…oder wie Sie Ihren Hund zukünftig wieder am Gesicht statt am Popo identifizieren – Teil 1
Hiiiieeeeeehieeeer! Kommst Du wohl her! Komm sofort her! Zuuuuu mir jetzt!
Jeder Hundehalter wird täglich mit dem Problem des Rückrufes konfrontiert. Sei es, weil der eigene Hund nicht immer freudig angerannt kommt. Oder sei es, weil ein anderer Hundehalter seinen Hund nicht ordnungsgemäß zurück rufen kann und dadurch schwierige Situationen entstehen. Diesen Ärger sollte man anderen Hundehaltern und hundelosen Mitmenschen ersparen, damit jeder entspannt spazieren geht. Das Wort “Spazierengehen” birgt schon das erste große Missverständnis. Denn der drollige Fellkumpel zu unserer Rechten oder Linken geht grundsätzlich nicht spazieren, sondern auf die Jagd.
Warum das Zurückkommen so schwer fällt
Die meisten Vierbeiner verbringen den größten Teil ihres Lebens in unserer Wohnung oder auf unserem Grundstück. In der Regel entscheiden sie nicht frei, wann und wohin sie des Weges gehen. Ihre gewohnte Umgebung und oft auch ihren Menschen haben sie immer oder oft um sich. Da ist es mehr als verständlich, dass der eigene Mensch oder das eigene Spielzeug uninteressant wird, sobald sich das große Tor zur Freiheit öffnet. Egal ob mit oder ohne Leine: Zeitung lesen und Beute erspähen ist jetzt wichtiger.
Vielleicht geht das andere Ende der Leine (Mensch) spazieren, der Hund jedoch geht auf die Jagd.
Das ist aufregend und führt unter Umständen dazu, dass Gehör oder Fokus auf die Bezugsperson nur noch sehr eingeschränkt funktionieren.
Natürlich muss das so sein, denn wenn der Urahne Wolf im Jagdmodus auf ein Knistern im Unterholz reagieren und für den Bruchteil einer Sekunde nicht auf seine Beute konzentriert wäre und diese entwischt, hätte er seine Energie umsonst verschwendet. Der vorübergehende Verlust des Hörvermögens ist also evolutionär angelegt. Damit Hund generell und gerade in solch schwierigen Situationen mit großem Außenfokus, zuverlässig zurückgerufen werden kann, ist gutes und konsequentes Training nötig.
Tipp1: Immer schön freundlich
Der Ton spielt die Musik! Unsere Hunde können unsere Stimmungen bekanntermaßen sehr gut deuten. Je ärgerlicher, aufgebrachter oder ungeduldiger der Rückruf klingt, je weniger Anreiz hat der Hund in dieser Stimmung zu uns zu kommen. Rufen Sie ihn daher am besten immer schön freundlich und in den höchsten Tönen zurück. Das erweckt das Versprechen auf etwas sehr Tolles, da wir diese Stimmlage meist entspannt oder im Spiel einsetzen.
EXTRA TIPP: Damit wir Menschen unserer Natur nach trotzdem Dampf ablassen können, ein liebevolles „Hieeeeehr (laut), du Miststück (leise)!“ sollte seinen Zweck erfüllen.
Tipp2: Leckerlis sind steigerungsfähig
Wahr ist: Hunde haben nur ca. 1.700 Geschmacksknospen und damit rund 7.700 weniger als wir Menschen. Die Vielzahl der Futtermittel & Snacks ist daher sicherlich eher für den probierfreudigen Menschen erschaffen. Dafür können Hunde wesentlich besser riechen und sind in dieser Kombination besonders empfänglich für Leckerlies. Je „besser“ (besser aus Hundesicht definiert bedeutet je stinkiger) ein Geruch, desto interessanter.
Leider erscheint das gewohnte Leckerchen draußen im Vergleich zum Duft des Hirschpopos weniger interessant.
Dieser konkurrierenden Motivation kann der Mensch mit getrocknetem Fisch, leckeren Käsewürfeln, Leberwurst oder Pansen (zumindest am Anfang des Rückruftrainings) beikommen. Testen Sie aus, was Ihr Hund am liebsten mag. Versuchen Sie es mit einem tollen Spielzeug bei futterresistenten Vierbeiner.
Tipp3: Die Rückrufparty
Folgender Trick funktioniert nur bei Hunden, die viele Menschen lieben. „Herrchen ist toll. Aber viele Menschen, bei denen ich im Mittelpunkt stehe, sind noch toller!“ Für Vierbeiner, die diesen Satz sofort mit dem Pfotenabdruck unterschreiben würden, ist diese Methode geeignet. Sie funktioniert wie folgt: Schnappen Sie sich ihren Hund für einen unangeleinten Spaziergang und nehmen Sie ein paar Freunde mit. Wenn ihr Hund noch sehr nah bei der Gruppe ist, wird er zurück gerufen und die Party geht los. Denn sobald er bei ihrer kleinen Gruppe eintrifft, wird durch juchzendes Lob, Leckerli aus aller Hände und ganz viel Streicheleinheiten gefeiert. Die Party wiederholt sich im Laufe des Spazierganges wobei die Rückrufstrecke für den Vierbeiner immer länger werden sollte. Bei so viel Freudentaumel kann das Rückrufsignal nur zum Lieblingskommando werden.
Tipp 4: Bei meinem Menschen ist immer was los!
Wie oben beschrieben ist der Mensch „draußen“ nicht gleichermaßen interessant wie im häuslichen Revier – zumindest wenn er lediglich als „erziehungsberechtigte“ Begleitung neben seinem Hund her trottet. Suchen Sie nach Wegen, die Motivation des Hundes zu erhöhen, sich anstatt mit dem Boden des Weges lieber mit seinem Menschen zu befassen und auf ihn zu achten. Das erreicht Mensch am besten, indem er seinen Hund in einer Erwartungshaltung belässt: In der Erwartung es könnte jeden Moment etwas Spannendes passieren und der Angst etwas zu verpassen.
Diese Situation kann der Zweibeiner nicht nur über die hochwirksame und zufällige Gabe – Spielautomatenprinzip – von Leckerchen erreichen, sondern auch durch eine interessante Weggestaltung, interessantes Spielzeug oder Beschäftigung. Die interessantesten Wege führen um Straßenlaternen, auf Baumstämme oder über Steine hüpfend. Eine kleine Trainingseinheit hier, ein Suchspiel da, oder eine Runde verstecken, beschäftigen den Hund. Sie bringen Spaß, erhöhen die Bindung und sorgen für schöne gemeinsame Erlebnisse – es bleibt immer die Spannung, was wohl als Nächstes passiert. Unser Vierbeiner wird empfänglicher für einen Rückruf, weil er in Erwartung spannender Dinge zumindest mit einem Auge bei uns ist.
Tipp 5: Der perfekte Moment
Am Anfang des Rückruftrainings sollten wir es unserem Hund so einfach wie möglich machen, um gleich Erfolgserlebnisse mit dem zu Rückrufsignal verbinden. Dass dieses zunächst bei geringer Ablenkung im häuslichen oder eingezäunten Bereich mit geringem Abstand geübt werden sollte, dürfte selbstverständlich sein.
Achten Sie beim Training darauf, Ihren Hund nur dann zu rufen, wenn die Wahrscheinlichkeit, dass er zurück kommt, groß ist. Das Signal in einem Moment anzuwenden, in dem der noch nicht sicher rückrufbare Hund seine gesamte Konzentration der Duftmarke der schönen Susi widmet, die Spur von Bambi wittert oder mit Hasso spielt, macht das Signal wirkungslos. Der Hund kann in diesem Moment noch nicht zurückkehren. Rufen Sie ihn dann zurück, wird das Rückrufsignal im schlimmsten Fall als unwichtig und unverbindlich abgespeichert.
Zum Rückruftraining eignen sich vor allem Momente in denen der Hund sowieso gerade ein Auge auf uns wirft, in unsere Richtung rennt oder stehen bleibt und sich umschaut.
Dieses war der erste Streich, die nächsten sechs Rückruftipps zu den Themen Schleppleine, Handsignal, unsichtbare Leine, hin & weg und Vielem mehr gibt es bald im zweiten Teil des Artikels. Bis dahin wünsche ich Hund & Halter viel Spaß auf der Rückrufparty!
Ein Gastbeitrag von Julia Hartkopf
Beitragsbild & Quelle: (c) modigrafie.de, via Julia Hartkopf