Eigene Erfahrungen mit meinem Rudel, von Beata Petry.
Ein Rudel
Ich benutze der Einfachheit halber den Begriff „Rudel“ und meine damit eine von Menschen zusammengestellte Hundegruppe, die zusammen in einem Haushalt lebt. Unsere „Rudel“ sind Gruppen, die willkürlich von dem Menschen, der sie zu sich holt, zusammengestellt werden und miteinander leben und auskommen (müssen), sie haben keine andere Wahl. Das ist etwas anderes als ein Wolfsrudel, welches aus einen Familienverband besteht und entsteht und die Tiere entscheiden.
Hunderudel sind wie Puzzle: nur wenn die Teile passen, ensteht ein Ganzes!
So eine Hundegruppe besteht ja nicht nur aus möglicherweise verschiedenen Rassen, die alle ihre Rasseeigenschaften mitbringen. Auch bei Hunden gleicher Rasse, so wie bei unserem Rudel existieren völlig verschiedene Bedürfnisse, die durch die unterschiedlichen Charakteren Alter und Prägung bedingt sind.
Und die Hunde bringen auch noch eine Kinderstube mit, die -wie bei meinem Bajado- sehr sozial-und reizarmarm gewesen sein kann, so dass es ängstliche und unsichere Hunde sind.
Oder Hunde, die eine gute Kinderstube hatten, in der sie mit allem vetraut gemacht wurden, was man für ein gutes und soziales Hundeleben braucht – so wie meine anderen Hunde. Und dann gibt es ja auch Hunde, die ein schlimmes Vorleben hatten.
Oder, dass ein Rudel -wie bei uns- noch einen Gasthund beherbergt, der mal länger da ist und dann auch wieder mal fort ist. Zu guter letzt gibt es auch second-hand-Hunde, wie unsere Greta. Second-hand-Hunde sind noch mal wieder eine andere Kategorie, weil sie ein Vorleben haben und haben deshalb in meinem Forum (www.sshforum.de) auch eine eigene Rubrik mit dem Namen „Warum die Erziehung bei einem second-hand-Hund manchmal anders läuft“.
Rangordnung und die Rolle des Menschen
In jedem Hunderudel gibt es einen Hunde-Boss und eine Rangordnung.
Wenn mal mal davon absieht, dass der Mensch der oberste Boss ist, und sein sollte, so ist die Rangordnung, die die Hunde unter sich herstellen, wichtig und muss auch in Handlungen durch den Menschen mit einbezogen werden.
Die Voraussetzung dafür, dass es friedlich, harmonisch, ja sogar sehr liebevoll zugeht, ist, dass sich jeder Hund auf seinem Platz im Rudel wohlfühlt. So dass sie auch auf einer langen Autofahrt so eng miteinander klarkommen:
Zudem sind Aspekte wie
- Sicherheit,
- Vertrauen,
- Respekt
extrem wichtig – die Voraussetzung dafür aber ist die Kenntnis über das Hundeverhalten durch den Menschen. Jeder Hund hat ein anderes Bedürfnis von Nähe zu seinem Kumpel (Individualdistanz) und/oder an die Art des Spielens, an die Art sich mitzuteilen usw.
Ganz besonders deutlich wird dies, wenn Gasthunde sporadisch da sind oder ein erwachsener Second-hand-Hund, der ja ein Vorleben mitbringt, dauerhaft in das Rudel aufgenommen wird.
Der Mensch spielt eine wesentliche -wenn nicht sogar die entscheidende- Rolle, ob ein Rudel funktioniert oder nicht. Sein Wissen über Hundeverhalten, sein Handeln, seine Ausstrahlung und seine Glaubhaftigkeit sind ein entscheidender Faktor für Gelingen oder Scheitern.
Er muss Rudelstrukturen erkennen und einschätzen können, um sie in sein Handeln einzubeziehen.
Die meisten Fehler werden gemacht, wenn Hundebesitzer ihre Tiere zu menschlich zu betrachten: Das geht von
- „der tut mir so leid, deswegen habe ich ihm noch etwas gegeben“, über
- „er darf im Bett schlafen, aber die anderen nicht“ bis hin zu
- „der ist doch immer der Letzte im Rudel“ usw.
Ein anderer Klassiker ist, wenn man den Hundeboss untergräbt, so dass dieser sich immer wieder bemüssigt fühlt, den Rang klarzustellen, was dann zwangsläufig Stress mit sich bringt.
Selbstverständlich ist es möglich, einen Hund, der nicht der Hundeboss ist, zu bevorzugen oder einem anderen Privilegien zuzugestehen, die dem Rudelboss zustehen, wenn ein Rudel stabil ist.
Und es gibt ja auch mal Situationen, in denen ein rangniedriger Hund zwangsläufig vorgezogen werden muss, beispielsweise wenn er krank ist, oder man ihn knuddeln möchte und keinen anderen.
Voraussetzungen für ein stabiles Rudel
Die Voraussetzung für so ein stabiles Rudel sind – aus meiner Erfahrung mit meinem Rudel über 18 Jahre (und nur über die spreche ich ja) – dass sie alle ihren Platz im Rudel kennen/kennenlernen als Welpe und der Mensch Veränderungen im Rudel so frühzeitig erkennt, dass er sich nicht nur darauf einstellen kann (Rudelbossänderung), sondern auch entsprechend handeln kann und dafür sorgt, dass es Sicherheit unter den Hunden gibt.
Das bedeutet auch, Stress, Mobbing und Disharmonie schon im Ansatz zu erkennen und zu wissen, wie man damit umgeht.
Sätze wie: „das machen die schon alles, ich lasse sie machen“, oder „es gibt keine Rangordnung unter meinen Hunden“ hört man immer wieder.
Es mag Hundekonstellationen geben, in denen das mal zufällig funktioniert, aber das hängt sehr stark vom Charakter der Hunde ab: Und so manches Rudel ist aber an diesem Laisser-faire auch schon zerbrochen.
Hundesprache, oder die Frage, warum knurrt der Hund?
Und ganz wichtig ist es auch, Hundelaute einordnen zu können:
so ist Knurren ist nicht gleich Knurren! Das ist extrem wichtig.
Wie oft habe ich schon gehört: „der hat seinen Kumpel angeknurrt und deswegen habe ich ihn erstmal weggesperrt“. Aber auf Nachfragen, warum der Hund geknurrt hat, wie seine Körpersprache dabei war, was die Ausgangssituation und der Grund war, habe ich nicht nur einmal Sätze gehört wie: „weiß ich nicht“ oder „interessierte mich auch nicht“. Die Devise lautet leider allzu oft: „er knurrte, er wird gemassregelt—fertig!“
Viele Fehler werden da gemacht. Knurren ist grundsätzlich erstmal ein „Ausdruck“. Eine „Äußerung“, eine „Mitteilung“. Mehr nicht. Der Grund, warum es erfolgt und wie die Körpersprache dabei ist usw., DAS ERST macht es zur Frage des Umgangs damit.
Ein Beispiel
Meine Hunde lieben es, gemeinsam an einem, zum Spieltau umfunktionierten Bettlaken zu zerren, alle vier! Da wird geknurrt, was das Zeug hält. So sehr, dass ein „lieber“ Mensch einmal sagte: „Deine Hunde verstehen sich ja gar nicht, die knurren immer.“ Auf meine Frage, ob er sie denn mal beobachtet hat, ihre Körperhaltung dabei gesehen hat, gesehen hat, was sie machen, kam die Antwort: „Die sind böse, die knurren…“ Gerade da entstehen die meisten Irrtümer: Ein Hund knurrt oder brummelt einen anderen Hund an im Rudel und somit ist er böse. Warum er das aber gemacht hat, wie seine Körperhaltung dabei war und ob es nur ein „es reicht mir, hau ab“ war, das wird vielleicht gar nicht weiter beachtet und bedacht. Oder nicht zu wissen, dass es ein Spielknurren gibt.
Es ist also nie nur der Laut an sich, der wichtig ist, sondern auch die Körpersprache, die Situation, die Freundschaft, die Reaktion des anderen Hundes, der angeknurrt wird usw.
Oder auch, wie es bei uns der Fall war, zu erkennen, warum ein Hund brummt oder knurrt, obwohl man gar keine Misstimmung unter den Hunden beobachten kann und gar keine Missstimmung besteht. Darauf gehe ich im nächsten Teil ein und beschreibe das an Basti’s Verhalten. Der Weg zu einem harmonierendem Rudel geht über Kenntnis von Hundeverhalten und einer guten Selbsteinschätzung. Und dabei möchten wir im Forum helfen.
Eine gute Hundeschule z.B. lehrt einen Hundebesitzer nicht nur Kommandos und den Umgang mit seinem Hund, sie lehrt auch Körpersprache und Signale zu verstehen. Ich habe es gelernt über das Beobachten meiner Hunde untereinander.
Erziehung des Rudels
Die Grundvoraussetzung für das Händeln eines Rudels ist Erziehung! Jedes einzelnen Hundes! Und eine gute Einschätzung der eigenen Fähigkeiten als Rudelführer. Kommt zu einem Einzelhund ein zweiter Hund dazu, dann sollte der erste Hund schon die Kommandos, die man selber benötigt, kennen und befolgen.
Der Zweithund guckt sich viel vom Ersthund ab, leider nicht nur das Positive, sondern auch Macken oder Erziehungslücken.
Man stellt sich also idealerweise die Frage: „Ist mein Ersthund schon so weit, dass ich mir einen Zweithund zutraue?“
Es gibt Menschen, die sich 2 Welpen ins Heim holen, weil sie sich vielleicht nicht nur für einen aus einem Wurf entscheiden konnten. Grundsätzlich ist das möglich, aber man sollte sich die Frage stellen: wie händel ich das, jeden Welpen auch einzeln zu erziehen, was ist wenn die Pubertät kommt und ich 2 pubertierende Halbstarke an der Leine habe, besonders bei großen, kräftigen und/oder sehr eigenständigen Rassen.
Umgang mit Secondhand-Hunden
Wenn man sich einen „seconhand-Hund“ in sein Rudel holt, der ja ein Vorleben mitbringt und den man manchmal nicht kennt, so wie wir unsere Greta, stellten sich u.a. folgende Fragen:
- Wie ist dieser Hund?
- Ist er leicht zu führen?
- Ist es ein Querkopf?
- Wie sicher sind seine sozialen „Äußerungen“ (wie z.B. Körpersprache)?
- Stellt er die Führung des Rudels in Frage oder fügt er sich ein?
- Wie viel weiß man eigentlich über diesen Hund, wie geht man mit ihm um?
Ist das Wissen vorhanden, dass gerade secondhand-Hunde nicht selten am Anfang den „Ball flach halten“ und sich einfügen ins Rudel und man denkt: passt ja alles, kann so weitergehen.
Nach 3 Monaten oder manchmal sogar länger, je nach Hundecharakter, dreht dieser dann auf zeigt sein „wahres Gesicht“.
Erkennt man das? Wie geht man damit um? Mal ein Beispiel an unserer Greta:
Greta ist ein großer Schweizer Sennenhund. Das ist eine sehr eigenständige und große Rasse, die im Umgang Kenntnis erfordert. Sie kam hier 6-jährig ins Rudel, noch dazu als Epileptikerin. Über die Epianfälle wussten wir nicht viel, außer dass sie Medikamente benötigt und dass sie Anfälle gehabt hat. Auch wurde ich gewarnt, dass sie über „Jagdtrieb“ verfügt; viel mehr wusste ich nicht. Bei der Übernahme war sie ein enorm zurückhaltender Hund, erschöpft von der langen Fahrt
Sie hätte ich nicht aufnehmen können, wenn mein Rudel nicht stabil, sicher und vor allem an mir orientiert gewesen wäre. Die ersten 3 Monate war sie wie ein Schatten im Rudel, sie war da, aber völlig unauffällig. Nach 3 Monaten bekam sie einen Anfall, einen Grand Mal und es war klar, sie hatte ebensolche Anfälle wie Louis. Das bedeutet nicht nur einen Hund im Rudel zu haben, der relativ unbekannt ist, sondern auch, dass man bei einem unbekannten Hund auch die Anfälle händeln muss…im Rudel.
Testen und Rangordnung in Frage stellen ist nicht unnormal
Irgendwann -sie lief inzwischen auch frei und hörte gut- kam auf Zuruf zuverlässig zurück, drehte sie auf: Sie testete mich nach Strich und Faden, hörte nicht (was sie aber sehr gut konnte, wie ich davor festgestellt hatte), rannte z.B. beim Spazierengehen in den Knick, stand im dichten Gestrüpp, wo ich nicht hinkonnte und bellte auffordend. Aufgrund der Beschreibung „mit Jagdtrieb“, machte ich mir natürlich Sorgen, dass sie abhauen könnte. Trotzdem war ich relativ gelassen, weil ich wusste, mein Rudel würde sich an mir orientieren und ging weg mit meinen Hunden. Natürlich hatte ich ein sehr flaues Gefühl im Magen, aber mir blieb keine andere Wahl.
Es war ein zweischneidiges Schwert, auf der einen Seite musste ich sie unbedingt wieder bei mir und unter Kontrolle haben, auf der anderen Seite….was wäre, wenn ich es nicht schaffen würde, durch das Gebüsch zu ihr zu kommen, um sie zu holen und dabei ihr gegenüber „mein Gesicht verlieren“ würde?
Ich hörte sie bellen, wir waren schon ein Stück weg, da kam sie angeschossen. Ich hatte gewonnen, aber das nicht ohne Zittern und Bangen.
Die nächsten Spaziergänge kam sie an die Schleppleine, die nur auf dem Boden schleifte. Wieder kam das erwartete Handeln von ihr bei den Gebüschen. Ich hätte jetzt wieder weggehen können, sie wäre sicher auch nachgekommen, aber bei einem Hund, der einen noch nicht gut kennt, noch nicht im Rudel „angekommen“ ist, ist das ein Risiko, vor allem, wenn Wild auftaucht. Ohne Worte nahm ich die Schleppleine und zog sie da raus. Sie wehrte sich und versuchte alle Tricks, aber zum Glück saß das Geschirr, welches sie trug, fest und sicher. Das verblüffte sie, dass ich sie doch ohne Aufwand da herausbekam. Sie testete mich hauptächlich draußen, im Haus war sie brav. Da kam mir die Erfahrung mit Jule zugute, die ja auch sehr eigen war und die auch Wild hinterherging. Da wir eine Koppel haben, wo sich viele Wildkaninchen aufhalten, konnte ich Greta fortan sehr gut mit in das Antijagdtraining (ganz viel Übung, ganz viel Konsequenz, ganz viel Zeit und ganz viel Beobachtungsgabe) mit einbeziehen und heute lässt auch sie sich abrufen.
Gasthunde
Sind Gasthunde sporadisch im Rudel, hängt es vom Charakter des Gasthundes ab, sowie der Stabilität des Rudel und der Führung durch den Menschen, wie gut oder schlecht das funktioniert. Bringen Gasthunde Unruhe in das Rudel, Stress oder fügen sie sich ein? Stellen sie die Rangordnung in Frage oder mobben sie? Oder werden sie ohne Probleme ein Teil des Rudels, so es wie bei unserer Jule der Fall war. Da ist der Mensch sehr gefordert, das alles zu erkennen und entsprechend zu handeln.
Erziehung des Rudels
Es herrscht oft Uneinigkeit unter Hundehaltern darüber, welche Kommandos ein Hund können soll- Sitz, Platz, Fuß usw. Ich selbst bin der Meinung und mache das auch so, dass ein Hund die Kommandos kennen und können sollte, die man mit seinem eigenen Hund/Rudel zusammen braucht.
Egal, wie viele Kommandos und welche man benutzt, der Hund muss zuverlässig hören und sie befolgen, das ist das Ziel, egal ob das Kommando als Beispiel jetzt, „Platz“ oder „down“ oder „leg Dich“ heisst.
Oder ob es gar kein Platz & Co.braucht , sondern der Hund nur einfach bei einem bleiben soll. Wie jeder das handhabt, ist ja völlig individuell und sollte es auch sein. Entscheidend ist, dass der Hund zum gewünschten Zeitpunkt das ausführt, was er soll.
Das ist gerade bei einem Rudel unerlässlich und wichtig. Stellen Sie sich vor, sie haben 4 große schwere Hunde an der Leine, die das Kommando (bei uns jetzt) „Fuß“ nicht kennen oder/und nicht zuverlässig befolgen. Und dann geraten Sie in eine Situation, wo es brenzlig wird…. Mit leichten Kleinhunden mag das noch zu händeln sein, aber nicht mehr bei 4 großen schweren Hunden. Man denke nur an die Rudeldynamik! Und wie wichtig man selber dabei ist, das beschrieb ich ja schon einmal.
Ein Beispiel vom Hunde-Foto-Shooting
Bei der Abholung von unserem Karlson, wo wir eine 5-stündige Autofahrt hinter uns hatten und die Hunde erst einmal laufen sollten, kamen wir an einen Weg, wo gerade ein Hunde-Foto-Shooting stattfand. Ich hatte 3 sehr aufgeregte Hunde an der Leine und ich wollte da vorbei ohne dass die Hunde Kontakt haben. Wenn das Rudel dann nicht erzogen ist, dann hat man keinen Chance. Erziehung ist wichtig. Erziehung bedeutet aber, dass jeder Hund im Rudel die Möglichkeit bekommt/bekommen hat, langsam und eingehend zu begreifen, was man von ihm möchte. Hundegerecht! Ohne Druck, altersgerecht und konsequent.
Konsequenz, kein Drill!!!! Das ist ein himmelweiter Unterschied!
Ein weiteres Beispiel
Bei uns ist das Kommando „Fuß“ und das Kommando „Halt“ extrem wichtig und das muss sitzen. Auch im Freilauf. Meine Hunde müssen ihren „Fuß“-Platz neben mir kennen und einhalten, jeder hat seinen bestimmten Platz an meiner Seite. Das ist mir sehr wichtig, damit ich im Ernstfall sicher weiß, wo sich jeder Hund befindet und gleich Zugriff auf ihn habe, besonders bei den Junghunden. Das lernen bei mir schon die Welpen, sie lernen es von Anfang an, spielerisch, langsam und stetig.
Wie lernt der Welpe in meinem Rudel?
Damit die neu dazugekommenen Welpen das lernen, nehme ich sie, bevor das Kommando „Fuß“ von mir kommt (die Strecke dafür sollte kurz sein), an eine ganz leichte, längere Leine. Die anderen laufen frei. Dann sage ich das Kommando „Fuß“ und mittels dieser Leine halte ich die Welpen auf Höhe der anderen Hunde. Und wenn man sie dann dabei mal beobachtet, wie der Kopf hin-und hergeht, wie sie die anderen beobachten. Dann weiß man, wie schnell sich Welpen beim erwachsenen Hund etwas abgucken. So sehen sie, wie die anderen sich einordnen und entspannt direkt neben mir laufen und für sie selbst ist das bald selbstverständlich.
Das funktioniert super, aber auch deswegen, weil ich mich auf meine anderen Hunde verlassen kann und nicht da auch gucken muss. Ich kann mich also voll auf den Welpen konzentrieren, das Abgucken der Welpen bei den erzogenen Erwachsenen nutzen und kann die Leine ganz sachte führen, so das zu keiner Zeit Stress für den Welpen aufkommt. Alle Hunde in meinem Rudel haben somit schon bei Erreichen der Pubertät sicher das Kommando „Fuß“ beherrscht und nicht nur das: sie kannten auch zuverlässig ihren Platz an meiner Seite beim Fußgehen. Das ist sehr wichtig, nichts ist schlimmer, als wenn man man schnell handeln muss und alle wuseln um einen herum und man bekommt keinen zu fassen. Und wenn es einem in der Pubertät mal in den Kopf kommt, doch auszuscheren, bleiben das Rudel und ich stehen und warten….und meistens dauert es nicht lange und der Ausreißer fädelt sich wieder ein. So aber sage ich im Freilauf „Fuß“ und alle sortieren sich auf ihren Platz an meiner Seite ein. Die Voraussetzung dafür: ein langsames, sicheres und positives Training der Hunde einzeln.
Daran kann man vielleicht ermessen, wie das bei 2 Hunde aussieht, die man als Welpen gleichzeitig zu sich geholt hat.
Nicht erzogene Ersthunde
Zu einem nicht erzogenen Hund einen Zweiten dazuholen, ist Stress! Ich spreche in diesem Absatz hier jetzt über als Welpen aufgenommene Hunde. Holt man zu einem erwachsenen Hund einen Welpen dazu ist es am Anfang noch einfach. Aber……. Ist der „erwachsene“ Hund z.B. noch in der Pubertät, oder noch unerzogen, wenn der Zweithund in die Pubertät kommt, dann hat man, je nach Hundecharaktere, auf jeden Fall Stress – wenn man Pech hat, sogar extremen Stress. Besonders dann, wenn man 2 Welpen zu sich geholt hatte, die gleichzeitig in die Pubertät kommen. Dann muss man sich fragen: hat man genügend Erfahrung, zudem zu erkennen, wie die Rudelstruktur sich entwickelt. Habe ich die Zeit, 2 Welpen gleichzeitig zu erziehen? Es ist möglich, keine Frage, aber ich persönlich würde, trotz der vielen Erfahrung, die ich inzwischen habe, mir niemals 2 Welpen auf einmal holen. Ich würde es mir heute von der Erfahrung her ohne weiteres zutrauen, aber es ist mit Stress verbunden, so oder so, zeitlich (Einzelerziehung!), Pubertät usw. und nicht in meinem Sinne von Entspanntheit. Auch wir sind natürlich nicht perfekt, aber ein zuverlässiges Rudel ist bei mir oberste Priorität. Ein zuverlässiges Rudel macht viel Freude. Und Lernen hört nie auf.
Wichtig ist es auch, den Hunde-Rudelboss voll auf seiner Seite zu haben und nicht nur das, sich auf ihn vollkommen verlassen zu können, das erfordert BE-ziehung und einen Hund, der sicher ist in seiner Stellung.
„Kleiner König“ – 3 Wege zum Rudelboss-werden
Weg 1: Bajado–Charisma und Tricks
Über Bajado habe ich ja schon geschrieben. Er hat sein Rudel geführt, ohne Lautäußerungen, er hat so feine Signale eingesetzt, dass ich erst durch die beschriebene Terrassentür-Aktion darauf kam, wie er das machte. Von da an beobachtete ich ihn sehr genau. Ich konnte es kaum an etwas festmachen, er war einfach „da“. Er hatte eine „Aura“, so wie man das manchmal bei Menschen hat, die man nicht kennt, denen man sich aber gerne anschließt, weil man sich sicher fühlt. Anders kann ich es nicht beschreiben. Nicht einer meiner Hunde hat ein einziges Mal versucht, an seiner Position zu kratzen.
Dass das nicht nur im Bezug auf sein eigenes Rudel galt, habe ich einmal mitbekommen, als ich hier auf unserer Koppel ein Hundetreffen veranstaltete: Ich wusste nicht, wie Bajado die Anwesenheit vieler und auch vieler körperlich überlegenen Rüden ertragen würde. Aber ich konnte ihn ja jederzeit rausnehmen, also ließ ich ihn dazu.
Die anderen Rüden kamen, Bajado guckte durch alle hindurch. Erhobene Rute – und wollte einer schnüffeln, ging er weiter.
Die anderen Rüden ließen ihn vollkommen in Ruhe, alle…ältere wie jüngere, vorwitzige wie ruhige. Ich alleine sah, weil ich ihn so gut kannte, dass er eigentlich Angst hatte, sie aber so hervorragend versteckte und sich demonstrativ unbeteiligt gab. Ich nahm ihn aber dann trotzdem raus und er war im Garten und nur durch den Zaun vom Geschehen getrennt. Bajado war ein unglaublicher Hund.
Weg 2: Louis: Souveränität und Masse
Als Bajado mit 13 Jahren starb, sah ich, dass Louis anfing, Chefchen“allüren“ zu zeigen. Er wollte als erster durch die Tür, er drängelte sich vor, wenn es etwas zu essen gab und er bezog mich in seine Rolle mit ein, indem er demonstrativ vor den anderen die Nähe zu mir suchte. Das hatte er vorher nicht gemacht. Er war auch ein sehr souveräner Boss, auch einer der „da war“, aber bei ihm sah ich sehr viel deutlichere Signale.
Aber bei ihm hatte ich den Eindruck, dass auch die körperliche Masse und die Größe eine Rolle spielte: wenn er da lag, dann lag er da.
So wie bei Bajado stieg auch keiner über ihn drüber. Basti z.B. lässt das zu. Louis drängte sich auch einfach durch, wenn er wohin wollte. Auch bei ihm kratzte keiner an seiner Position. Es gab keinerlei Anspielungen dazu. Im Gegensatz zu Bajado setzte er mehr auf „massige Anwesenheit“. Das funktionierte gut, Louis war der friedlichste Hund unter der Sonne, er hatte was von Fiete, von Fietes „was-kostet-die-Welt“, ein stabiler, in sich ruhender und ein sehr selbstbewusster Rüde.
Mit 9 Jahren bekam er cauda equina und nach einiger Zeit konnte er kaum noch laufen. Auch in dieser Zeit war er eine „Institution“, immer fröhlich und unbekümmert. Trotz der Behinderung wurde er ausnahmslos respektiert von den anderen. Genau zu dieser Zeit, wo das Laufen weniger wurde, kam Greta 6-jährig zu uns. Mir fiel auf, dass Louis von da an immer vergnügter wurde, richtig übermütig, obwohl er kaum laufen konnte (Schmerzen hatte er ja keine) und…Greta war ab dem ersten Tag sofort stets an seiner Seite.
Sie war, wenn man das mal menschlich ausdrücken soll, wie eine Frau, die ihrem Geschäftsmann den Rücken freihält, anders kann man das nicht beschreiben.
Und Louis sah man an, wie er das genoss. Er konnte nicht laufen, aber er hatte mit ihr im Rücken sichtlich Spaß daran, seine Stellung zu demonstrieren. Ganz besonders freute er sich, wenn ich ihm ein begehrtes Spielzeug brachte, was er vor sich hinlegte, Greta an seiner Seite und es genoss, dass alle drumrumlagen, es ihm aber keiner streitig machte. Durch das Bringen des Spielzeuges half ich ihm, seine Position zu festigen, denn er konnte es sich alleine nicht mehr holen.
Bajado und Louis waren sich meiner Unterstützung sicher: ich zog sie vor, unterstützte sie. Das mit dem Vorziehen des Rudelbosses beschrieb ich ja oben schon einmal. Wenn man das macht und es aus irgendeinem Grund mal nicht tun kann, das Rudel aber diese Stabilität durch das Vorziehen und dem Unterstützen hat, dann ist das möglich.
Dazu muss man das erkennen können. Und das ist nicht nur wichtig, um ein Rudel stabil und sicher zu machen, es macht auch total viel Spaß.
Man hat unbeschwerte Hunde, man kann sie einschätzen, sie führen und lenken und man hat … Harmonie.
In vielen Rudeln, in denen keine Harmonie herrscht, muss man sich erstmal das Verhältnis Hunde/Mensch als Boss ansehen und schon manchmal wenn ich zu Problemen befragt worden bin, stellte sich heraus, dass die Führungsrolle nicht nur des Menschen, sondern auch innerhalb des Rudels nicht sicher war.
Am Beispiel Basti möchte ich einmal beschreiben, inwieweit man als Mensch unglaublich wichtig ist und warum man nur dann ein stabiles Rudel haben kann, wenn man Hundeverhalten begreift und einschätzen kann.
Als Louis starb, war mir überhaupt nicht klar, wer das Zepter nun in die Pfote nehmen würde.
Weg 3: Basti: Brummen / Knurren und Unsicherheit
Und es dauerte auch 2-3 Wochen, wo ich an nichts festmachen konnte, was sich tun würde. Dann irgendwann fing Basti an, bei vielen Gelegenheiten zu brummen oder zu knurren. Das überraschte mich, weil ich den, zu dem Zeitpunkt 7-jährigen Basti noch nie hatte brummen oder knurren hören, egal bei welcher Gelegenheit. Basti war ein selbstsicherer, in sich ruhender Rüde, der nie Probleme hatte. Und weil das plötzlich so „ohne Grund“ auftauchte, begann ich ihn zu beobachten und er suchte auch ganz viel meine Nähe, viel, viel mehr als vorher. Ich bemerkte, dass er als erstes durch die Tür gehen wollte, dass er sich vordrängelte, wenn es Futter gab und all solche Dinge. Daraus schloss ich, dass er auf dem Weg zum Rudelboss war, aber ich wusste sein Brummen nicht so recht einzuordnen. Auch wenn das oft abgetan wird mit dem „zuerst durch die Tür“ vor den anderen Hunden usw. ……in meinem Rudel war das stets bei den Rudelchefchen angesagt, selbst wenn sie das vorher nicht gemacht haben.
Das mit dem Brummen/Knurren ging eine Weile so und ich erkannte auf einmal, dass er Schwierigkeiten hatte, sich in seine Rolle zu finden. Er wollte einerseits der Boss sein und andererseits wirkte er, als wenn er sich das nicht zutrauen würde. Dabei bereiteten ihm die anderen gar keine Probleme. Instinktiv, weil ich wusste, dass Basti trotz seiner Roboustheit ein sehr sensibler Hund war, fing ich an, ihn, wenn er brummte, zu umarmen, ihn zu umschließen und einfach bei ihm zu sein.
Selbst wenn er einen seiner Kumpel anbrummte, wenn er bei mir war, blieb ich dabei, schickte den anderen weg und sprach leise mit ihm. Mir fiel sehr bald auf, dass er sich dadurch jedesmal entspannte. Das ging sogar soweit, dass er, wenn er das Gefühl hatte, er könnte mich mit seinem Brummen vertreiben, meine Hand leckte, sich an mich drückte, mir also deutlich zu verstehen gab, dass er nicht mich mit dem Brummen meinte.
Das ging lange so, dann wurde das Brummen zunehmend weniger. Ich sah es oft dann schon an seinem Blick, wenn er Hilfe brauchte und rief ihn zu mir, das nahm er jedesmal dankbar an. Ich unterstützte ihn auch in seinen Handlungen, die richtig waren. Im Gegensatz zu der Rudelboss-Zeit mit Bajado und Louis war ich als Mensch hier bei Basti total gefordert. Er brauchte regelrecht meine Hilfe, um ein Rudelboss zu werden. Da kamen mir meine Erfahrungen mit Bajado und Louis sehr zugute, aber diese Situation war für mich neu und ich hatte das bis dahin auch noch nie so gehört. Aber auch da hörte ich auch einfach auf mein Bauchgefühl und vor allem…ich setzte meine Erfahrung mit meinem Rudel aus den Jahren für diese merkwürdige Situation ein. Mit Erfolg!
Basti wurde immer sicherer und traute sich auch dann mal ohne mich, zu sagen wo’s langgeht. Das Brummen/Knurren war wieder vollkommen weg. Aber jedesmal, auch heute noch, kommt er nach einer „Chefchen-Aktion“ zu mir gelaufen und drückt sich an mich. Ich habe zu all meinen Hunden ein sehr inniges Verhältnis, aber das Verhältnis zu Basti ist seitdem noch mal sehr viel enger geworden. Als das Brummen dann irgendwann aufgehörte, war mir klar, dass er in seine Rolle hineingewachsen war und sich das zutraute.
Heute…Basti ist gerade 9 geworden, hat im Rudel einen verrückten, megatemperamentvollen und sehr „intelligenten“ und manchmal noch pubertierenden Jungspund von 2 Jahren, der manchmal rotzfrech ist, aber Basti -mein Basti-Fratzi- ist in seiner Rolle so gewachsen dass es mir oft ein Lächeln ins Gesicht zaubert, wenn ich ihn scharren und sich übermütig Karlsons Lieblingsball schnappen sehe, mit dem er dann demonstrativ vor Karlson auf-und ab läuft.
Gescharrt hatte er vorher nie, er hat nie etwas für sich bewusst beansprucht, aber die Überschrift: „Kleiner König….“ die trifft auf ihn voll zu. Im Gegensatz zu den anderen beiden beharrt er deutlich auf allem, was einen Rudelboss ausmacht, egal was das ist:
Und wäre er ein Mensch – er hätte ein diebisches Machtgrinsen im Gesicht. Er scharrt und hopst dabei, dass die Erde meterweit fliegt, er dreht und schubbert sich unter Büschen und hopst in ihnen rum, damit möglichst viel hängenbleibt.
Sein Gesicht ist wieder wie vorher ein offenes, fröhliches Gesicht – nein, es ist sogar ein viel ausdruckstärkeres Gesicht geworden. Er ist stark und er weiß das und er…demonstriert es…im Gegensatzu zu den anderen Beiden. Für mich war das eine ganz andere Erfahrung und ich weiß heute, wie wichtig meine Erfahrung dafür war, dass ich diese Schwierigkeit bei ihm erkannt habe. Und auch, dass ich entgegen aller Bedenken „Man darf einen brummenden/knurrenden Hund nicht unterstützen“ richtig gehandelt habe, in dem ich Basti umarmt habe, wenn er brummte. Und nicht nur das….. auch dass es heute nicht nur ein superstabiles Rudel ist, sondern auch, dass mein Basti und ich es gemeinsam geschafft gaben, auf den richtigen Weg zu kommen.
Heute ist es sogar so, dass er nicht mehr, wie vorher, in allen Dingen auf das Vorziehen besteht, sondern oft auch abwartend ganz hinten liegt, wenn ich in der Küche die Näpfe fertig mache… Er ist vollkommen relaxt, er weiß, dass er „mein kleiner König“ ist und zuerst seinen Napf bekommt. Ich habe von viele Menschen gehört: das musst Du doch nicht mehr so akribisch machen….. Aber ich mache das so und die Hunde wissen genau, wie es läuft und das schafft Sicherheit, warum sollte ich es also ändern?
Basti führt sein Rudel jetzt super alleine und dadurch, dass er das viel „sichtbarer“ macht, als die anderen beiden und so viel Anlaufschwierigkeiten hatte, die ich von den anderen beiden gar nicht kannte, habe ich noch einmal viel gelernt.
Einmal Rudel, immer Rudel!
Mein Rudel vetraut mir und wenn ich auf dem Boden liege und fast 200 Kilo auf mir drauf und um mich rum sind und jeder zuerst an meine Nase will und es egal ist, wer Boss ist und wer nicht, oder sie im Wohnmobil eng an eng liegen, teilweise Kopf auf Rücken, dann bedanke ich mich immer für das Glück, dass mein Bajado mir das alles beigebracht hat, so dass ich mich heute an meinem tollen harmonischen und stabilen Rudel freuen kann.
Ein langer Weg, ganz viel Hundecharakter, ganz viel Begreifen, von Hunden lernen zu können und es zu nutzen und zu wissen, wie spannend Hundeverhalten ist, haben das alles möglich gemacht.
Danke Bajado-Chefchen, Fiete-Möpschen, Louis-Maus, Bastikind, Tristan-Mann, Ostfriese Karlson und süße kleine Greta-Prinzessin. Und im Herzen Julchen.
Einmal Rudel-immer Rudel
in dem Sinne
Beata