Treffen wir auf jemanden, der des Deutschen nicht mächtig ist, werden die meisten von uns sicher versuchen, sich auf Englisch mit ihm zu verständigen, und kaufe ich mir auf dem Wochenmarkt einen Sack Kartoffeln, rede ich mit dem Verkäufer anders, als ich dies tun würde, befände ich mich gerade mitten in einer Diskussion mit vermeintlichen Intellektuellen über den Sinn und Unsinn moderner Kunst.

Kurz gesagt, wir lassen uns auf die Sprache unseres Gegenübers ein – wie aber sieht das mit unseren Hunden aus?
Der Hund ist sicherlich, abgesehen von den Primaten, das Säugetier, das am besten von allen in der Lage ist, die Sprache anderer zu deuten, wobei mit Sprache natürlich das Gesamtpaket gemeint ist, also die Lautäußerung, aber auch Gestik, Mimik und Köperhaltung. Hunde sind fähig umzulernen, z.B. das Lächeln und damit Zähnezeigen eines Menschen als Freundlichkeit auszulegen, obwohl es im Zusammenspiel mit Artgenossen meist etwas völlig anderes bedeutet.

Was heisst das für uns und unsere Hunde?

Und wir selbst? Inwieweit verstehen wir, was unser Hund uns sagen will, und inwieweit kommen wir ihm entgegen, um eine gemeinsame Basis zum Kommunizieren zu finden?

Rex kam vor acht Monaten als völlig ungehobelter „Randalekopp“ im besten Flegelalter zu uns

Er war nach mehr als einem Jahr Zwinger extrem futterneidisch, versuchte alle erhöhten Sitzgelegenheiten und sogar die Tische im Haus für sich zu beanspruchen, er sprang uns ständig an, unsere Arme und Beine waren mit blutigen Striemen übersät – es ging darum, abzuklären, wer in unserem kleinen Rudel künftig das Sagen haben würde.
Ich focht immer wieder heftige Machtkämpfe mit ihm aus, all meine langjährige Hundeerfahrung schien mir zu nichts mehr nutze zu sein, ich fand einfach nicht den richtigen Zugang zu ihm, obwohl er sich beim Trainieren von Befehlen mit gleichzeitiger Futtergabe sehr gelehrig anstellte. Nur wenn es darauf ankam, dann war alles für die Katz gewesen, oft stellte er sich, wenn ich auf der Couch saß, auf die andere Seite des Tisches und bellte mich an. Nein, es war keine freundliche Aufforderung zum Spielen, sondern bewegte sich meist knapp an der Grenze zur Aggressivität. Ich kannte ihn noch nicht sehr gut und war mir durchaus nicht immer sicher, ob er nicht jederzeit zubeißen könnte.

Eine sehr unschöne Situation, bis mir dann endlich etwas einfiel, das ich schon mit seiner Vorgängerin praktiziert hatte, nämlich das Fletschen der Zähne.
Bei ihr war es nötig geworden, als sie in hohem Alter auf einmal Panikattacken bekam. Ich konnte mir keinen Reim darauf machen, zumal sie weder auf vertraute Kommandos noch auf die damit verbundenen Handzeichen reagierte.
Im Nachhinein weiß ich, dass sie damals ihr Hörvermögen verlor, ihre kleine Welt war auf einmal eine völlig andere, sie war extrem verunsichert und ich konnte die Lage erst retten, als ich mich auf ihre Sprache einließ. Ich hatte mir überlegt, was würde denn ein tierischer Rudelboss unternehmen, um unliebsames Verhalten abzustellen?
Richtig, er würde beginnen, mit den Mundwinkeln zu zucken, und dies dann langsam zum Zähnefletschen steigern. Das müsste ich doch auch hinkriegen?

Ich kriegte es hin und es zeigte sofort Wirkung, Sissi verstand diese Sprache genau und interpretierte sie dahingehend, dass sie selbst sich nicht sorgen musste, denn ich als Boss war ja da – schlagartig war ihre Angst veschwunden und fortan hatte ich wieder einen zufriedenen Hund.

Schäferhund Rex

Bild & Quelle: Rex Mama

Und bei Rex?

Auch bei ihm funktionierte es: Er stand drohend aufgeplustert vor dem Tisch, bellte und knurrte sogar leicht, ich begann das sich steigernde Spektakel des Zähnezeigens, einen Moment starrten wir uns an, dann zog er es vor, Deeskalation zu betreiben, gähnte, wandte sich schließlich ab und trottete zu seiner Decke.
Eine scheinbare Kleinigkeit nur, doch damit war es mir gelungen, etwas ganz Grundlegendes in unserer Beziehung zu verändern. Von da an lief es sehr viel besser mit seiner Erziehung, inzwischen hat er sich zu einem wirklich liebenswerten Hausgenossen gemausert und ich muss ihm nur noch sehr selten die Zähne zeigen.
Man sollte also wirklich öfter einmal darüber nachdenken, inwieweit man sich auf das Sprachniveau seines Gegenübers einlassen kann, um sich irgendwo in der Mitte zu treffen.

Ein Gastbeitrag von “Rex Mama”

Alle Bilder & Quellen: Rex Mama