteilt und dann, weil manja warten muss, die Anweisung Platz!. Wie mein Hund beweist, wäre das eine unnötige Bevormundung.

Warum werden dann immer noch die überflüssigen Hundekommandos propagiert?

Ganz einfach: Die standardmäßigen Hundeschulen würden ihr Geschäftsmodell ad absurdum führen, würden sie ihren Rat suchenden Kunden ans Herz legen, die Autonomie ihres Hundes zu fördern, anstatt ihnen Sitz!, Platz!,Fuß!, Down! einzutrichtern. Derartige Hundeschulen leben nicht allein nur davon, Sitz!, Platz!,Fuß!, Down! als die Ultima Ratio der „Hundeerziehung“ zu verkaufen, vielmehr bieten sie weiterführende Unterwerfungs-Kurse an, die für das Wohl eines normalen Haushundes mehr als fragwürdig sind.Es gibt offenbar Menschen, die der Ansicht sind, dass ihr Familienhund Spaß daran haben kann, eine „Schutzhund Ausbildung“ zu durchleiden. Der Geist von Franz Mueller-Darß, er spukt noch immer in den Hundeschulen, wenngleich umetikettiertals Hundesport und deklariert zum unverzichtbaren Gehirn und Gehorsamstraining für Bello oder Bella. Zu Mueller-Darß-Zeiten nannte man das „Abrichten“, und ich vermute, so wirddieser „Sport“ bei der Polizei auch noch immer genannt. Und dass man Hundeschulen benötigt, damit Hund beweglichbleibt, also dass Herrchen/Frauchen sogenannte Agility-Kurse bezahlt, damit ihr Hund über Hindernisse hüpft und robbt, empfinde ich als absurd. Wieder soll Hund auf Befehl etwas tun und können, was er in freier Natur, wenn man ihm die Freiheit lässt, ohnehin macht. Hundeplatz als Fitness-Center – einfach grotesk. Aber ichverstehe schon: Mensch befiehlt und Hund hüpft und robbt und Mensch denkt: Das ist der Ausgleich dafür, dass ich mir nicht die zwei Stunden täglich Zeit nehme, mit meinem Hund ins Freie zugehen, damit er sich austoben kann. Ich lebe in einer 4000-Seelen-Gemeinde, umgeben von Feldern und Wäldern, und ich treffe beim Spaziergang in aller Regel, egal zu welcher Tageszeit, auf keine anderen Hunde. Laufe ich jedoch durch den Ort, kläfft mich aus jedem dritten Garten ein einsamer Hund an, dem ich auf freier Flur noch nie begegnet bin. Das sind offenbar die Hunde, mit denen die Hundeschulen mit Agility-Stunden ihr Auskommen sichern. Wie alles, so ist auch dieses Angebot noch steigerbar, und ist die Sportart noch so kurios, einen Champignon muss es geben. Also wird manch einer von diesen Gartenhunden darauf gedrillt, dass er es mit seinem befohlenen Robben und Hüpfen zu den Agility-Meisterschaften bringt. Du armer Hund! Und was ist davon zu halten, wenn man Hunde aus rein sportivem Interesse zu Fährtenhunden abrichtet und einer Prüfung unterwirft, die von autorisierten Leistungsprüfern abgenommen wird, Hund im Alltag jedoch keinen Hasen oder Reh jagen darf? Ich haltedavon nichts, denn Hund darf dabei ja gerade nicht seinen Jagdinstinktausleben, sondern muss einem ausgeklügelten Reglementgehorchen, das ihm zuvor wochenlang eingebläut wurde. Die von Hund erfolgreich abgeschlossene Prüfung nach den Statuten der FÉDÉRATION CYNOLOGIQUE INTERNATIONALE erfreut seinen leistungsorientierten Menschen und hebt dessen Ego, der hierfür allerdings die Instinkte und Fähigkeiten seines Hundes missbraucht. Anders verhält es sich, wenn Hund zum Suchhund ausgebildet wird, was für Hund sicherlich eine Tortur ist, für uns Menschen aber einen enormen Nutzen hat, wenn er in Katastrophengebieten verschüttete Menschen aufspürt. Und ein Schweißhund sorgt dafür, dass angeschossene Tiere, die er für den Jäger aufspürt, nicht unendlich lange leiden müssen. Für solche Dinge halte ich eine Abrichtung von Hunden, das Sich-zu-Nutzen-machen ihrer besonderen Fähigkeiten, für legitim und will nur hoffen, dass die Mueller-Darß-Methoden inzwischen etwas abgerüstet wurden und die Ausbildung humaner betrieben wird als zu dessen SS-Zeiten. Ich will sicherlich all jene, die alles andere als bewegungsfaul sind, nicht diffamieren, diejenigen also, die mit ihrem freilaufenden glücklichen Hund, bei täglich langen Spaziergängen mit ihm, diesen Hundesport zusätzlich betreiben, weil sie denken, dass ihr Hund noch Herausforderungen und Beschäftigung braucht. Aber braucht Hund solch zusätzliche Stimulantien wirklich? Haben Hundeschulen nicht erst den Bedarf für Derartiges geschaffen, angelehnt an den Parcours des Pferdesports, um Kundschaft an sich zu binden, damit die Kasse dauerhaft stimmt und der Hundeplatz, vollgestellt mit Hindernissen, Pacht sichernd ausgelastet wird?

Aus meiner Erfahrung ergibt sich, und da stimme ich mit Professor Kotrschal überein, dass es wichtig ist, mit Hund viele gemeinsame Unternehmungen und Erlebnisse zu haben, unter wechselseitiger Aufmerksamkeit und ohne Leine, und jedenfalls ohne Dominanz, und deshalb nehme ich Moonah überall hin mit, auch wenn sie dafür mal eine Stunde im Auto verbringen muss.

Tapetenwechsel, Ortswechsel, was die Spaziergangrouten anbelangt, Kaffee-Besuche, Einkauf, Mitnahme auf Reisen zu Freunden oder an den Strand, unterm Tisch im Restaurant, neben mir am Grab meiner Frau, gemeinsames Lümmeln auf dem Sofa, zu den Klienten in der Klinik, bei der Gartenarbeit und, und, und …Und sie ist immer dabei, wenn ich einen Dreh habe oder auf Foto-Exkursion bin. Besonders bei dieser Beschäftigung spürt sie intuitiv, dass sie keinen Blödsinn machen sollte, und auch, dass sie wenig Aufmerksamkeit von mir erwarten kann. Dafür bin ich meinem Mädchen sehr dankbar. In den Zeiten dazwischen schläft und döst mein Hund genüsslich und findet es manchmal sogar lästig, wenn ich sie dabei störe. Bei unseren Spaziergängen ist es ihr überaus wichtig, dass es eine Zeit gibt, in der ich mich mit ihr beschäftige, und das sieht dannso aus: Sie findet je nach Jahreszeit einen Apfel, eine Birne oder Kartoffel, und mit denen soll ich „schussern“, und natürlich immer einen Ast, den ich werfen soll. Begeistert ist sie dann von mir, wenn ich ihr – sie mit Apfel, Birne, Kartoffel oder Ast im Maul – nachjage, wobei sie natürlich so gut wie immer die unumstrittene Siegerin bleibt. Irgendwann kann ich nicht mehr, bin außer Puste, dann jage ich ihr manchmal das, was sie im Rachen hat, per „Befehl“ Aus! ab, aber darauf wartet sie ja nur, wenngleich sie sich vordergründig immer noch ziert, dem „Befehl“ zu gehorchen. Sie weiß natürlich, dass ich dann ihr „Spielzeug“ werfe oder schussere, sobald sie es mir überlässt. Dass ich ihr hinterherjage, chancenlos natürlich, ist aus Sicht der Normalo-Hundeschulen natürlich ein unmögliches Verhalten, denn Hund könnte ja auf den Gedanken kommen, dass er mich dominiert und nicht ich ihn.

Einen solchen Blödsinn…

der zu den oben bereits erwähnten Mythen zählt, kann sich nur ausdenken, wer zum Credo erhebt, dass es bei jedem Spiel mit Hund nur einen Sieger geben darf – den Menschen. Glauben Sie mir, noch keiner meiner Hunde ist je auf den Gedankengekommen, mich zu dominieren, nur weil ich auf meinen zwei Beinen viel langsamer als er bin und ihm darum die „Beute“ nichtabjagen kann. Im Gegenteil: Ein sichtliches Vergnügen ist es ihm, mich mit seiner Schnelligkeit und Wendigkeit auszutricksen, wenn er mir die faire Chance bietet, die „Beute“ zu fassen. Und natürlich habe ich mich mit meinen bis zu 50 Kilo schweren Hunden um einen Ast „gestritten“ und bin dabei wahrlich nicht immer als Sieger vom Platz stolziert. Gerade auch wegen solcher Spiele haben michmeine Hunde geliebt, und meine Moonah erwartet sie bei jedem Spaziergang. Zeitlich bespaße ich meinen Hund ungefähr auf einen Drittel des Weges, den ich vorhabe zu gehen. Ab da erkläre ich ihr deutlichmit Worten und Gesten, dass ich ab sofort keine Lust mehr dazu verspüre und sie ihrer eigenen Wege gehen soll.

Manchmal versucht sie mich dennoch zum Spiel zu animieren, aber in der Regel kapiert und akzeptiert sie meine Entscheidung. Wenn andere Hunde in der Nähe sind, dann verweigere ich jedes Spielprogramm, denn sie soll ja mit den anderen Hunden kommunizieren und, sofern die Chemie stimmt, mit ihnen toben, raufen, fangen, jagen.

Auf den Hundewiesen erlebt man immer wieder Hunde, die, obwohl dutzende Hunde um sie herum sind, penetrant darauf lauern, dass Herrchen/Frauchen den Ball oder Ring wirft, das mitgeführte Spielzeug, auf das sich diese Hunde voll und ganz konzentrieren. Diese Fixierung und das gleichzeitige Ignorieren der Artgenossen verhindert jeden notwendigen Sozialkontakt, und mancher Hundehalter darf sich nicht wundern, wenn dieses Spielzeug zum Zankapfel und gar zum Gegenstand für eine heftige Rauferei wird. Solche Herrchen/Frauchen sollten besser jede von Hunden frequentierte Wiese meiden oder, was vernünftiger wäre, sich einmal darüber Gedanken machen, was sie da eigentlich tun. Wie erwähnt, sie fixieren mit dem Spielzeug den Hund vollständig auf sich, was auch eine Form der Autonomie-Vermeidung darstellt, nebst der Verhinderung, dass ihr Hund mit anderen kommuniziert und interagiert. Bei uns Menschen bezeichnet man so ein Verhalten als die Heranbildung eines Muttersöhnchens, wenn die Mutter sich immer ins Zentrum der Lebenswelt des Kindes stellt und dem Kind keine Erfahrungen gewährt, die außerhalb ihres vorgegeben Einflussbereiches liegen. Mütter, die meinen, sie müssten ständig mit im Sandkasten sitzen und Sandkuchen formen, und die ihr Kind vor jedem bösen Buben beschützen wollen, der die Sandburgzerstören könnte. Mit Mutter im Sand neben sich werden sich für Muttersöhnchen kaum Spielkameraden interessieren, die für Söhnchen ja auch überflüssig sind, hat er doch seine überglückliche Glucke, die ihm das Plastik-Lastauto mit Sand füllt. Armes Kind! Wenn die Bindung zu unserem Hund eine intensive ist, dann haben wir die verdammte Pflicht, diese Bindung in gesunde Bahnen zu lenken, und dies bedeutet eben auch, dass wir uns als Spielpartnerverweigern, wenn unser Hund noch andere essentielle Erfahrungen sammeln und machen kann, die mit unserer Mensch/Hund-Beziehung absolut nichts zu tun haben, nicht haben können, weil sie eine nur unseren Hund betreffende Dimension haben. Hundespielzeug ist nur ein schlechter Ersatz für Sozialkontakte und natürliche Interaktion. Außer ihrem „Wuschel“, diesem an beiden Enden geknoteten Seilstück, besitzt Moonah kein Spielzeug, und das verbleibt im Haus.

Spielzeug ist all das, was sie in der freien Natur findet und zur „Beute“ erhebt, also die Kartoffel, die Birne, der Apfel, der Ast. Einen Hundebedarf-Laden betrete ich also nur, wenn ich ihre Leine irgendwo liegen gelassen habe, weil das ein Utensil ist, das kaum in Gebrauch ist und ich es gern mal vergesse wieder mitzunehmen.

Dann allerdings bin ich von dem mannigfachen Angebot an skurrilstem Spielzeug für Hunde überrascht und von den verschiedenartigen Kauknochen, die aus was auch immer bestehen. Ein Kuriositäten-Laden aus Dingen, die meines Erachtens kein Hund braucht und die offenbar dennoch gekauft werden. Oder aber dringend benötigt, damit sein notorischer Beschäftigungsmangel als Nur-Leinenhund kompensiert wird und er zumindest im Wohnzimmer einer „Beute“ nachjagen darf und in ein quietschendes Ding beißen kann. Eine infantile Ersatzhandlung, die an die Beschäftigungstherapie in Zoos denken lässt, die Hund, im Gegensatz zu den eingesperrten Hyänen, Gorillas oder Löwen, nicht bräuchte, würde man ihn von der Leine lassen. Auffindbar in den Läden sind auch Denkspiele für den Hund, und soweit ich das überblicke, funktioniert der Denkanreiz nur über Leckerli. Wie auch immer es funktioniert, absurd ist Derartiges für mich allemal. Solches ist wohl aus den Labors von Wissenschaftlern entlehnt, denen ich empfehlen würde, ihr Augenmerkvermehrt auch darauf zu richten, dass ein Hund, der seine Autonomieleben darf, im Laufe eines Tages viele eigenständige Entscheidungentreffen muss und somit sich sein Hirn in einem ständigen Denkprozess befindet, wobei ihm die vom Handel (oder von Labors) ausgedachten Denkspiele erdenklich wenig helfen dürften.

In welcher Geschwindigkeit mein Hund herausfindet, in welchem Loch ein Leckerli steckt, interessiert mich herzlich wenig und drückt für mich keine signifikante Aussage über seine Intelligenz aus, selbst wenn er dafür ein Stunde benötigen würde. Wichtig sind für mich seine Entscheidungen, die er trifft, wenn er mit mir durch eine Fußgängerzone spaziert, oder wie er auf freier Flur und auf sich gestellt in der Lage ist, Hindernisse oder Ereignisse zu bewältigen.

Und wenn wir gerade dabei sind uns die Frage nach der Intelligenz von Hunden zu stellen, dann möchte ich all jenen zurufen,die ihren Hunden keine Zeit zum Schnüffeln an Ecken und Masten gewähren, dass sie damit ihrem Hund jene ihm adäquate Bildung verwehren, deren er zur Förderung seiner Intelligenz unbedingt bedarf. Vergesst die Denkspiele, lasst sie schnüffeln, wo und wann und wie lang auch immer, und lasst sie von der Leine! Intelligentere Denkanreize könnt ihr euren Hunden nicht anbieten.

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Buchcover & Quelle: Dietmar Luh