Ursprünglich verwandt mit vielen alten langhaarigen Hirtenhunderassen Europas, ist die Heimat des Bergamasker Hirtenhundes die Provinz Bergamo in der Lombardei in Italien.
Die Geschichte des Bergamasker Hirtenhundes
Hier hat er sich durch seine enorme Arbeitsfähigkeit, seine Intelligenz und Wachsamkeit bereits im 15. Jahrhundert bei Schäfern und Bauern unentbehrlich gemacht und wird auch heute noch zur Führung und zum Schutz von Schaf- und Rinderherden eingesetzt.
Auf den Wanderungen mit der Herde brauchten die Hirten einen intelligenten, selbständigen, robusten, wetterharten und genügsamen Hund. Er hatte die Herde zu führen, war aber auch ein wichtiger Gehilfe bei der Trennung einzelner Tiere aus der Herde oder dem Zurückbringen verirrter Tiere (Hütehunde – Arbeit). In der Nacht übernahm er die Funktion eines Wachhundes und verteidigte seine Herde gegen zwei- und vierbeinige Diebe (Herdenschutzhundearbeit).
Ein Hund für lange, einsame Tage
Wochenlang durchzogen der Hirte und seine Tiere die Alpen, ohne jemandem zu begegnen, mit dem einige Worte gewechselt werden konnten. In dieser Einsamkeit war es selbstverständlich, dass der Hund als Gesprächspartner in die Lücke sprang. Der Hirte und sein Hund lösten aufkommende Probleme, jeder auf seine eigene Art, wohlwissend, dass der eine ohne den anderen nicht existieren konnte. Eine innige Freundschaft verband die zwei, ja man darf ruhig sagen, sie waren zwei gleichwertige Partner!
Entsprachen jedoch die Eigenschaften eines Hundes nicht den Vorstellungen des Hirten, indem er z.B. streunte, jagte oder raufte, wurde er kurzerhand und ohne „wenn und aber“ ins Jenseits befördert.
Eine vollendete Zucht
Durch diese rigorose Zuchtauswahl entwickelte sich langsam der Bergamasker Hirtenhund, wie wir ihn heute noch kennen. Die Hirten brachten es fertig, einen Hund zu züchten, der seine hervorragenden Eigenschaften bewahren konnte. Auch heute noch trägt der Bergamasker das Erbgut seiner Vorfahren in sich, in dem er die Fähigkeit besitzt,
selbständig richtig zu handeln.
Nebst einem einwandfreien Charakter legten die Hirten großen Wert auf ein wetterfestes, dickes Fell, das den Hund vor Kälte, aber auch vor Hitze und Schlangenbissen schützen soll.
Es kann angenommen werden, dass das Äußere, wie auch der Charakter durch das Umfeld geformt wurden, in dem die Hunde gelebt haben. Das lange Zottelfell, wie es heute meist gesehen wird, ist aber eher eine „Erfindung“ unserer Zeit. Ein solcher Hund hätte die geforderte harte Arbeit niemals verrichten können. Die Hunde wurden kurzerhand bei der Schafschur mitgeschoren – bis zum nächsten Winter war das wärmende Fell ausreichend nachgewachsen.
In Italien verrichten noch heute einige Bergamasker ihre Arbeit bei der Herde. Die Arbeitsweise des Bergamaskers gegenüber z.B. derjenigen des Border Collies ist sehr verschieden. Der Bergamasker Hirtenhund umkreist seine Herde fast in „Tuchfühlung“.
Ausbrechende Tiere werden mit dem für den Bergamasker typischen Schulterstoß zur Herde zurück bugsiert.
Nur sehr selten wird auch mit der Schnauze energisch nachgeholfen.
Charakter
Inzwischen ist der Bergamasker aber auch ein gefragter Familienhund mit einer ausgesprochenen Kinderverträglichkeit, dessen Qualitäten sich hoffentlich auch immer mehr herumsprechen! Mit anderen Hunden ist er sozialverträglich; kennt er von klein auf verschiedene Tierarten, egal ob Katzen, Hasen oder Pferde, wird er sich auch mit diesen problemlos vertragen.
Mit seinem geselligen und ausgeglichenen Wesen erweist sich der kräftige Naturbursche als liebenswerter Gefährte. Er liebt seine Menschen von Herzen und geht eine feste Bindung mit ihnen ein. Richtig glücklich ist er, wenn er am täglichen Familienleben teilhaben und seine Menschen möglichst immer und überall hin begleiten darf. Dies ist bei guter Erziehung auch problemlos möglich! Eingesperrt in einen Zwinger oder an die Kette gelegt und getrennt von seiner Familie würde er sein ruhiges, freundliches Gemüt und sein ausgeglichenes Wesen verlieren und verkümmern.
Leider ist der Bergamasker mittlerweile bereits vom Aussterben bedroht.
Weltweit leben noch ungefähr 2000 Bergamasker, wovon nur rund 200 zur Zucht eingesetzt werden. Das „Monitoring Institute for Rare Breeds and Seeds in Europe“ hat den Handlungsbedarf für die Erhaltung des Cane da Pastore Bergamasco als besonders akut eingestuft, in Deutschland ist er als einziger ausländischer Hund bei der GEH, der Gesellschaft zur Erhaltung alter Haustierrassen, gelistet.
Erziehung
Der Bergamasker Hirtenhund lässt sich gut erziehen, will aber spielerisch und motivierend gefördert werden. Härte verträgt er nicht und Kadavergehorsam wird man von ihm, da er bei der Arbeit richtig mitdenkt, nicht verlangen können. Durch eine liebevolle, konsequente Erziehung arbeitet er auch gerne und erfolgreich in allen Bereichen mit. Egal, ob beim Hundesport wie z.B. Agility, als Rettungshund, Begleithund, Therapiehund, Blindenhund, Reitbegleithund, Dogdancing etc.
Er liebt es, für seinen Menschen zu arbeiten, Aufgaben zu lösen und will gefordert werden.
Pflege
Nebst seinem außergewöhnlichen Charakter fällt der Bergamasker Hirtenhund meist durch sein rustikales Zottelfell auf. Dieses besteht in den vorderen Körperpartien aus rauerem Deckhaar (Ziegenhaar). Im hinteren Bereich dominieren Unterhaar und Wolle, welche, wird der Hund nicht gekämmt, sich ineinander vermischen und zu Zotteln verfilzen. An Ausstellungen sind nur Bergamasker mit dem urtümlichen Zottelfell zugelassen, da dieses ein typisches Rassemerkmal darstellt. Verzottelt Möchte man dieses typische Zottelfell bei seinem Bergamasker haben, darf der Welpe außer an Kopf, Schulter und Rute nicht gekämmt werden.
In seinem zweiten Lebensjahr (mit ca. 15 Monaten) verfilzt der Hund unter dem langen Welpenhaar in größeren Platten über den ganzen Körper. Diese Filzplatten werden nun in 3-4 cm breite Zotteln von außen nach innen bis zum Haaransatz geteilt.
Beim fertig verzottelten Hund beschränkt sich die Fellpflege darauf, nach jedem Fellwechsel die Zotteln wieder bis auf die Haut zu teilen. Der Kopf bis zu den Schultern sowie die Rute werden gekämmt, wie es im Standard vorgesehen ist. Die Zotteln werden regelmäßig in die gewünschte Länge gekürzt, damit der Hund in seiner Bewegungsfreiheit nicht eingeschränkt wird.
Gekämmt
Selbstverständlich kann das Fell des Bergamaskers auch gekämmt oder durch Scheren kürzer gehalten werden, man sollte ihn nur von Anfang an an diese Tätigkeiten gewöhnen. Auch wenn sich dabei das Aussehen verändert und vom Standard abhebt, am einzigartigen Charakter ändert sich damit nichts! Sicher kann auch die Verbreitung der Rasse vom gekämmten Bergamasker profitieren, denn einen so zotteligen Hund, der vom Spaziergang in seinen Zotteln von Tannennadeln über Laub und Sand allerlei aus der Natur mit nach Hause nimmt, in der Wohnung zu halten, ist nicht jedermanns Sache.
Da der Bergamasker seine Unterwolle gemeinhin nicht verliert – entweder er verzottelt oder man kämmt monatlich ca. 100 Gramm Unterwolle aus – ist er sogar bedingt für Allergiker geeignet.
Erscheinungsbild
Der Bergamasker ist ein mittelgroßer Hund mit rustikalem Aussehen und üppiger Behaarung in allen Körperbereichen.
Meine eigenen Erfahrungen mit Bergamaskern
Mein Leben lang von Hunden – Jagdhunden – begleitet und sowohl in meinem Beruf als Tierärztin als auch im privaten Bereich bei Verwandten, Freunden und Bekannten fast ständig von Hunden umgeben, war ich doch irgendwie immer auf der Suche nach dem „perfekten“ Hund für mich. Mittelgroß, Flaschenbürstengesicht (wie die Deutsch Drahthaar Vorstehhunde in meinem Elternhaus) unbedingt, weil ich das wunderschön finde, aber bitte ohne Jagdtrieb (ich hatte auch einen Jagdterrier…!), anhänglich, freundlich, unproblematisch, Familienhund – und als Reitbegleiter zu verwenden. Und definitiv keinesfalls eine Moderasse!
In einem Buch über Reitbegleithunde („Reiter, Pferd und Hund: Der Weg zum Team: Verständigung – Ausbildung – Umgang“ von Inge Röger-Lakenbrink, Verlag Müller-Rüschlikon) lachten mich dann ein paar Bilder eines Hundes an, der entfernt wie ein Irischer Wolfshund aussah: „Der isses doch!“. Da die Autorin die Hunderassen, die sie als geeignete Reitbegleithunde ansieht, freundlicherweise gelistet hat, war im Ausschlußverfahren – alle anderen Rassen waren mir bekannt- klar, daß die Fotos Abbildungen von einem Bergamasker Hirtenhund sein mußten.
Meine Rassehundebücher zeigten mir unter dieser Rasse lediglich ungepflegte Zottelmonster und sofort verstand ich, warum ich diese Seiten tunlichst überblättert und diese Hunderasse nicht wirklich wahrgenommen hatte. Nach der Erkenntnis, daß man es aber ganz offensichtlich selbst in der Hand hat, aus den doch sehr rustikalen Naturburschen optisch ansprechende Vierbeiner zu zaubern, begann ich mich mit der Rasse näher zu beschäftigen. Damals, vor über zehn Jahren, gab es praktisch noch keine „Bergis“, wie sie liebevoll genannt werden, in Deutschland, aber ich hatte das Glück, auf einer kleinen Zuchtschau des Klubs für Ungarische Hirtenhunde einer jungen Hündin (der legendären Wally) zu begegnen. Die innere Ruhe der damals 13 Monate alten Hündin inmitten des Trubels einer Hundeschau, ihre unglaubliche Freundlichkeit meiner zehnjährigen Tochter gegenüber und ihr hinreißendes Äußeres (sie war noch nicht verzottelt) verzauberten mich völlig. Ab diesem Moment war klar – diese und keine andere Rasse sollte es werden!
Gut Ding will Weile haben
Es gingen noch acht Jahre ins Land, bis ich mir meinen Traum vom eigenen Bergamasker erfüllen konnte. Mein Mann wollte keinen zweiten Hund und unsere Menagerie daheim umfaßte zu dem Zeitpunkt einen Hund, drei Pferde, drei Katzen und zwei Kaninchen. Außerdem galt es, ihn von der Rasse zu überzeugen, was bei der Menge der Zottelhundefotos, die Google ausspuckt, kein einfaches Unterfangen war….. Erst im Herbst 2011 – einige unserer geliebten Vierbeiner waren im Laufe der Zeit über die Regenbogenbrücke gegangen – konnten wir unsere Bergamasker Hirtenhündin „Ascania Cielostellato“, kurz „Asca“, ins Haus holen.
Warum ich den Bergamasker Hirtenhund liebe
Sie ist genau der Traumhund, den ich mir immer gewünscht habe. Abgesehen davon, daß sie nicht mal als Welpe destruktiv war oder Unsinn gemacht hat, war sie unglaublich leicht zu erziehen. Keinem anderen Hund würde ich das Attribut „höflich“ zugestehen. Sie begleitet mich nahezu überall hin, folgt mir zu Hause wie zufällig von Zimmer zu Zimmer, ist im Stall und bei allen Ritten dabei und – interessanterweise – bei Besuchen von Pferdemessen, Mittelalter- oder Weihnachtsmärkten absoluter Hinkucker und Publikumsliebling.
Momentan mache ich mit Asca eine Ausbildung zum Therapiehund und die Idee, mit ihr zu züchten, um einen Beitrag zu leisten, daß diese wunderbare Hunderasse nicht ausstirbt, wird immer konkreter.
Ein Gastbeitrag von Dr. Corinna v. Gagern, Heroldstatt
Alle Bilder & Quellen: Dr. Corinna v. Gagern