Wer verpasst hat, der muss es sehen, den stern tv Bericht von dieser Woche. Da wird im deutschen Fernsehen fast zur Primetime über Qualzuchten diskutiert und natürlich sofort ein Mops vorgestellt.
Ich muss zugeben, ich bin ein Fan von Rassezucht, ich bin fasziniert und schon heute gefangen.
Aber beginnen wir vorn. Es geht um Zucht, ein Thema, das jeden Hundehalter früher oder später gefangen nimmt oder völlig kalt lässt, weil er sich um Papier sowieso nicht schert. Papier ist geduldig. Papier spielt nicht mit mir, Papier bringt kein Stöckchen, es ist loyal, denn es ist aus Stöckchen gemacht.
Es gibt keine Objektivität
Ich hoffe, bete schon fast, dass die Hundewelt diesen Beitrag -so tendenziös er sein mag- gesehen hat. Objektiv war das nicht. Aber es sollte uns zum Nachdenken anregen. Hier werden jede Woche Hunderassen vorgestellt, in keiner Beschreibung, inklusive meiner eigenen, wird die jeweilige Rassenzucht angeprangert. Man möchte es sich mit den Vereinskollegen ja nicht verderben und vielleicht beim gleichen Züchter seinen nächsten Champion oder wenigstens seinen nächsten Hunde kaufen dürfen, ohne dass man vom Hofe gejagt wird.
Wohin führt die Rassezucht?
Aber eigentlich müssten wir genau das tun. Hinterfragen wir doch einmal die heutige Rassenzucht. Was ist herausgekommen?
Beagle, die faul und fett auf dem Sofa liegen, mit ihrer Nase auf der Jagd nichts anzufangen wissen. Bulldoggen, bei denen nur noch das Bull im Namen daran erinnert, dass sie jemals mit Kühen zu tun hatten, die heute nicht mal mehr den Gang um eine Kuh herum unbeschadet überleben würden. Möpse, die naja, noch nie eine ernsthafte Aufgabe hatten, die heute kaum mehr Luft kriegen, weil wir das Kindergesicht so süss finden und dieser Hund gerade so wunderbar in Mode ist.
Perversion der Rassestandards
Das Ganze wird in meinen Augen pervertiert durch eine Zuchtbestimmung, die eine Farce ist. Natürlich geben alle Mopszüchter an, dass ihre Möpse gesund seien, sie hätten schliesslich den Fitnesstest bestanden. Dieser Fitnesstest würde Lotte und mir nicht einmal zum Einlaufen dienen. In zehn Minuten einen Kilometer laufen, Lotte und ich machen das in sieben Minuten, wenn nur ich laufe und in sechs, wenn Madame sich dazu herablässt mitzuziehen.
Es geht ums Geld
Warum testet denn keiner dieser armen Biester auf ihre Atemfrequenz danach? Jeder, der röchelt, wie eine alte Dampfmaschine wird aussortiert, die Atemfrequenz wird verglichen mit einem ähnlich grossen Hund mit normaler Nase in gleicher Geschwindigkeit. Dann wäre die Zuchtgrundlage aber blitzartig dezimiert.
Auf so etwas kommen die Damen und Herren nicht, man könnte ja den eigenen Champion, der pro Decksprung locker 800-1`000€ bringt, verlieren.
Aber die Möpse sind ja nur die Spitze des Eisbergs, trotzdem ein gutes Beispiel.
Labrador Retriever, die keine Ente mehr aus dem Bach ziehen können, weil sie einfach nicht mehr wissen, dass Wasser ihr Element sein sollte, sind die nächsten. Schauen Sie sich nur mal den Crufts Reserve Best in Show Champion 2013 an, der Hund kann nur schwimmen, weil Fett oben bleibt. Aber der Kopf ist wunderschön! Labbis sind Hunde, die ein bisschen fester sind, aber sie müssten nicht aussehen, wie eine Heulboje.
Das System pflanzt sich selbst fort
Solange Richter am Tisch stehen und richten, die den Hund am besten bewerten, der am nächsten dem Standard entspricht, so lange wird es Rassehundezucht geben, die fern jeder Vernunft ist. Es wird Hunde geben, wie diese armen Schäferhunde, die kaum noch laufen können, Möpse, die kaum noch atmen können. Weil der Standard, ein am Reissbrett entworfener Hund, den es zu dem Zeitpunkt nicht gab, nachgeifert wird. Das ist ungefähr so, als wollte ich Barbie werden. Wissenschaftler gehen davon aus, dass eine unter 100`000 Frauen, eine Barbie-ähnliche Figur hat.
Wie wäre es mit Augenmaß
Wenn nun also Richter mit Augenmass richten würden, Möpse durch den Ring jagen würden und diejenigen, die danach noch atmen, bewerten, wenn Doggenrüden nicht mindestens 80 Zentimeter, sondern auch „nur“ 68 Zentimeter gross sein dürften, weil dann die riesigen Mädels nicht mehr ganz so riesige Welpen werfen würden, die dann mit acht nicht schon aussähen, wie kleine Hunde mit sechzehn. Dann wäre Hunden und deren Besitzern geholfen. Wer möchte seinen Hund schon mit acht Jahren über die Brücke gehen lassen?
Ich plädiere ganz offen für mehr Augenmass, dafür, dass Hunde, die vielleicht nicht hundert Prozent perfekt, aber gesund sind, zur Zucht zugelassen werden. Damit würde sich der Genpool nach und nach wieder verbreitern, es gäbe mehr Durchmischung. Die Diskussion um Inzuchtkoeffizienten könnte sich ein für alle Mal erledigen, es gäbe genug Auswahl, man könnte mit den gesündesten der gesunden Hunde züchten.
Keine Magermodels, keine Barbie, sondern vertretbare Standards!
Ich hoffe auf eine neue Generation Hundezüchter, die sich gegen den Barbiehund verwehrt und sich auf alte Werte zurückbesinnt, auf alte Formen, die die neuen Formen und deren krankmachende „Schönheit“ auf ein normales Mass zurücknehmen. Die sich in ihren Vereinen stark machen für einen vertretbaren Standard.
Ich wünsche mir, dass nur einer unter 100`000 Hunden genau so aussieht wie das Ideal und die anderen 99`999 trotzdem eine Chance haben bei Germanys Next Topmodel zu gewinnen, weil sie einfach das gewisse Etwas haben, das diesen Hund zu einem Botschafter für die Rasse werden lässt. Auch wenn seine Ohren nicht bis zum Nasenspiegel reichen.
Ein Kommentar von Alica Junker
Beitragsbild:Ralf Krampe (Piktor08). Original uploader was Piktor08, Quelle: Wikimedia Commons // creative commons CC-BY-SA