…dressieren nicht, sondern beraten in Erziehungsfragen.
Der Hund ist ein soziallebender, territorial orientierter Beutegreifer mit sexuellen Bedürfnissen. Natural Dogmanship®(ND) ist eine auf diese natürliche, biologische Grundlage fundierte Betrachtungsweise auf das Tier Hund. Dies hat Konsequenzen für die Prinzipien, die in der Erziehung des Hundes eine Rolle spielen sollten.
Erziehung sollte Entwicklung im Vorteil des zu Erziehenden sein. So würde z.B. jedes Lebewesen ganz biologisch von seinen Elterntieren das natürliche Nahrungserwerbsverhalten anhand des Prinzips des sozialen Lernens entwickeln können. Der zu Erziehende lernt also, was er oder sie gerne lernen möchte. Er hat eine intrinsische Motivation und braucht von den Eltern nicht extrinsisch motiviert zu werden. Die längst überholten, aber in der Hundeszene noch immer populären, Lerntheorien von Skinner und Co. haben nichts mit Erziehung zu tun. Belohnung z.B. dient lediglich dazu ein Lebewesen das tun zu lassen, was andere möchten dass er tut. Dies hat nichts zu tun mit einer persönlichen Entfaltung oder Akzeptanz der Persönlichkeit des anderen. ND geht davon aus, dass soziale Lebewesen Eltern als Vorbild brauchen. Auch der Hund in einer Menschenfamilie braucht uns Menschen als Ersatzeltern und Vorbild, womit er sich identifizieren kann, denn seine biologischen Eltern stehen ihm in der Regel nicht mehr zur Verfügung. So formt die normale Pädagogik (mein früherer Job) die Hauptbasis von ND.
Zudem kommen Erkenntnisse aus der Soziologie zum Tragen. z.B.
Zudem beschreibt die Soziologie den Unterschied zwischen einer primären sozialen Beziehung (familiäre Beziehung mit gleichen Zielen, Verbindlichkeiten und parentaler Verantwortung) und einer sekundären Beziehung (Geschäftsbeziehung mit Produktorientierung, Bezahlung/ Belohnung nach erbrachter Leistung). Aus der Psychologie kommen die Erkenntnisse der Bindungsforschung innerhalb ND zum Tragen.
Nicht, sowie in der Hundeszene noch oft gedacht, baut die Handfütterung eine sichere Bindung von Hund zum Mensch auf. Das bieten von Sicherheit und Geborgenheit wozu auch die Bedürfnisbefriedigung zählt, kombiniert mit einer Bereicherung für das Individuum, indem es von der Bezugsperson lebenspraktische Fertigkeiten erlernt. Aber auch Kontext bezogen und somit für das Individuum nachvollziehbare Grenzen setzen können, führen zu einer sicheren Bindung von Hund zum Menschen.
Environmental und Behavioral Enrichment (EBE)
Aus der Zoobiologie und Ethologie kommt das sogenannte „Environmental und Behavioral Enrichment“ kurz „EBE“ genannt. Hierbei wird wie folgt unterschieden in:
1. Ermöglichen des natürlichen Nahrungserwerbsverhaltens (Foraging Enrichment)
Das Suchen, Bejagen und Erbeuten des Preydummy®, einen mit der Mahlzeit gefüllter Futterbeutel, spielt hier für den Hund eine große Rolle.
2. Soziale Bereicherung (Social Enrichment)
Die Bezugsperson spielt hierbei natürlich die Hauptrolle. Die sichere Bindung und die Elternrolle der HundehalterIn
3. Lernen und Fertigkeiten üben (Learning and Training)
Da innerhalb von Natural Dogmanship® das soziale Lernen eine zentrale Rolle einnimmt, wird dies in
Kooperation mit der Bezugsperson getan. Das Gelernte sollte zudem aus Perspektive des Hundes immer sinnvoll sein, damit es kein stumpfsinniges Üben wird.
4. Umfeld-Bereicherung (Habitat Enrichment)
Die erlernten Fertigkeiten werden in unterschiedlichsten Umfeldern implementiert. Innerhalb, sowie außerhalb des Wohnumfeldes des Hundes, wird er mit vielen Änderungen konfrontiert, damit er flexibel und somit anpassungsfähig bleibt, aber auch damit die Aktivität als solches interessant bleibt und nicht zu unsinnigen Wiederholungen führt.
5. Erkunden neuer Objekte (Novel Object Enrichment)
Innerhalb des gemeinsamen Jagdersatzes werden neue Objekte (ähnlich wie bei Jagility) als Herausforderung eingebaut. Oft werden diese Komponenten in Zoos leider getrennt voneinander betrachtet und angeboten. Natural Dogmanship® geht hier einen ganzheitlichen Weg und versucht alle 5 Komponenten ineinandergreifend zu praktizieren. Nicht zuletzt sind es die neuesten neurobiologischen und neurophysiologischen Erkenntnisse, die die bis jetzt beschriebene Basis von ND nochmals sehr klar bestätigen. So ist ND eigentlich Neurokyonagogik© (Erziehung des Hundes auf neuro-biologischer und pädagogischer Grundlage).
ND ist als solches keine Trainingsmethode. Vielmehr führt das bereits beschriebene zu ethisch verantworteten Prinzipien im Umgang mit dem Hund und zu einer Moral, die von dem altmodischen behavioristischen Training, wobei das Leckerchen dann gegeben wird, wenn der Hund ein Verhalten im Sinne des Trainers zeigt. Gefragt wird hierbei nicht, ob dieses Verhalten auch im Sinne vom Hund ist, oder ob der Trainer sich im Sinne des Hundes verhält. Das Verhalten wird hierbei mehr und mehr anhand erbrachter Leistung beurteilt. Dies steht symbolisch für eine sekundäre Beziehung. ND ist also geeignet für Menschen, die ihrem Hund eine primäre soziale Beziehung und eine sichere Bindung zur Bezugsperson als Elternersatz gönnen. Da alle Hunde soziallebende, sicherheitsliebende (Territorialität) Beutegreifer sind, passt ND als Erziehungsphilosophie für jeden Hund.
Menschen sollten sich Gedanken machen, dass der Hund der Beziehungsfrager innerhalb der Mensch – Hund Beziehung sein darf. Der Mensch, da Elternersatz, sollte der Beziehungsspender sein.
Der Mensch sollte den Hund also etwas zu bieten haben, dass an sein eigenes inneres Konstrukt anknüpft. Er sollte also lernen dürfen, was er gerne lernen möchte und was aus seiner Sicht sinnvoll ist. So wird auch der Mensch für ihn als sinnvoll abgespeichert. Er sollte dieses Erlernte innerhalb unterschiedlichster Umgebungen implementieren dürfen, damit die gleiche Beschäftigung für ihn ständig interessanter gestaltet werden kann. So wird es bei dem Hund eine intrinsische Motivation geben und er muss nicht mit einem Leckerchen oder Spielzeug bestochen werden. Extrinsisch motivieren müssen, wirkt demotivierend! Hunde, die wegen Stressreizen in der Umgebung gehemmt sind, aber eigentlich doch auch intrinsisch motiviert, können durch Ermutigung von dem Erzieher/ErzieherIn vielleicht über ihren Schatten springen lernen und somit persönlich Wachsen. Wenn ein Hund also eindeutig kein Interesse hat, sollte der Mensch dem Hund die Aktivität nicht abverlangen. Der Mensch würde die primäre soziale Beziehung auflösen und keine Interessengemeinschaft mehr mit dem Hund formen.
Professionelle HundeerziehungsberaterInnen vermitteln und verwenden diesen aktuellen wissenschaftlichen Erkentnisstand in ihrer beratenden Tätigkeit für Menschen mit Hund!
Ein Gastbeitrag von Jan Nijboer von www.natural-dogmanship.de
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