Straßenhunde in Rumänien leben ein hartes und oft erbarmungsloses Leben. Sarah Deinert fasst die Situation in einem erschütternden Lagebericht zusammen.
Mehr als zwei Jahrzehnte unter dem Regime von Nicolae Ceaușescu haben ihre Spuren hinterlassen. Der Diktator ist lange tot, doch das Land am Schwarzen Meer kämpft auch im Jahr 2013 noch gegen massive strukturelle Probleme. Die Staatskassen sind leer, die Infrastruktur ist in weiten Teilen des Landes mangelhaft und das Verwaltungssystem ist ebenso marode wie ineffizient. Die rumänische Sprache kennt allein 30 Vokabeln, um das Kernproblem in vielen Lebensbereichen zu benennen: Korruption. Und die hat längst auch im Tierschutz Einzug gehalten.
Straßenhunde in Rumänien dürfen nicht mehr eingeschläfert werden, eigentlich…
Mit dem Beitritt Rumäniens in die EU im Jahr 2007 haben sich auch die Tierschutzauflagen im Land geändert. So dürfen seit 2008 in Rumänien keine Tiere mehr eingeschläfert werden, wenn sie nicht unheilbar krank sind. Theoretisch ist es per Gesetz ebenfalls verboten, Tiere zu misshandeln, zu schlagen oder ihnen anderweitig Schmerzen zuzufügen. Die Praxis sieht leider viel zu häufig anders aus.
Mafia bereichert sich mit Hundemord
Im Juni dieses Jahres berichtete der ARD über die mafiösen Strukturen, in denen sich rumänische Tierheimbetreiber und Hundefänger vielerorts organisiert haben. Mit der EU-Gesetzgebung ist ein Hundeleben in Rumänien nämlich so wertvoll geworden, dass sich eine ganze „Branche“ brutal daran bereichert. Pro aufgenommenem Hund erhält ein Tierheimbetreiber bis zu 250 Euro aus kommunalen Kassen, um den Hund zu ernähren, tiermedizinisch zu versorgen, zu kastrieren und, wenn möglich, zu vermitteln. Wie lange der Hund im Tierheim bleiben soll, ist nicht festgelegt. Gängige Praxis ist es daher, die Tiere kurz nach ihrer Ankunft zu töten, um den Aufwand möglichst gering und den Ertrag möglichst hoch zu halten. Die angewandten Methoden sind grausam und von „humanem Einschläfern“ weit entfernt. ARD-Reporter filmten in dem Bericht mit versteckter Kamera, wie dutzende Hunde leblos auf einem Feld liegen. Die Tiere wurden nach ihrer Registrierung im Tierheim erschossen, einige von ihnen irren schwer verletzt und desorientiert umher. Bilder von einem weiteren Drehort zeigen Tierheim-Mitarbeiter, die tote Hunde in Müllsäcken entsorgen.
Geldquelle versiegt nicht
Bei derzeit rund 65.000 Straßenhunden allein in Bukarest scheint diese Geldquelle vorerst nicht zu versiegen, das Geschäft der Hundefänger-Mafia floriert. Seitdem Anfang September ein vierjähriger Junge tot und von Bissverletzungen übersät in der Nähe eines Parks aufgefunden wurde, hat sich die Situation für die Hunde sogar noch weiter verschärft. Obwohl die Umstände der Tragödie bis heute nicht vollständig geklärt sind, ist eine regelrechte Hetzjagd auf Streuner ausgebrochen. Politiker nutzen das Thema, um bei besorgten Bürgern auf Stimmenfang zu gehen. Für die Hundefänger brechen goldene Zeiten an, denn mit Beschluss vom 25. September hat das rumänische Verfassungsgericht die Tötung von Straßenhunden nun offiziell legalisiert, wenn sich innerhalb von 14 Tagen kein Besitzer meldet.
Massentötungen bleiben ohne Effekt
[Ein verstörendes Video von „kleine maus“]
Schon in der Vergangenheit hat Staatspräsident Traian Băsescu in groß angelegten Aktionen zehntausende Straßenhunde in Bukarest töten lassen. Damals war Băsescu noch Bürgermeister der Hauptstadt. Die Massentötungen haben nachweislich nicht zu einem dauerhaften Populationsrückgang der Streuner geführt, denn auch unkastrierte Hunde von Privatpersonen sorgen dafür, dass immer wieder neue Welpen geboren werden. Dies ist offensichtlich auch im Interesse der korrupten Tierschutz-Aufsichtsbehörden, denn von rund vier Millionen Euro, die den Behörden jedes Jahr für Tierschutzmaßnahmen zur Verfügung stehen, fließen nur knapp ein Prozent in Kastrationsprogramme. Ein Tropfen auf den heißen Stein. Wissenschaftliche Studien belegen, dass allein Kastrationen zum Erfolg führen und die Zahl der Straßenhunde innerhalb weniger Jahre spürbar und dauerhaft reduzieren können. Doch dafür muss das Geld an den richtigen Stellen ankommen.
Einige deutsche Tierschutzorganisationen setzen sich für die Streuner auf Rumäniens Straßen ein. Teilweise betreiben sie enormen Aufwand, um persönlich sicherzustellen, dass Hilfsgüter dort ankommen, wo sie benötigt werden – bei den Hunden.
Ein rumänisches Sprichwort sagt: „Der kleine Holzklotz bringt den großen Wagen zum Stürzen“. Bleibt zu hoffen, dass sich das auch für den Tierschutz vor Ort bewahrheitet.
Beitragsbild: Columbo222, Quelle: Wikimedia Commons, Creative Commons CC BY-SA 3.0