Als wir vor rund 10 Jahren unseren ersten Hund Alpha, einen 7 Monate alten Parson Jack Russell-Rüden, bekommen haben, hatte ich eigentlich keine Vorstellung von Hundeerziehung und –haltung. Für mich bedeutete das damals: ausreichend Futter, viel Spielen und kurze Gassirunden zum „Entsorgen“.
Der Züchter, der ihn uns damals vermittelte, riet aber dringend zum Besuch eines Hundekurses (?!)
Ich lernte schnell, dass das bei einem Hund, insbesondere einem unkastrierten Terrierrüden, nicht ausreicht! Ausufernde Unwissenheit und Flexileine schlugen erbarmungslos zu und der Pimpf fiel bereits beim ersten Kurs unangenehm auf: Der wollte „nicht nur spielen“, sondern einfach ALLE jagen und unterwerfen! Manche Übungen im Rahmen des Agilities beherrschte er par excellence und machten ihm auch Freude, aber sobald ein anderer Rüde auftauchte, kam es schon mal vor, dass er kläffend vom Barren purzelte. An anderen Kurstagen – wenn er dann mit rund 20 weiteren Hunden „Platz machen“ sollte, führte er sich auf, wie ein Berserker und es machte absolut keinen Spass – abgesehen von den Blicken, die man erntete…..
Irgendwann wurden auch die Spaziergänge zum Spießrutenlauf und nach einer schweren Beißerei (dafür konnte er aber wirklich nichts!) geriet alles außer Rand und Band!

Wir haben ALLES an Tipps und Hilfsmittel probiert: Obedience, Leckerlis, Klicker, Hundepfeife, Schütteldose, Wurfkette, Wasserflasche, Ab- und Umlenken incl. Sprayhalsband etc.

Nach ausgiebigem Studium aller aufzutreibenden Bücher wusste ich : Wir haben einen PROBLEMHUND!!!

Auch der souveräne Zweithund konnte seine Unsicherheit nicht bekämpfen

Dazu hatten wir uns eine Rottweilerhündin (Stacy) ausgesucht, die nahtlos, nach der Welpenspielstunde mit ihren Geschwistern, mehrere Hundekurse mit Bravur absolvierte.

Das Verhalten vom Terrier änderte sich dadurch aber nicht, denn er musste ja jetzt auch noch auf die „Kleine“ aufpassen.
Wir versuchten die Beiden mit Bällchenspielen auszupowern. Dabei apportierte der Rotti sehr gerne und gab auch aus. Unser Alpha behielt die Beute aber gerner für sich und ließ diese nur gegen ein anderes Tauschobjekt (also Futter!) aus.
Das Ergebnis dieser Aktion waren zwei Balljunkies, ein beuteaggressiver Terrier und ein Rottweiler mit gebrochenem Sesambein!

Eine professionelle Verhaltensberatung sollte die Lösung bringen. Im Rahmen eines Hausbesuches machte sich die Trainerin zunächst ein Bild vom Verhalten der Tiere im Haus und auch im Umgang mit uns (Ja, die Hunde gingen ohne Erlaubnis auf’s Sofa!). Danach gingen wir unsere übliche Gassirunde und die Trainerin war zunächst überrascht, wie nah sich die Hunde in unserem Umkreis aufhielten!? Danach begegneten wir auch noch Alpha’s „Feind“ und sie versuchte, mit verschiedenen Tricks ihn abzulenken. Insgesamt fand sie ihn aber eigentlich gar nicht „so schlimm“. Das mit dem Ballwerfen sollten wir in ein „kontrolliertes Abwarten und Apportieren“ umwandeln. Ein paar Tage später machten wir sogar mit ihr und anderen Teilnehmern einen Hundespaziergang und Alpha benahm sich, nach anfänglichen Schwierigkeiten . vorbildlich – er war in seinem Element, denn wir machten den Spaziergang durch das Suchen von Gegenständen abwechslungsreicher!

Dadurch inspiriert, haben wir einen weiteren Kurs besucht. Als wir zur „Trümmerfeldsuche“ erschienen, zischelte es noch „der Alpha kommt“ und alle freilaufenden Hunde wurden sofort angeleint. Dann zeigte der kleine Kerl aber was in ihm steckt und er suchte und zeigte „Handy“ und „Schlüssel“ und tat für seine Leckerlis alles! Während dieser Übungen brauchte Alpha keine Leine und war nur auf sein Herrchen fixiert! Er war ein echter Vorführhund und die Trainerin war begeistert!

Unser braves Rottweilermädchen Stacy erkannte den Sinn der ganzen Suche nicht, und gab nach kurzer Zeit trotzig auf. Sie war ziemlich schnell überfordert und begann zu hecheln – hätte sie doch lieber die anderen Teilnehmer, die so unordentlich herumstanden, auf eine Seite getrieben!

Double-Trouble

zwei Hunde im Busch

Bild & Quelle: Patricia

Weiterhin waren die Spaziergänge für mich alleine mit zwei Hunden immer noch ziemlich anstrengend, zumal die Hunde die meiste Zeit an der Leine bleiben mussten. Man traf immer wieder auf andere Hunde – und ich hatte zwei: Einer wollte begrüßen und der Andere beißen!
Ich war angespannt und unsicher und es machte wieder keinen Spaß.

Zuhause versuchten wir mit ein paar Spielchen die Hunde zu beschäftigen: wir packten Futter in Päckchen und ließen die Hunde danach suchen, wir machten einen Agility-Parcour im Wohnzimmer und liefen über Matten und Teppiche usw.

Danach besuchte ich nochmals einen Trainer, der mir helfen sollte, den Spaziergang mit zwei Hunden zu meistern. Die ganze Familie machte mit und wir gingen lange Zeit – mehrmals die Woche – zum Kurs. Außer dem Spaziergang mit anderen Hunden wurde weiter Gehorsam geübt, abgerufen unter Ablenkung, und wir machten Agility usw.

Durch eine langwierige Verletzung unserer Stacy haben wir den Kurs dann beendet.

Trinity

drei Hunde auf dem Sofa

Bild & Quelle: Patricia

Zwischenzeitlich haben wir jetzt den dritten Hund, ein Schäfer-Windhund-Mix aus dem Tierheim: Ängstlich und nicht sozialisiert. Hier war vor irgendeinem Training erst mal Vertrauensaufbau gefragt.

Wenn wir fast alleine unterwegs und in freier Natur sind, lebt sie auf und freut sich ihres Lebens. Sobald Menschen mit oder ohne Hund auftauchen, beginnt der Stress und sie wird total hektisch und versucht zu fliehen. Dann lässt sie sich auch mit Leckerlis nicht ablenken. Zwischenzeitlich setzt sie sich, wenn es für sie zu anstrengend ist. Auch musste sie das „Spielen“ erst richtig lernen und sie liebt die wilden Fangspiele mit uns Menschen.
Das wurde uns anfangs, als sie noch ziemlich neu bei uns war, zum Verhängnis! Damals löste sich der Karabiner vom Halsband und sie war frei!!!!!! Auf einer Wiese in der Nähe des Waldes mit ausreichend Rotwild. Wir hatten Glück, dass sie nicht sofort davonlief und bereits auf ihren Namen reagierte, aber einfangen konnten wir sie nicht. Stacy fing bereits zu jammern an, weil sich Terry nicht zum Zurückkommen bewegen lies.
Kurz vor Nervenzusammenbruch (es wurde bereits dunkel!) schaute ich, was Alpha gerade machte: Es interessierte ihn überhaupt nicht, was gerade so abging. Daraufhin beschäftigte ich mich mit ihm und begann auf der Wiese etwas zu suchen. Kurze Zeit später war Naseweis Terry neben mir und ich konnte sie gerade noch am Halsband schnappen.

Ich lese immer noch Alles, was mir zum Thema Hund in die Finger kommt und bemühe mich, für meine Tiere „interessant“ zu bleiben – nicht nur durchs tägliche Füttern.
Ich habe gelernt, dass es nicht DIE Erziehungsmethode für einen Hund gibt und bereue manche Fehler, die ich als Anfänger an meinem armen Alpha gemacht habe – dabei liebt er uns immer noch abgöttisch!

Ich habe aus und mit meinen Hunden gelernt, dass Alles nur Sinn macht, wenn man wirklich dazu bereit ist und auch ein Ziel erreichen will – das ist Arbeit und kommt nicht von alleine. Ohne Mühe, Anstrengung und auch mal Rückschritte und Misserfolg geht eben gar nichts!. Daran hat aber niemand Schuld und es muss auch niemand frustriert sein. Unabhängig davon muss man seinen Hund und dessen rassespezifische Neigung (die trotz Züchtung zum Familienhundes noch da ist!) kennen und berücksichtigen.
Mir fällt auf, dass Alpha gar nicht anders kann und manchmal einfach nicht alleine aus seiner Aufregung heraus kommt. Ich helfe ihm aber nicht, wenn ich auch noch schreie oder hysterisch werde. Dann ist es einfach besser, ruhig weiterzugehen.
Unsere Rottweilerhündin hat ganz andere Anlagen: Sie sucht zwar ab und zu gerne was, will aber lieber hüten und treiben. Bleibt einer beim Familienspaziergang hinten zurück, läuft sie als Letzte und treibt ihr Rudel vor sich her.
Will ich den Terrier aufmerksam machen, heißt das Kommando „Such“ – will ich, dass mir mein Rotti folgt, sag ich „Hol ihn“ und sie ist bei mir. Auch der Befehl „Schau“ wird von Beiden unterschiedlich ausgeführt: Kann mich der Rotti stundenlang „anglühen“ ohne dabei Probleme mit „Dominanz“ zu bekommen, musste der Terrier den Blick erst üben und schaute zunächst (wie eine alte Schreibmaschine) hin und her. Auch der „Neuzugang“ Terry kann schon kurz schauen – leckt dann aber gleich entschuldigend übers Maul.
Eine notwendige Korrektur fällt beim Rottweiler mal etwas lauter oder fester aus, der Terrier hält das locker aus (denn der entscheidet selbständig, ob es die Sache Wert ist, überhaupt zu folgen!), aber bei Terry gerät schon bei etwas lauterer Ansprache die Welt ins Wanken.

Grundsätzlich macht ein Hundespaziergang aber für alle viel mehr Spaß, wenn man kleine Übungen einbaut. Sind diese im „Genpool“ des Hundes schon verankert, ist ein schneller Erfolg vorprogrammiert!

Und: Egal, wie kurz der Spaziergang mal ausfällt, man sollte sich voll und ganz auf den Hund konzentrieren – nicht auf’s Handy…

Nachtrag:

Heute morgen ließ sich unsere Terry das erste Mal mit Futter ablenken und sprang während des gesamten Spaziergangs freudig auf mich zu, sobald ich ihren Namen rief. Sie hatte zudem gemerkt, dass man manchmal auf dem Boden nachschauen muss, wenn was runterfällt….Das hat ihr wohl Alpha beigebracht, der sich in dieser Sache als absoluter Profi hochgearbeitet hat. Er schafft es unter den beiden Mädels durchzuschießen um blitzschnell nach dem Leckerli zu beißen, wie es sich keiner sonst trauen würde.
Ja, und das passierte alles heute morgen, nach fast einem Jahr im neuen Zuhause.

Ein Gastbeitrag von Patricia

Beitragsbilder & Quellen: Patricia