Wir hatten es bereits: Twitter ist eine Schatztruhe für Hundeautoren. Und worauf stößt man? Unter anderem auf den Bahnhofhütehund von @FrauWau, alias Ingrid „wandklex“ Heuser.
Herzlich wuffkommen auf Ihrer Lesereise durch dieses Blog. Sie befinden sich mit mir gerade mitten auf der Strecke des Regionalexpress Kiel-Lüneburg, und ich bin Ihre heutige Zugbegleiterin @FrauWau Malaika.
Ich bin ein 23 Monate junges schokoladenfarbenes Border Collie-Mädchen und wohl Deutschlands einziger Bahnhofshütehund.
Während meine Border-Kollegen alle beschaulich wuschlige übersichtliche Schafe hüten, nehme ich es mit Dieselloks, Güterzügen und sogar mit Draisinen auf:
ich wohne nämlich hier in Ratzeburg im Herzogtum Lauenburg in einem richtigen echten Bahnhof:
Dabei habe ich großes Glück gehabt, ich habe gehört, viele meiner Mithunde auf dieser Welt leben ja zwangsweise als Streuner in Bahnhöfe, sehr traurig ist das…
Ich aber darf seit meiner Rettung aus auch ziemlich unerfreulichen Lebensumständen nun sehr komfortabel mit meiner Familie im Bahnhofsgebäude residieren,
Welcher Hund kann von sich schon behaupten, dass seine Hundehütte ein riesiges Bahnhofsgebäude aus Kaisers Zeiten ist und dass sein Körbchen direkt über der Schalterhalle steht?
Meine Familie, das sind Frau Mensch, Fräulein Mensch, Herr Mensch und natürlich auch Herr und Frau Katzenschaf. Und irgendwie auch die Züge.
Seit ich hier bin, habe ich natürlich sofort begonnen, mich um den ordnungsgemäßen Bahnbetrieb zu kümmern.
Denn ich bin ja ein waschechter Border Collie, ein Arbeitshund – ich brauche zu tun, sonst komme ich bloß auf allerhand dumme Gedanken.
(Dann werde ich nicht mehr Malaika genannt, sondern mit meinem voll peinlichen Geburtsnamen vom Züchter angesprochen. Da tu ich dann gut daran, brav zu sein, um den Namen bloß nicht noch ein zweites Mal hören zu müssen.)
Am wichtigsten ist für mich Routine. Dazu gehört vor allem natürlich der mehrfache tägliche Kontrollgang rund um meinen Bahnhof. Gleis 1 und 2 sind voll in Betrieb und werden stündlich in beide Richtungen befahren, da gibts also ständig zu tun.
Beim Einfahren der Züge muss ich darauf achten, dass ich sie ins richtige Gleis treibe. Die Zugführer und auch die Reisenden hören recht gut auf mich, so dass ich nur ganz selten einen in die Waden zwicken muss. (Spässle, selbstverständlich mach ich sowas nicht, Frau Mensch nennt das „Erziehung“ dass ich mir vorher überlegen muss, welche Beine für mich tabu sind und welche nicht. Leider kaum welche. Tischbeine noch am ehesten. Seufz.) Diesen Regionalexpress aus Lübeck habe ich doch schon glänzend im Griff, oder? Schön am Bahnsteig eingehütet.
Vor kurzem haben sie hier eine Hütehundrampe gebaut, das ist nicht nur praktisch für mich weil ich dann noch schneller nach oben geflitzt bin als über die Treppe, sondern weil dann auch die Reisenden mit Rollator, Rollstuhl, Fahrrädern, Inlinern, Tretrollern und Kinderwagen keine so großen Probleme haben. Ähm, wir sind hier unter uns? Psst, dann verrat ich Ihnen mal ein Geheimnis: je zügiger und gleichmäßiger insbesondere die Roller und Kinderwagen mit den Menschenwelpen einfach weiterziehen, umso weniger machen sie mir auch Sorgen. Ich arbeite aber dran und Frau Mensch übt ganz viel mit mir nach einem ganz besonderen Trainingsprogramm, damit mich das dann bald mal gar nicht mehr beunruhigt. Frau Mensch versucht mir zwar immer zu erklären, dass Menschenwelpen nur für deren Menscheneltern wirklich beunruhigend seien dennoch bin ich misstrauisch. Ich fände es im übrigen ausgesprochen hilfreich, wenn Sie Menschen – egal ob Welpe, Jungmensch oder ausgewachsen – auch mit den Ohren und dem Hinterteil sprechen könnten, Das würde die Kommunikation mit euch Menschen manchmal schon arg erleichtern.
Aber ich schweife ab, ich wollte Ihnen ja noch meinen Bahnschrankendienst zeigen. Eine Schranke mit Glockensignal warnt hier, die Reisenden immer mit 10 sanften Dongdongs vor, dass die Schranke nun wirklich bald runterkommt. Die meisten glauben es aber doch nicht und versuchen noch rüberzurennen – dummerweise ist das der einzige Weg von Gleis 1 auf Gleis 2 und umgekehrt – und dann muss ich aufpassen, dass keiner leichtsinnig dem Zug in den Weg läuft, den er grad nicht mehr zu kriegen im Begriff ist.
Wenn ich die Strecke stadteinwärts patrouilliere, dann habe ich noch einen besonderen Service für die Reisenden – mein Ampeldienst.
Frau Mensch hat mir schon ganz viele Tricks beigebracht; und dieser hier ist wirklich äußerst praktisch und wird von den Passanten immer als ganz besondere Dienstleistung wertgeschätzt:
In den Zeiten zwischen meinen Kontrollgängen draußen bin ich aber natürlich auch nicht untätig – dann hab ich Innendienst. Das ist keinesfalls langweilig, denn ich habe meine eigenen zwei Katzenschafe dort, die ich den ganzen Tag hüten darf. Meine Miniherde, quasi. Frau Katzenschaf Lumpsi und Herr Katzenschaf Püssel.
Die sind übrigens im aktiven Bahninnendienst, indem sie jeden ankommenden Zug am Fenster überwachen.
Sie ergänzen meine Außendiensttätigkeit somit perfekt; und beim Dongdong der Schranke beziehen sie ihren Arbeitsplatz am Fensterbrett – hier erfassen sie wohl gerade die Reisenden statistisch.
Lagebesprechungen über zügige und bahnsinnige Projekte führen Frau Katzenschaf und ich dann stets auf der roten Couch durch…
wohingegen Herr Katzenschaf den Konferenzraum „Schlafzimmer“ bevorzugt.
Sie bemerken es gewiss, die beiden Katzenschafe sehen sich zum Verwechseln ähnlich, sie sind nämlich Zwillinge und waren schon lange vor mir da als ich hier ankam. Ich habe mir sagen lassen, dass sie die duldsamsten und gelassensten Katzenschafe der Welt seien und ich da großes Glück hätte, dass sie sich so gleichmütig von mir hüten lassen. Das ist eine anspruchsvolle Aufgabe:es bedarf schon eines guten Border-Auges, um zu erkennen, ob man wirklich alle beide an den rechten Platz gescheucht hat oder ob es nicht doch nur einer von beiden war. Daher ist es mir am liebsten, ich hab sie immer alle gleichzeitig im Blick.
Das ist ganz wichtig, denn in der Bahnhofsvilla steht nämlich nicht nur mein Körbchen, sondern da hab ich noch ein ganz wichtiges Nebenamt: ich bin Atelierhütehund bei Frau Mensch.
Frau Mensch ist Künstlerin, und ich muss ihre neuen Bilder immer davor beschützen, dass die beiden Katzenschafe drüberlaufen, bevor sie getrocknet sind. Das mache ich meist sehr erfolgreich, und Frau Mensch und ich machen eine High-five-Party wenns gelingt:
Frau Mensch malt nicht nur ihre eigenen Artgenossen und allerhand Gassistrecken oder so, sondern ganz oft auch Mithunde von anderen Menschen. Ich mochte es erst ja gar nicht so gerne, dass sie sich dafür also oft stundenlang mit fremden Hunden abgibt. Aber sie hat mir dann recht überzeugend erklärt, dass mein Futternapf sonst anders von innen aussehen würde. Das hat mich dann doch versöhnt. Mich hat sie auch mal gemalt – das hat mich dann doch sehr gefreut, ich bin ja doch ein Mädchen und fühle mich schon etwas geschmeichelt wenn ich als Model entdeckt werde..
Außerdem bin ich auch als Kunstkritikerin unverzichtbar, ein Amt das ich mit großem Ernst erfülle (besonders wenn ich – so wie hier – keine Hundebilder rezensieren muss.) Die Katzenschafe verstehen davon nix, die halten sich darum auch eher im Hintergrund des Arbeitstischs auf der Katztatur oder wie das heißt auf.
Die Nachmittagspause verbringen wir Tiere im Bahnhofsdienst aber dann alle gemeinsam beim Bett-Hüten. (das bleibt aber bitte unter uns, ja? Sonst kann ich mich bei meinen Mithunden nie wieder blicken lassen…)
Natürlich hat auch ein Bahnhofshütehund Hobbies. Wer so wie ich im Bahndienst ist, braucht einen guten Ausgleich. In meiner Freizeit lerne ich darum bei Frau Mensch eine Menge Tricks – sinnvolle, so wie der Ampeltrick, aber auch völlig blödsinnige, die einfach nur Spaß machen. Und die üben wir dann auch während ich im Atelier auf meine Aussendiensteinsätze warte. So wird mir selbst dann nicht langweilig, wenn die Katzenschafe ihr Nickerchen mal wieder zu lange ausdehnen und mir nicht zu Hütezwecken zur Verfügung stehen.
Ich mach mir ja eigentlich nicht so viel aus Futter, aber für Pfälzer Leberwurst mach ich dann sogar mal nen Handstand:
Ich hab schon als kleines Baby angefangen, Tricks zu lernen – wer Lust hat, noch mehr davon zu sehen, der kann ja mal hier in meinen „Graduation-Film“ reinschauen, das ist sozusagen mein Abiturvideo für die Tricksschule:
Doch nur Tricks wäre mir natürlich auch zu langweilig (obwohl das Denken ganz schön müde macht, das kann ich Ihnen verraten!
Einmal die Woche nach Feierabend trainiere ich mit Fräulein Mensch Agility. Das ist ein toller Sport für einen Bordercollie wie mich, der schnell rennen und schnell denken kann (und der einen ebenso schnellen Menschen hat. )
Vor zwei Wochen bin ich meinen allerersten Parcours unter Turnierbedingungen gelaufen, und Fräulein Mensch und ich sind ziemlich stolz drauf, wie gut es lief Wer mag und eine Minute Zeit hat, der kann sich unseren Lauf hier ansehen um einen Eindruck zu bekommen,was dieses Agility eigentlich für ein Sport ist:
Doch auch nach dem Sport hab ich natürlich nicht lang nicht Schluss. Spätabends bei uns am Bahnhof habe ich immer noch eine Kontrollrunde zu gehen und meinen Bahnhof aufzuräumen. Das ist ganz wichtig, Sie ahnen ja gar nicht, was es für schlampige Leute gibt.
Manche – die riechen meist nach ganz komischem Menschen-Trinknapf – nennen mich ja auch „Drecksköter. (Ja, ich weiß, SIE würden so etwas nie sagen, doch solche gibt es. Echt.) Na, und jetzt raten Sie mal, wer deren Dreck dann aber wegräumt:
Nach diesem anstrengenden Dienstplan ziehe ich mich dann am Ende meines Arbeitstags als Bahnhofshütehund stilgerecht in mein Gleisbett zurück:
Ich danke Ihnen für Ihre Begleitung und wünsche Ihnen noch weiterhin eine hunderbare Reise im Internet.
Mit bahnsinnig lieben Grüßen,
Ihre FrauWau Malaika.