Es gibt unzählige verschiedene Hunderassen. Neben Labrador und Pudel, Mops und Beagle seit einiger Zeit auch Labradoodle und Puggle.

Designerhunde, passend zu Designerschuhen und Designerhemden. Noch niedlicher, noch braver, noch freundlicher, einfach noch besser. Behaupten die Züchter.

Sehr fragwürdig insgesamt. Warum sollten sich ausgerechnet die Friedfertigkeit und Fröhlichkeit des Beagles sowie die leichte Erziehbarkeit des Mopses durchsetzen? Jetzt nur mal als Beispiel. Was ist, wenn der Puggle den Jagdtrieb, die Sturheit und Verfressenheit des Beagles mit dem Schnarchen und der Neigung zur Fettleibigkeit des Mopses vereint? Niemals, werden vielleicht einige aufschreien. Oder vielleicht bei anderen. Aber wir/unsere Züchter wählen die Elterntiere sorgfältig aus. Da kann gar nichts schief gehen. Unsere Hunde sind vollkommen.

Sie haben recht. Alle Ihre Hunde sind vollkommen, so wie sie sind. Meine sind es auch. Mein Lauflie (Laufhund-(Kurzhaar-)Collie-Mix) und mein Schätersky (Schäferhund-Terrier-Husky-Mix) sind die besten Hunde, die man sich vorstellen kann. Ich möchte sie genau so haben, wie sie sind. Und nicht anders. Vor einiger Zeit habe ich gehört, wie sich zwei Besitzer von Hunden derselben Rasse unterhielten. Über die vielen nur guten Eigenschaften dieser Rasse und speziell der eigenen Hunde. Diese Leute leben anscheinend mit Heiligen zusammen. Und ich frage mich, wie sie sich dabei fühlen. Ganz ehrlich, ich würde mich schrecklich fühlen! Denn ich bin selbst alles andere als perfekt. Manchmal bin ich unsicher. Manchmal bin ich genervt und wütend. Manchmal esse ich zu viel Schokolade. Meine Hunde lieben mich trotzdem.

In einer Gesellschaft, die einem häufig das Gefühl gibt, perfekt sein zu müssen, werden wir von unseren Hunden bedingungslos akzeptiert, mit allen unseren Fehlern. Sind wir ihnen nicht das Gleiche schuldig?

Wie können wir Perfektion erwarten? Wie können wir uns anmaßen, andere Lebewesen designen zu wollen, als wären sie Modeartikel? Bitte legen Sie an dieser Stelle eine Minute der stillen Besinnung ein, in der Sie über die Überheblichkeit der menschlichen Spezies nachdenken.

Zurück zu meinen beiden Straßenmischlingen. Ähm, Designerhunden.

Einmalige, höchst wertvolle Exemplare. Mit vielen wundervollen Eigenschaften. Lauflie Mia ist der ruhigste, entspannteste Hund, den man sich vorstellen kann. Durch nichts aus der Ruhe zu bringen. Bleibt immer gelassen. Auch wenn sie auf der Straße steht. Und gerade ein Auto kommt. Und ich sie dringlichst rufe. Schaut sie mich mit diesem Blick an. Der sagt: „Mach nicht so einen Stress. Das Auto wird schon bremsen.“ Dann kommt sie. In ihrem Tempo. Das leider nicht besonders schnell ist. Von ihr lerne ich, was es heißt, sich nicht von seiner Umgebung unter Druck setzen zu lassen. Und dass Hunde in Straßennähe an der Leine am besten aufgehoben sind. Trotzdem habe ich von ihr nicht so viel gelernt wie von Schätersky Kalle. Man werfe die Neigung zum eigenständigen Handeln des Huskys, den Schutztrieb des Schäferhunds und das Hau-drauf-Temperament des Terriers in einen Topf, rühre gut um und würze das ganze mit einem guten Schuss Ängstlichkeit, die von Erlebnissen im Welpenalter herrührt. Das Ergebnis lässt in Sachen Lernerfahrung nichts zu wünschen übrig. In fremder Umgebung überwiegt die Ängstlichkeit. Ich lerne, unbeirrbar voran zu gehen. Und wie sehr Hunde vertrauen können. Kalle ist mutiger, als ich es je sein werde. Auch ist er wahnsinnig aufmerksam. Reagiert auf die kleinsten Veränderungen meiner Körpersprache. Lässt sich mit kleinsten Gesten und Blicken, oft sogar durch Gedanken lenken. Und er reagiert auch auf die kleinsten Veränderungen in der Umgebung.

Ein Auto fährt vor unserem Haus vorbei? Das muss man Frauchen unbedingt mitteilen. Lautstark! Auf einem Spaziergang kommt ein Mensch oder anderer Hund in Sicht? Sofortiger Handlungsbedarf! Durch Erstarren und einen Blick in die relevante Richtung zeigt er mir den Gegenstand seiner Beunruhigung an. Dann muss ich eine Entscheidung treffen, was zu tun ist, und sie ihm mitteilen.

Und zwar schnell. Sonst entscheidet er nämlich selbst! Und die Konsequenzen so einer Schätersky-Entscheidung sind für keinen der Beteiligten angenehm. Ich lerne immer aufmerksam zu sein. Entscheiden, ohne zu zögern. Und dann hinter dieser Entscheidung zu stehen. Auch wenn sie dem Herrn Schätersky gerade nicht passt. Und dann sind da noch die Momente im eigenen Revier, am Zaun mit dem Nachbarshund auf der anderen Seite. Reine, ungehemmte Wut. Ansprechbarkeit gleich Null. Nur Knurren, Adrenalin und schnappende Zähne. Hier lerne ich, dass man Wut nicht mit Wut bekämpfen kann. Nur ruhiges, standhaftes Dagegenhalten hilft.

Dass Hunde nicht nur Schmusetiere sind, sondern auch Raubtiere. Dass Aggression dazugehört, die wir so gerne ausblenden und unterdrücken. Und dass auch nach der heftigsten Auseinandersetzung Versöhnung möglich ist.

Dass die Verbindung zwischen meinen Hunden und mir so stark ist, dass sie jedem Streit standhält. Ist das nicht schön?

Ich gebe zu, dass insbesondere Kalle nicht zu jedem Menschen in jeder Lebenssituation passen würde. Aber ich bin überzeugt, dass jeder im Tierheim einen Hund finden kann, mit dem er sich so gut versteht wie meine Hunde und ich. Vielleicht ist es ein Labweiler oder ein Staffmatiner oder ein kleiner Zwergschnauckel. Oder einfach der bekannte Lastrami. Viellleicht auch einer der vielen Schäferhunde und sogenannter Kampfhunde, die nur wegen ihrer Rassezugehörigkeit übersehen im Tierheim festsitzen. Alle diese Hunde sind sicher nicht perfekt. Dafür sollten wir dankbar sein. Denn Perfektion bedeutet das Ende des Lernens. Doch Lernen ist Entwicklung und Entwicklung ist Leben.

Ein Gastbeitrag von Nora Weickgenannt

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