Es erscheinen so viele Bücher mit einem Bezug zu unserem besten Freund, dem Hund. Darunter einige Perlen – die wir Euch vorab präsentieren wollen. Heute „Amor kommt auf Hundepfoten“ von Katja Doubek, mitsamt einer Vorstellung des Hintergrunds durch die Autorin.
Hintergrund der Geschichte
Die Statistiken besagen, dass jedes Jahr etwa 500.000 Tiere ausgesetzt werden, davon erschreckende 70.000 in der Ferienzeit.
Für viele von ihnen ist das der Beginn einer traurigen Leidenskarriere, die bestenfalls im Tierheim endet.
MANCHE HABEN GLÜCK IM UNGLÜCK und finden ein neues Zuhause. So auch die beiden Mischlings-Geschwister, auf deren Geschichte das Buch AMOR KOMMT AUF HUNDEPFOTEN beruht.
An einem heißen Samstag im Juli werden zwei Welpen im Süden Italiens ausgesetzt. Auf der Suche nach Futter und Wasser verlieren sie sich. Wenig später werden sie unabhängig voneinander von tierlieben Menschen aufgenommen. Die kleine Hündin lebt fortan sehr behütet bei einer alleinstehenden Frau. Der Rüde führt eine freie Stromer-Existenz, geliebt und beschützt vom Besitzer der örtlichen Bar.
Wie durch ein Wunder treffen die Tiere sich wieder. Ab sofort sind sie unzertrennlich. Durch ihre ungewöhnlich innige Beziehung und die Beharrlichkeit, mit der sie beieinander bleiben wollen, bringen es die beiden Beagle-Terrier-Mischlinge zu Lokal-Prominenz im Städtchen und bringen ihren Besitzern das Glück.
Amor kommt auf Hundepfoten – die Leseprobe
Geliebt zu werden, macht uns stark. Zu lieben macht uns mutig. (LAOTSE)
Auf dem Parkplatz unterhalb der historischen Altstadt, sitzen zwei kleine Hunde und hecheln verängstigt. Der Rüde ist forscher als seine Schwester. Instinktiv sucht er Schutz vor der brennenden Sonne. Auf wackeligen Pfoten, die Ohren angelegt, schleicht er in den Schatten eines geparkten Autos. Seine Schwester zögert einen Moment, dann folgt sie ihm. Die Tiere ähneln einander. Dunkles Fell auf dem Rücken, hellbraun die Seiten, die Beine. Brust, Pfoten und Schwanzspitze sind weiß, die Augen rehbraun, die Knopfnasen schwarz. Jetzt sind die Nasen grau, trocken. Durch Hitze und Übelkeit im Auto haben die Welpen gefährlich viel Flüssigkeit verloren. Die kleine Hündin drückt sich im Schatten an die schützende Mauer des Parkplatzes.
Der Rüde erkundet seine Umgebung. Erst mit Blicken, dann mit zaghaften Schritten. Er wird hier nicht verdursten. In der Mitte des Parkplatzes steht eine Trinksäule. Das steinerne Becken ist zu hoch und von der Sonne ausgetrocknet. Der Rüde schnuppert, sucht, schnuppert wieder. Hoffnungslos. Hier gibt es zwar Wasser, aber nicht jetzt und nicht für ihn. Seine Schwester kauert noch immer an der Mauer.
Mit wedelndem Schwanz versucht er, sie zu animieren, ihm zu folgen. Sie hat Angst. Die Furcht vor dem Ungewissen ist größer als Hitze, Durst und Hunger.
Ihr Bruder wird wiederkommen. Schon auf dem Hof war immer er es, der alles ausgekundschaftet hat und dann zu ihr zurückkam. Sie rührt sich nicht vom Fleck.
Ein Wagen kommt die Straße herauf. Der Fahrer sieht den jungen Hund, der ihm den Weg auf den Parkplatz versperrt, hupt. Vom unerwarteten Geräusch erschrocken, sucht die Hündin zitternd Deckung unter einem parkenden Auto. Der Rüde macht einen Satz und hetzt den Berg hinauf in Richtung Altstadtplatz.
Die kleine Hündin hat ihr Versteck noch nicht verlassen. Fenster werden geöffnet, Türen. Menschen betreten die Straße, den Parkplatz. Fremde, bedrohliche Geräusche nähern sich. Autos und Motorräder werden abgestellt. Es stinkt nach Benzin. Der Welpe unter dem Auto hat Hunger, unerträglichen Durst und Angst. Immer wieder knallen Raketen. Ihr Bruder ist nicht wieder aufgetaucht. Alles ist fremd. Furcht erregend. Plötzlich neben dem Auto ein Duft, der die Schrecken überlagert. Mild, weich, frisch. Die kleine Hündin kann nicht anders. Sie streckt die Nase nach vorne. Sie sieht Schuhe und den Saum eines langen, weiten Rockes. Die Hundenase bebt. Seife, Creme und – Katze! Katzengeruch, wie ihn die kleine Hündin vom Hof, aus dem Stroh kennt. Dort hat sie mit jungen Kätzchen gespielt. Der vertraute Geruch lockt.
Zwei, drei, vier mutige Schritte. Die kleine Hündin sitzt statt unter dem Auto unter einem fast bodenlangen Rock. Wie in einem Zelt, einem wohlriechenden Zelt. Sie schaut sich um. Zwei Füße, die in Wildlederstiefeln stecken. Sie hebt den Kopf. Was sie entdeckt, lässt sie für einen Moment Angst, Hunger und Durst vergessen. Die Stiefel haben Fransen. Fransen sind etwas sehr Interessantes. Wenn man sie leicht mit der Nase anstupst, bewegen sie sich. Die Füße bewegen sich nicht. Von oben, weit oberhalb der Füße, dringt eine angenehme Stimme in das Rockzelt. Eine Frauenstimme.
Die kleine Hündin wendet sich wieder den Fransen zu. Diesmal nicht mit der Nase. Diesmal mit einer Pfote – sehr zart, sehr vorsichtig, aber nicht zart und vorsichtig genug. Die Frau bemerkt den Stups, lüpft den Rock und tritt einen Schritt zurück. «Ja, wo kommst du denn her? Was machst du denn da unter meinem Rock?» Sie beugt sich leicht nach vorne, spricht leise, ganz sanft. Die kleine Hündin empfindet die Situation dennoch als äußerst bedrohlich. An Flucht ist nicht zu denken. Überall Motorräder und Menschenbeine. Das Einzige, was hilft, ist: TOTALE UNSICHTBARKEIT! Sie kneift die Augen zusammen und wendet den Kopf ab. Das mit der Unsichtbarkeit klappt nicht. Die Frau spricht noch immer mit ihr. Und dann – Schreck lass nach! Geht sie in die Hocke und streckt ihre Hände aus. Menschenhände! Menschenhände haben das Tier vor wenigen Stunden brutal von der Mutter gerissen, grob in einen Kofferraum befördert und noch gröber auf die Pflastersteine dieses Parkplatzes geworfen. Die kleine Hündin hat keinerlei Bedarf an Menschenhänden. Sie duckt sich, macht sich so klein wie möglich. «Hey, Hundebaby, vor mir brauchst du dich nicht zu fürchten. Ich tue dir ganz sicher nichts Böses.» Wieder ist die Stimme zart und sanft – fast ein Flüstern. Vielleicht lohnt es sich, ein Auge halb zu öffnen … Es lohnt sich. Das halbgeöffnete Hundeauge sieht ein freundliches Gesicht, eine Brille, einen blonden Pferdeschwanz. Wenn da nur nicht diese Zupacke-Hände wären. Kurze Fingernägel, Goldringe, aber eben Menschenhände.
«Komm her zu mir. Hör auf zu zittern. Komm, kleiner Mann, ich tue dir wirklich nichts.» Die Frau flüstert Deutsch.
Die kleine Hündin weiß nicht, dass es Deutsch ist. Aber wie jedes Jungtier und Menschenkind trägt sie alle Sprachen dieser Erde in sich und ahnt, was sie nicht versteht. Hier droht keine Gefahr.
Sie öffnet beide Augen. Die Frau bietet ihre Hand zum Schnuppern. Seife, Creme, Katze und ein bisschen Zwiebel, aber vor allem eine Geste der Freundschaft.
Die kleine Hündin lässt sich den Kopf streicheln, hinter den Ohren kraulen. Und dann geschieht es. Mit festem Griff packt die Frau den Welpen und hebt das überraschte Tier hoch. Die kleine Hündin windet sich, strampelt und schlägt verzweifelt den Kopf hin und her. Es hilft nichts, die Frau hat sie fest im Griff. Sie drückt den Welpen an sich und flüstert unaufhörlich. Leise, schnelle Worte. Sie verspricht Fressen, Wasser, Liebe, Fürsorge, erzählt von einem Garten mit Bäumen, in deren Schatten man auch die größte Sommerhitze gut aushält. Doch so schön die Worte auch klingen, die kleine Hündin will sie nicht hören. Sie will nicht auf diesem Arm sein.
Sie will nicht von Menschenhänden gepackt und festgehalten werden. Sie will zu ihrer Mutter. Sie will zu ihrem Bruder. Die Frau erweist sich als sanft, aber unbeirrbar.
Zielstrebig verlässt sie den Parkplatz und wendet sich nach links, Richtung Altstadt.
Text zu Hintergrund & Leseprobe freundlicherweise von der Autorin Katja Doubek und Hanna Biresch vom Rowohlt Verlag.
Alle Bilder & Quellen: Katja Doubek