„Nike & wir – Was wir von unserem Hund über das Leben und die Liebe lernten“ ist ein etwas anderes Hunde-Buch. Verfasst von Dr Hans Jellouschek & Bettina Jellouschek-Otto, zwei der bekanntesten Paartherapeuten im deutschsprachigen Raum bietet dieses Buch einen ganz eigenen Einblick auf Hunde. Sie zeigen auf, wie Hunde im Hier & Jetzt leben, indem sie äußerst (manchmal zu) klar auf ihre Bedürfnisse hinweisen und uns Menschen helfen, wieder zu uns selbst und zu unserem Partner zu finden: mithilfe von Nähe, manchmal auch respektvoller Distanz, durchaus auch mal Eifersucht – stets durch das Einhalten von Ritualen…
Anbei eine Leseprobe des ersten Kapitels „Was brauchen wir zum Leben? Grundbedürfnisse von Mensch und Tier“.
Raus an die frische Luft
Menschen gehen oft mit sich selbst und ihren Partnern weniger »human« um, als sie es mit ihrem Hund tun. Mit unserer Hündin Nike ist es selbstverständlich, weil einfach nötig, mindestens zweimal am Tag ins Freie zu gehen. Das ist bedeutsamer, als man im ersten Moment denken mag. Wir Menschen vergessen nämlich wegen unserer meist städtisch geprägten Lebensweise, die zudem häufig eine vorwiegend »sitzend« in geschlossenen Räumen ist, nur allzu leicht: Unser Körper und unsere Seele brauchen frische Luft, Bewegung und moderate Anstrengung, abgesehen davon, dass gemeinsame Spaziergänge zu dritt, die unsere Hündin immer wieder anregt, auch eine wichtige, entspannende und anregende Funktion für unsere Paarbeziehung haben. Sollten wir mal von uns aus nicht daran denken, macht Nike uns morgens und am Nachmittag unmissverständlich darauf aufmerksam. Sie stellt sich vor uns hin, wedelt mit dem Schwanz und läuft zur Tür, und das mehrmals hin und her, bis wir begriffen haben. In der Hundesprache, so ist unschwer zu erkennen, heißt das: »Hallo, ich muss aber jetzt endlich raus!« Was wir dem Hund zugestehen, sollten wir uns doch auch selber gönnen, oder nicht?
Natur neu erleben
Spaziergänge mit Hund bringen etwas sehr Schönes und Bereicherndes mit sich, das möglicherweise in Vergessenheit geraten war, nämlich ein neues Naturerleben – man kann wiederentdecken, worauf man vielleicht seit seiner Kindheit nicht mehr geachtet hat: Die Natur in ihren verschiedenen Facetten wird für unser Erleben wieder lebendig. Wenn der Hund an Baumstämmen schnuppert, achtet man wieder auf die Bäume, bemerkt, wie sie im Frühjahr frisches Grün ansetzen und sich die Blätter im Herbst langsam verfärben und abfallen. Oder wenn Nike sich beispielsweise vor Vergnügen in der frisch gemähten Wiese oder im Neuschnee wälzt, werden wir wieder aufmerksam auf den Wechsel der Jahreszeiten mit all ihren Attraktionen. Wir sehen, wie die Natur sich ständig verändert, gerade wenn wir täglich mehr oder weniger denselben Weg laufen. Ja, und man muss raus, auch wenn man von sich aus »bei dem Wetter« auf keinen Fall rausginge, und man bemerkt zum eigenen Erstaunen: Auch ganz tiefer Nebel, ja sogar Regen oder eisige Kälte haben ihren eigenen Reiz, ihre Faszination, die man ohne Hund wahrscheinlich kaum noch entdecken und beachten würde.
Zeit für Ruhe?
Was das Ruhebedürfnis angeht, erleben wir unsere Hündin Nike als ziemlich autonom. Sie liebt es ja sehr, von einem von uns gestreichelt zu werden. Wenn wir dies tun, zum Beispiel am Abend, während wir gemütlich beisammensitzen, kann es sein, dass sie sich abrupt erhebt, wenn sie schläfrig wird und zu ihrem Korb im Vorraum marschiert, sich hinlegt und einschläft. Sie spürt, dass sie jetzt Schlaf braucht, und handelt sofort. Da stellt sich uns die Frage: Wie oft übergehen wir eigentlich unser Ruhebedürfnis? Es ist da, aber nehmen wir es wahr, nehmen wir es ernst? Die vielen Stress-Symptome, denen wir heutzutage begegnen, haben sehr häufig auch darin ihre Ursache, dass viele Menschen nicht mehr darauf achten, dass sie Schlaf, Entspannung, Abschalten brauchen. Sie lassen sich ständig von äußeren und inneren »Antreibern« jagen und bringen dieses Grundbedürfnis nicht mehr zur Geltung, bis womöglich ein Zusammenbruch Ruhe und Entspannung erzwingt. Man kann hier natürlich sagen: Hunde gehorchen ihrem Trieb, die können das gar nicht steuern – im Unterschied zu uns Menschen. Zweifellos müssen und können wir Menschen die Erfüllung unserer Bedürfnisse, zum Beispiel auszuruhen, manchmal aufschieben. Aber damit geraten wir oft an unsere Grenzen, verlieren aus dem Blick, was wir zu unserer Erholung brauchen, und welche Bedürfnisse wirklich wichtig sind.
Das Essen nicht vergessen
Zu den menschlichen Grundbedürfnissen gehört natürlich auch das Bedürfnis nach Nahrungsaufnahme. In zweifacher Hinsicht kann ein Hund auch hier zu unserem Lehrer werden. Manche Menschen nehmen sich gar nicht mehr die Zeit zum Essen. Sie vergessen schlicht ihren Hunger, weil sie von der Erledigung ihrer Pflichten so gefangen sind, dass sie Grundvoraussetzungen für die Alltagsbewältigung nicht mehr beachten. Oder sie stopfen irgendwann zwischendurch im Vorübergehen schnell irgendetwas aus dem Kühlschrank in sich hinein, ohne zu spüren, was sie da eigentlich verzehren. Sie versagen sich damit das – womöglich gemeinsame – Vergnügen einer Mahlzeit. Nicht über unseren Hunger hinwegzugehen, das lehrt uns ein Hund, denn seinen Hunger vergisst er ganz sicher nicht, und wenn er uns mit Jaulen oder Winseln darauf aufmerksam machen muss: Ich brauche jetzt endlich etwas! Auch wir sollten wieder lernen, klarer darauf zu achten, was wir brauchen, um ein gutes Leben zu führen, dann können wir innehalten und, wo nötig, unser Verhalten korrigieren.
Der innere Schweinehund
Allerdings sind Hunde darauf programmiert zu fressen, was da ist, auch wenn es objektiv zu viel ist. Unsere Nike ist, weil wir uns zu sehr nach ihrem immerwährenden Fressbedürfnis gerichtet haben, zu dick geworden, und das hat sich auf ihr Aussehen, auf ihre Beweglichkeit, letzten Endes auch auf ihre Lebendigkeit und damit Zufriedenheit negativ ausgewirkt. Ich lasse mich leicht durch ihren treuherzigen und mir dann so bedürftig erscheinenden Blick »herumkriegen«, auch wenn ich im Kopf weiß: Jetzt ist es genug! Warum Nike mehr isst, als ihr guttut? Das liegt sicher an ihrer Stammesgeschichte: Hunde als Rudel und Raubtiere mussten fressen, was es gerade gab. Sie mussten sich, wann immer es ging, vollfressen, damit sie in Zeiten, in denen es nichts zu fressen gab, auf ihre Reserven zurückgreifen konnten. Bei Hunden wie Nike, die als Haustiere immer an der Nahrungsquelle sitzen, müssen wir also darauf achten, dass sich Fressen und Bewegen die Waage halten. Bei uns Menschen ist das übrigens ähnlich: Gerade wenn Menschen nicht gelernt oder wieder verlernt haben, wie viel Nahrung sie brauchen, laufen sie Gefahr, über das gute Maß hinaus zu viel zu essen. Nicht selten tritt dieses Phänomen auch dann auf, wenn sie nicht auf einen geregelten Ess-Rhythmus achten: Dann brechen plötzlich Hunger oder Gier hervor und lassen alle vernünftigen Grenzen und Einsichten in den Hintergrund treten. So wie es also wichtig ist, das Bedürfnis des Hundes in Grenzen zu halten, wenn uns an seinem Wohlbefinden etwas liegt, ist es nötig, auch uns selber und unseren Kindern klare und eindeutige Grenzen zu setzen. Mir ist das gerade mit unserer Nike sehr deutlich geworden. Hunde können uns helfen, das »Animalische« in uns zu erkennen und anzuerkennen: Als Erinnerung an unsere grundlegenden animalischen Bedürfnisse oder an »unseren inneren Schweinehund«, den zu bändigen und zu zähmen wir zuweilen auch die Hilfe anderer brauchen.
Fazit
„Nike und wir“ ist eine liebevolle Hommage an Hunde, die nichts glorifiziert und dennoch in allen Lagen das Wunderbare an einem ständigen, treuen Wegbegleiter unterstreicht – mit all den positiven Rückkopplungseffekten für uns selber!
Lesenswert!
Mehr lesen? Kaufen!
Das Buch „Nike & wir“ kostet 14,95 Euro und ist erschienen im Verlag Fischer & Gann, Munderfing 2017. Es ist u.a. auch bei amazon erhältlich.
Buchcover: Shutterstock, Eric Isselee
Bild & Quelle: Gesine Beran, Turin, Italy // Verlag Fischer & Gann