Gastautorin und Norwich Terrier Züchter Uschi Anders stellt heute „ihre“ Hunderasse vor.

Sie suchen einen Hund, der bei Regen mit Ihnen ausschläft und bei wolkenlosem Himmel morgens um 6 Uhr mit Ihnen den Berggipfel erobert oder Sie zum Angeln begleitet? Der, wenn es sein muss, ein paar Stunden alleine das Haus oder die Wohnung bewacht und Sie problemlos als „Handgepäck“ im Flugzeug in den Urlaub begleiten kann? Kurz einen Hund, der (fast) alles mitmacht? Ein solcher ist der Norwich Terrier.

Die meisten Menschen denken bei Terriern an schneidige Rabauken, die voll Jagdeifer auf Nimmer Wiedersehen hinter der nächsten Wildspur herjagen, sobald man sie von der Leine lassen würde. Zugegeben, auf einige Terrierrassen mag dies zutreffen – nicht jedoch für den Norwich.

Sein Jagdtrieb ist zwar immer noch da; er braucht jedoch vor allem „seine“ Menschen und bleibt auch in Wald und Flur meist in der Nähe der Familie. Was nicht bedeutet, dass Nachbars Katze sicher ist und nicht hin und wieder stolz eine tote Maus präsentiert wird.

Norwich Terrier

Quelle: http://www.norwichterrier.de , via Uschi Anders

Das Erscheinungsbild des Norwich Terrier

Wer Wert darauf legt, einen Hund zu besitzen, den andere sofort als dieser oder jener Rasse zugehörig erkennen, wird mit dem Norwich Terrier nicht glücklich sein.

Die meisten Mitmenschen werden ihn für einen süßen, charmanten Mischling halten. Der Norwich ist einer der kleinsten Terrier – aber ein Teufelskerl für seine Größe. Er ist ein kleiner, tiefgestellter Hund, kompakt und kräftig, mit kurzem Rücken und starken Knochen. Die ideale Schulterhöhe beträgt 25 bis 26 cm. Die Rute darf in Deutschland und in den meisten europäischen Ländern schon lange Zeit nicht mehr kupiert werden. Sie soll von mäßiger Länge sein, am Ansatz dick, sich zur Spitze verjüngend und so gerade wie möglich und unbeschwert getragen werden. Den Standard an dieser Stelle in vollem Umfang wiederzugeben, würde den Rahmen sprengen. Das Fell kann alle Schattierungen von Weizenfarben bis rot haben, black and tan oder grizzled sein. Es besteht aus zwei Schichten: der dichten, wärmenden Unterwolle und dem Deckhaar, das eng am Körper anliegt und Schmutz und vor allem Nässe abhält. Ein gepflegter Norwich Terrier haart kaum. Voraussetzung dafür ist, dass er regelmäßig – das heißt zwei- bis dreimal jährlich – getrimmt wird. Dabei werden mit den Fingern oder einem Trimmmesser die toten, losen Haare heraus gezupft. Dieses Trimming ist unbedingt notwendig, um die Haarstruktur zu erhalten und somit die Gesundheit.

Würde der Norwich Terrier beispielsweise geschoren, vermischen sich Unterwolle und Deckhaar, das Haar wird weich, „plüschig“ und wasserdurchlässig. Eine Erkältung oder Schlimmeres ist damit vorprogrammiert.

Ansonsten genügt es vollkommen, den Hund gründlich zu kämmen. Am besten verwenden Sie dazu einen breitzinkigen Kamm. Mehr Fellpflege ist nicht notwendig.

Norwich Terrier

Quelle: http://www.norwichterrier.de , via Uschi Anders

Wesen und Temperament

Der Norwich Terrier ist alles andere als ein Schoßhund. In Anbetracht seiner Abstammung als Arbeitsterrier enthält der Standard sogar folgenden Wortlaut: „Narben, bei ehrlicher Arbeit erworben, sind ehrenhaft und erlaubt“. Doch der Standard verlangt auch unmissverständlich Eigenschaften wie

liebenswürdige Veranlagung, nicht streitsüchtig, unglaublich aktiv, fröhlich und furchtlos. Diese Eigenschaften machen ihm auch ein Leben in der Stadtwohnung leicht.

Er ist friedfertig gegenüber anderen Hunden und liebt alle – vor allem jedoch „seine“ – Menschen. Das ist, wenn man so möchte, auch der einzige „Knackpunkt“: Ein Norwich Terrier braucht seine(n) Menschen um sich herum. Immer. Vorbei die Zeit, als Sie alleine in der Badewanne lagen. Ihr Norwich wird hechelnd auf der Badezimmermatte ausharren. Natürlich wird er sich – bei konsequenter Erziehung – daran gewöhnen, hin und wieder für einige Stunden alleine zu bleiben und das Haus zu bewachen. Konsequente Erziehung ist überhaupt das Zauberwort, wenn es darum geht, aus einem Terrier einen angenehmen Familienhund zu machen. Ein Norwich kann unglaublich dickköpfig sein. Konsequenz und Feinfühligkeit Ihrerseits sind jetzt gefragt – und das ein Hundeleben lang.
(Auszugsweise entnommen aus „Norfolk und Norwich Terrier“ von Wilfried Peper / Paul Parey Verlag)

Die unglaubliche Geschichte eines Rattenfängers

Das Vernichten von Raubzeug, insbesondere Ratten, war schließlich Hauptaufgabe der Norwich Terrier in ihrer Heimat im Osten Mittelenglands. Fruchtbares Ackerland, Felder, soweit das Auge reicht, bringen reiche Ernte. Und sind reich gedeckter Tisch für Ratten und Mäuse.

Es wird erzählt, dass die Bauern, vor allem in der Gegend um Cambridgeshire und der Grafschaft Norfolk, Zigeuner, fliegende Händler und Kesselflicker auf ihre Getreidefarmen holten, die von einer Meute kleiner roter Terrier begleitet wurden und erfolgreich auf Mäusejagd gingen.

Entsprechendes „Kopfgeld“ soll dem fahrenden Volk ein gutes Zubrot eingebracht haben.
An diesem Mythos mag durchaus Wahres daran sein. Denn Tatsache ist, dass zahlreiche Bilder aus der Zeit von 1855 und 1870 kleine, rote Hunde auf Mäusejagd darstellen, die den heutigen Norfolk- und Norwich Terriern ungemein ähnlich sehen. Verschiedene Schläge kleiner, roter oder rötlichbrauner rauhaariger Terrier, die als mehr oder weniger planvoll gezüchtete gemeinsame Vorläufer von Norfolk- und Norwich Terrier gelten können, sind erst relativ spät gesichert nachweisbar. Mitte/Ende des 19. Jahrhunderts dürften es demnach mehrere Quellen sein, aus denen Norfolk- und Norwich Terrier ihre Entstehung konkret herleiten können:

Zum einen gab es einen Kreis von Züchtern, die vor allem in Cambridge, Newmarket und Norwich kleine rote Terrier zogen, die der zur damaligen Zeit berühmte Hundehändler Charles „Doggy“ Lawrence verkaufte. Diese Hunde wurden als „Cantab“ oder Trumpington-Terrier weithin bekannt und vornehmlich an Studenten in Cambridge für Wettkämpfe im „Ratpit“ verkauft. Über „Cantab“ heißt es in „Hutchinson´s Dog Encyclopaedia“, sie seien nichts anderes gewesen als kleine Irish Terrier; Nachkommen jener etwa 10 Inches kleinen Irish Terrier, die Captain Vaughan, Master of the Foxhounds aus Ballybrick, in Irland etwa seit 1860 gezüchtet hatte.

Mr. Jodrell Hopkins aus der Trumpington Street in Cambridge züchtete aus der Verbindung eines Cantab-Rüden von Doggy Lawrence mit seiner Aberdeen-Terrier-Hündin den Rüden „Rags“, einen tiefroten, stehohrigen Trumpington, der außerdem harsches, glattes Haar hatte. Rags wurde an Mr. Jack Cooke, den Master of the Norwich Staghounds, verkauft. Insbesondere Rags Nachkommen mit Ninety, der stehohrigen, weißen Terrier-Hündin des engagierten Züchters Lewis „Podge“ Low aus Norwich waren allesamt rot, stehohrig und hatten hartes Haar. Welpen aus diesem Wurf kaufte unter anderem auch Mr. R. „Jack“ Read, der 1929 mit „Horstead Mick“ einen Rüden züchtete, der als einer der wichtigsten Vererber für die heutigen Norwich Terrier gilt.

Auch Pferdemann „Roughrider“ Frank Jones baute vor allem auf die Nachzucht aus eigenen, kleinen Irish-Terrier-Hündinnen („Irish mites“) und dem seinerzeit mit Recht berühmten Vererber „Rags“. Seine Terrier wurden in alle Welt exportiert. Bereits 1914 kam der erste „Jones“-Terrier nach Pennsylvania. Auch in England bestimmten seine Hunde und deren Nachzucht in den Zwingern einiger neuer Züchter nachhaltig die Entwicklung, zum Beispiel „Farndon“, „Nanfan“ und „Ragus“, um einige zu nennen. Mr. Jones soll für seine Hunde 20 Pfund Sterling verlangt haben – eine unglaubliche Summe. Zum Vergleich: Der Jahreslohn einer Dienstmagd betrug zur damaligen Zeit nur einen Bruchteil dessen.

1932 war es soweit: Der Kennel Club erkannte die Norwich Terrier als Rasse an und 13 engagierte Züchter gründeten im gleichen Jahr in Richmond den Norwich Terrier Club.

Der erste offizielle Rassestandard wurde 1933 veröffentlicht. Strittige Punkte waren nach wie vor die Ohrhaltung und die Farben. 1935 schließlich erteilte der Kennel Club auch die Berechtigung, auf Ausstellungen das CC (Challenge Certificate/Anwartschaft für den Championtitel) zu erlangen. Waren vor dem 2. Weltkrieg von den sechs Champions drei steh- und drei kippohrig, änderte sich dies in der Nachkriegszeit.

Zwar wurden immer noch mehr kippohrige als stehohrige Norwich Terrier gezüchtet, doch Championtitel errangen vermehrt die Stehohrigen.

Die Anzeichen für eine Trennung wurden immer stärker. Fünfmal stellte der Norwich Terrier Club beim Kennel Club den Antrag, die Rasse zu trennen. 1964 endlich mit Erfolg: Die kippohrige Varietät hieß nun Norfolk Terrier, die Stehohrigen behielten ihren Namen Norwich Terrier.

In Deutschland gibt es Norwich Terrier erst seit 40 Jahren. Als Nummer 1 erscheint 1973 Thrumptons Lady Pat im KfT-Zuchtbuch.

Heute werden jährlich durchschnittlich 100 Welpen geboren.

Interesse geweckt? Hier gehts zu Uschi Anders‘ Zucht „Bavarian Cantabs Norwich Terrier“.

Alle Bilder (und Quelle): Uschi Anders, www.norwichterrier.de