Als ich lautstark verkündete, dass meine neue Begleitung nach dem Tod meines Labbis eine Beagledame sein würde, waren fast alle Menschen, mit denen ich zu tun habe schockiert. „Spinnst du? Beagle sind doof und jagen alles, was bei drei nicht auf dem Baum ist.“ Diese und ähnliche Aussagen hörte ich von meinen Mithündelern, meiner Familie und Menschen, die in meinen Augen gar nichts mit Hunden zu tun haben. „Ich prophezeie dir ein Leben mit einer Schleppleine.“ Das schoss den Vogel ab.
Eigentlich kann nichts schiefgehen, wenn 14 Jagdhunde unter den 50 beliebtesten Hunderassen sind, oder?
Zugegeben, ich hatte mehr als eine schlaflose Nacht, bevor Lotte bei mir einzog.
Aber warum eigentlich? Wenn wir die Liste der beliebtesten Hunderassen anschauen, dann finden wir unter den ersten 50 schon einmal 14 Jagdhundrassen, darunter den Weimaraner, Jack Russell und Golden Retriever. Auch Goldies sind Jagdhunde, Apportierer um genau zu sein, aber unsere Labbis waren stets auch gute Stöberhunde, bei den Goldies ist das nicht anders, sie verfolgen Wild zwar nicht über grosse Strecken, aber zum Finden reicht es.
Da ich aus eigener Erfahrung weiss, wie wenig Jäger heute noch einen Hund haben, muss es ja so sein, dass diese Hunde in Hände kommen, die sie anders auslasten müssen oder wollen.
Wie gehen wir, und damit meine ich alle Jagdhundbesitzer – von Hütehunden habe ich viel zu wenig Ahnung – damit um, dass unsere Hunde oftmals nicht das tun dürfen, wofür sie einmal gezüchtet wurden?
Achtung, wir müssen zwischen Showlinie und Workinglinie unterscheiden!
Diese Frage fächert sich in unterschiedliche Teilbereiche auf, da wäre natürlich zum einen die Frage der Zucht. Ich frage mich, warum bei vielen Hunderassen einerseits eine Showlinie und andererseits eine Workinglinie gezüchtet wird. Die Showlinien sind oft für den ursprünglichen Verwendungszweck nicht mehr zu gebrauchen. Ein Beispiel, das mir jedes Mal im Herzen weh tut sind die Labbis. Ich treffe immer öfter Labradore an, die so viel Trieb besitzen, wie ein Mops. Unsere Labbis waren schlanke, nicht wahnsinnig schnelle, aber unbeirrbare Hunde. Ihr Will-to-please wurde immer mit einer Prise Eigensinn gewürzt, ihr Arbeitswille war bis ins hohe Alter ungebrochen. Heute sehe ich, wenn ich auf Hundeshows unterwegs bin, oft dicke Labbis, die nur schwimmen können, weil Fett oben bleibt. Die wären nach zwei längeren Schwimmstrecken vollkommen erledigt. Das kann doch nicht das Ziel sein, oder ist es in Ordnung, wenn Hunde so gezüchtet werden, dass sie den heutigen Anforderungen entsprechen und dafür ihre ursprüngliche Arbeit nicht mehr verrichten können? Verändern wir damit nicht den Charme unserer Hunderassen?
Darf man Hunde eigentlich jagen lassen?
Auf der anderen Seite: Was tun, wenn man einen Hund hat, der so triebstark ist, dass es nicht möglich ist, ihn im Wald von der Leine zu lassen?
Darf man Hunde in einem gesetzten Rahmen jagen lassen und wenn ja, wie sollte das vor sich gehen?
Bevor Sie hier weiterlesen, die wichtigste Voraussetzung für jeden Hund ist ein Rückruf, der funktioniert. Wenn alles andere nicht klappt, egal, aber der Rückruf sollte bombenfest trainiert werden.
Ich bin der Meinung, dass man Hunde in gesteckten Rahmenbedingungen „jagen“ lassen sollte. Ich gehe wieder von Lotte aus, ein Beagle, laut FCI ein Lauf- und Schweisshund. Schweisshunde haben die Aufgabe, dass sie auf Jagden angeschossenes Wild anhand ihrer Blutspur finden.
Wie funktioniert das „Experiment“?
Statt Blut nehme ich eine Tupf- und Schleppfährte aus Hundefutter.
Es gibt heute für alle Jagdhunde eine spezielle Art Jagdersatztraining, Coursing, Fährten, Dummytraining, oder den Futterbeutel als Beute- und Triebersatz.
Es gibt tausendundeine Variante, wie man seinen Hund „jagen“ lassen kann, ohne dass es grosse Anstrengung braucht, ich persönliche finde es in Ordnung, wenn man nicht einer bestimmten Methode folgt, sondern einfach Spass mit seinem Hund hat, immer wieder neues ausprobiert. Zusammen auf der Fährte zu arbeiten findet Lotte grandios, dabei lege ich bestimmte Fährten extra über Wildwechsel.
Eine sehr interessante Variante für alle Jagdhunde fand ich im „Grossen Schnüffelbuch“ (sehr empfehlenswert!). Man nehme einfach eine Hand voll Leckerchen und verstecke sie möglichst kreativ in Holzstapeln, die überall im Wald zu finden sind. Eine andere gute Variante ist Leberwurst, die man sehr einfach an Bäume anstreichen kann oder in Miniverstecke drücken kann. Kleiner Effekt, grosse Wirkung, mit ein bisschen Übung braucht man fünf Minuten zum Verstecken und der Hund eine Viertelstunde zum Suchen.
Jagd ist schlussendlich nichts anderes, als Beute machen. Wenn Herrchen eine tolle Variante kennt, wie man an Beute kommt und so der Beutetrieb befriedigt werden kann, dann geht es allen besser.
Wer gerne joggen geht, der kann auch, ähnlich wie im CaninCross den Hund an einem speziellen Geschirr anschirren und quer durch den Wald rennen gehen, zusammen das unsichtbare Reh hetzen.
Ein Plädoyer für mehr Selbständigkeit beim Jagen
Nicht jeder Jagdhund hat einen gleich starken Trieb, Züchter und Tierheime können hier gut weiterhelfen, quasi den „Jagdhund light“ finden.
Meiner Meinung nach sind Jagdhunde aller Couleur wunderbare Hunde, ich kenne mittlerweile aus vielen Rassen einige Vertreter, ich liebe ihre Selbständigkeit und gleichzeitig ihr treues Wesen. Oft sind es unkomplizierte Charaktere, eigenwillig, stur, aber lustig und treu ergeben. Sie können sich manchmal ganz gut mit sich selbst beschäftigen, was ich unglaublich sympathisch finde.