Swantje Rost ist Ernährungsberaterin für Hunde und wird regelmäßig mit einer Vielzahl unterschiedlicher Meinungen über die richtige Ernährung von Hunden konfrontiert. Hier berichtet sie für uns von ihren persönlichen Top 6 Mythen rund um das Thema Futter und Ernährung.

Frag vier Hundehalter und du bekommst 17 verschiedene Meinungen darüber, was das Beste für den Hund ist. Ehrlich gesagt bin ich mir nicht sicher, ob die Frage nach dem besten Hundetraining oder die Diskussion über die korrekte Fütterung mehr Kontroversen hervorruft. Oder vielleicht beides – gleich nach der Debatte darüber, ob das Geschirr richtig sitzt und die Krallen nicht zu lang sind.

Eines steht fest: Das Thema Hundeernährung bringt die Gemüter zum Kochen, und jeder hat eine Meinung – ungebeten und kostenlos natürlich. Manche sind fest davon überzeugt, dass ihre Meinung die einzig wahre ist, oder zumindest, dass die von Gabi von nebenan auf keinen Fall richtig sein kann. Also, Zeit aufzuräumen: Hier sind die häufigsten Mythen, die mir in der Welt der Hundefütterung immer wieder begegnen.

 

1. Kohlenhydrate füttern? Niemals, nie und auf keinen Fall – oder doch?

Warum genau Hunde angeblich keine Kohlenhydrate fressen sollten, weiß niemand so richtig. Die Anhänger der „Wölfe-fressen-keine-Nudeln“-Theorie sind fest davon überzeugt, dass unser domestizierter Vierbeiner sich auch ernährungstechnisch am wilden Wolf orientieren sollte. Und in Zeiten von Glutenunverträglichkeiten scheint es naheliegend, das Risiko gleich ganz zu umgehen, auch wenn nicht alle Kohlenhydrate überhaupt Gluten enthalten. Aber sicher ist sicher.

Die Fakten sehen allerdings anders aus: Hunde sind keine reinen Fleischfresser (Carnivoren). Sie sind allerdings auch keine Allesfresser (Omnivoren) wie Schweine, Menschen oder übrigens auch Waschbären, können aber Kohlenhydrate problemlos verdauen. Kohlenhydrate sind vor allem eines – leicht verdauliche Energielieferanten, die den meisten Hunden auch noch hervorragend schmecken.

Gerade für spezielle Ernährungsbedarfe, wie bei Leber- und Nierenpatienten, trächtigen Hündinnen oder Sporthunden mit hohem Energiebedarf, sind Kohlenhydrate eine wichtige Ergänzung. Sie liefern schnell verfügbare Energie und sollten daher keinesfalls pauschal verteufelt werden.

 

2. Nass- und Trockenfutter niemals gleichzeitig füttern? Wirklich?

Das Argument dafür ist schnell zur Hand: Beide Futterarten sollen unterschiedliche Verdauungszeiten haben. Eine interessante Theorie – wenn man dieser Logik folgt, dürfte man aber auch keine Rohfütterung praktizieren. Schließlich haben die verschiedenen Innereien, Knochen sowie der Obst- und Gemüseanteil auch alle unterschiedliche Verdauungszeiten. Ganz zu schweigen von Kauartikeln, die aus Bindegewebe bestehen. Man müsste einen Zeitplan aufstellen, um sicherzugehen, dass diese vollständig verdaut sind, bevor das Abendessen gefüttert wird.

Wer hat schon Zeit für einen solchen Vollzeitjob als Essensplaner für den Hund? Tatsache ist: Es spricht nichts dagegen, einem gesunden Hund Nass- und Trockenfutter gleichzeitig zu geben – vorausgesetzt, er verträgt beides gut. Die Verdauung deines Hundes kommt damit klar, auch wenn manche Mythen etwas anderes behaupten.

 

3. Mein Hund bekommt nur laktosefreie Milchprodukte

Lassen wir mal den Fall außen vor, dass jemand seinem Hund täglich ein Glas Vollmilch hinstellt. Reden wir lieber über realistischere Szenarien: etwas Joghurt auf der Schleckmatte, ein Löffel Quark auf dem Trockenfutter oder der Becher Hüttenkäse in einem Blech selbstgemachter Muffins.

Ja, es stimmt: Die Fähigkeit, Laktose zu verdauen, nimmt bei Hunden mit zunehmendem Alter ab – also nein, ein Glas Milch ist wirklich keine gute Idee. Aber das bedeutet nicht, dass alle Milchprodukte tabu sind. Einem gesunden Hund kann problemlos Käse, Joghurt oder Quark gefüttert werden, denn diese Produkte sind nicht nur leicht verdaulich und eine gute Proteinquelle, sondern werden auch sehr gerne gefressen.

 

4. Ich füttere meinem Hund kein Geflügel, weil das Allergien auslöst

Futtermittelallergien bei Hunden scheinen manchmal der neueste Trend zu sein. Für die betroffenen Hunde und ihre Besitzer ist es eine echte Tortur, aber für den Rest der Welt bleibt es oft ein Thema voller Spekulationen und Halbwahrheiten, bei dem jeder irgendwie mitreden kann und will.

Es stimmt, dass man immer häufiger von Hunden hört, die auf Geflügel allergisch reagieren oder es zumindest nicht gut vertragen. Aber das liegt nicht daran, dass Huhn besonders allergen ist. Der wahre Grund? Geflügel – oft speziell Geflügelfett – steckt in unzähligen Futtermitteln und Leckerlies. Und Allergien entwickelt man nur gegen Stoffe, mit denen man oft in Kontakt kommt. Daher ist eine Allergie gegen Huhn oder Rind sehr viel wahrscheinlicher als beispielsweise gegen Zebrafleisch. Oder Strauß. Daher gilt, je häufiger ein Protein gefüttert wird, desto wahrscheinlicher ist eine Reaktion.

Pferdefleisch wird übrigens häufig in Ausschlussdiäten verwendet, weil es erstens meistens noch nicht gefüttert wurde und zweitens eine andere Proteinstruktur aufweist, als Geflügel und Rind. Die Wahrscheinlichkeit einer Kreuzreaktion ist somit geringer. Trotzdem kann ein Hund auch gegen Pferdefleisch allergisch sein oder auch ganz simpel gegen die gefütterte Kohlenhydratquelle.

 

5. Hunde dürfen kein Schweinefleisch fressen, das ist gefährlich

Schweinefleisch als geächtetes Produkt in der Hundeernährung – ein weit verbreiteter Mythos. Viele Menschen glauben, dass Schweinefleisch per se schlecht oder sogar giftig für Hunde ist. Doch der Hauptgrund für diese Skepsis liegt in einem Virus: Rohes Schweinefleisch kann das Aujeszky-Virus übertragen, das für Hunde tödlich ist. Auch wenn das Virus im Hausschweinbestand in Europa ausgerottet ist, sollte man dieses Risiko tatsächlich vermeiden. Da das Virus beim Erhitzen über 55°C inaktiv wird, kann Schweinefleisch jedoch problemlos durchgegart verfüttert werden.

Schweinefleisch ist eine hochwertige Proteinquelle und enthält wertvolle Nährstoffe, gegart ist es genauso sicher wie Rind oder Huhn.

 

6. Ein hoher Proteingehalt im Futter ist immer besser

Es hält sich hartnäckig die Aussage, dass ein hoher Proteingehalt im Hundefutter automatisch die beste Wahl ist. Schließlich heißt es auch in der Werbung immer “hoher Fleischanteil” als Qualitätsmerkmal.

Richtig ist, dass Proteine essenziell für die Muskelentwicklung, das Immunsystem und die allgemeine Gesundheit deines Hundes sind, ein Übermaß an Protein kann jedoch durchaus nachteilig sein. Bei Hunden mit Nieren- oder Leberproblemen verursacht ein zu hoher Proteingehalt zusätzliche Belastungen. Zudem ist nicht nur die Menge des Proteins wichtig, sondern auch dessen Qualität und Verdaulichkeit. Ein ausgewogenes Verhältnis von Proteinen, Fetten und Kohlenhydraten ist entscheidend, um die individuellen Bedürfnisse deines Hundes zu erfüllen.

Und nicht zuletzt aus ethischen und ökologischen Gründen: Es ist einfach nicht notwendig, einen so hohen tierischen Anteil zu verfüttern, denn die meisten Hunde sind mit Proteinen deutlich überversorgt.

 

Fazit

Zusammenfassend kann man sagen, dass die Welt der Hundeernährung oft von Mythen, Besserwissereien und Missverständnissen geprägt ist. Die verbreiteten Vorstellungen, dass Kohlenhydrate für Hunde schädlich sind, Nassfutter und Trockenfutter niemals kombiniert werden sollten, oder dass bestimmte Fleischsorten grundsätzlich vermieden werden müssen, entsprechen nicht immer der Realität oder den wissenschaftlichen Fakten.

Es ist wichtig, sich auf gut recherchierte Informationen zu stützen und immer und zuerst die individuellen Bedürfnisse jedes einzelnen Hundes zu berücksichtigen.

Eine ausgewogene und schmackhafte Ernährung, die den spezifischen Anforderungen und Vorlieben deines Hundes gerecht wird, ist der Schlüssel zu seiner Gesundheit und seinem Wohlbefinden. Lass dich nicht von allgemeinen Mythen und Trends leiten, vertraue manchmal einfach auf dein Bauchgefühl oder auf Menschen, die sich wissenschaftlich mit dem Thema auseinandergesetzt haben. Konsultiere bei Unsicherheiten einen Tierarzt oder einen spezialisierten Ernährungsberater, um sicherzustellen, dass dein Hund die bestmögliche Versorgung erhält, denn viele Heilungsprozesse lassen sich durch die Ernährung unterstützen. Und ganz wichtig: Lass dich nicht verrückt machen vom Hundehalter nebenan oder der flüchtigen Gassibekanntschaft, sondern hinterfrage kritisch, auch die zuvor genannten Berufsgruppen und mache dir dein eigenes Bild.

 

Autorin: Swantje Rost