Vermögensverwaltung
„César, kommst Du bitte mal?“
„Ja, was ist denn? Hier bin ich!“
„Kannst Du mir erklären, was dieses Gerümpel hier in unserem Bett zu suchen hat?“
„Das ist kein Gerümpel, sondern mein Sparkonto.“
„Du willst mir doch nicht erzählen, dass diese Ansammlung von Kauknochen, Rinderkopfhäuten und Ochsenziemern ein ‚Sparkonto‘ darstellt.“
„Doch, natürlich. Das ist mein Hab und Gut, mein gesamtes Vermögen. Und das muss ich fachmännisch verwalten, damit es nicht verloren geht.“
„Aber doch nicht in unserem Bett!“
„Wo denn sonst?“
„Na, zum Beispiel auf Deiner Decke unter dem Schreibtisch oder in Deinem Körbchen.“
„Das ist mir viel zu unsicher. Hast Du noch nie etwas von einer sicheren Vermögensanlage gehört?“
„Warum willst Du denn Dein ‚Vermögen‘, wie Du es nennst, überhaupt irgendwo bunkern?“
„Du bringst Dein Vermögen doch auch auf die Bank, und das Bett ist eben meine Bank.“
„Aber wie sollen wir denn alle, dann auch noch zu viert, in diesem Durcheinander Platz finden, um zu schlafen?“
„Hör mal, ich habe das Guthaben auf meinem Sparkonto kunstvoll drapiert, das dürfte Dir nicht entgangen sein: Mitten im Bett ein Halbkreis aus Rinderkopfhaut und Kauknochen, die sehr dekorativ ein Stück Ochsenziemer umrahmen. Du kannst nicht behaupten, dass Dein eigenes Sparkonto genauso kunstvoll und ästhetisch angeordnet ist.“
„Mein eigenes Sparkonto liegt auch nicht mitten im Bett und hindert andere Leute am Schlafen.“
„Ich habe mein Hab und Gut ganz bewusst in die Mitte gelegt, damit Du und Papa Euch jeweils daneben legen könnt, also an den Rand des Bettes. Bandito schläft ja sowieso auf Deinem Kopfkissen. Und ich liege dann mitten im Bett, umgeben von dem Halbkreis meines Vermögens und mit dem Kopf auf mein Prunkstück, den Ochsenziemer, ausgerichtet. Das habe ich vorher alles ganz genau ausgemessen und berechnet, Du brauchst Dir keine Sorgen zu machen.“
„Ich finde nach wie vor nicht, dass wir einen stinkenden Ochsenziemer im Bett haben müssen.“
„Und wenn ich nachts Hunger bekomme? Außerdem habe ich ganz genau gehört, wie Du gestern zu Papa gesagt hast: ‚Wenn die Sparzinsen weiterhin so fallen wie bis jetzt, lege ich unser Sparguthaben unter das Kopfkissen.‘ Na also. Und da der Platz unter dem Kopfkissen schon von Deinem eigenen Vermögen besetzt ist, musste ich mein eigenes Hab und Gut eben auf das Bett legen anstatt unter das Kopfkissen.
Außerdem verstehe ich Eines nicht: Du schickst uns in die Hundeschule, damit wir dort alles lernen, was wir zum Leben brauchen, und wenn wir das dann praktisch anwenden, bist Du auch wieder nicht zufrieden.“
„Was hat denn diese Unordnung auf der Bettdecke mit der Hundeschule zu tun?“
„Das ist doch ganz einfach: Die Trainerin spricht von ‚vorausschauendem Handeln‘ und Bandito und ich haben vorausgesehen, dass wir den Platz im Bett möglichst ergonomisch aufteilen müssen, damit wir alle darin Platz haben – mit unserem Sparvermögen.“
„Das ‚vorausschauende Handeln‘ bezog sich aber auf die Hundeeltern – wir sollen Euch vor allem bei den Spaziergängen immer im Auge behalten und vorausahnen, welche Streiche Ihr gleich wieder aushecken könntet, um den möglichen Schaden zu begrenzen.“
„Das hast Du mit Sicherheit falsch verstanden. Es heißt ja schließlich ‚Hundeschule‘ und nicht ‚Menschenschule‘. – Außerdem haben wir beim Agility gelernt, Platz aufzuteilen. Das Ergebnis siehst Du hier: Mein Sparvermögen habe ich sehr ästhetisch und übersichtlich angelegt. Es wird Dir auch nicht entgangen sein, dass Bandito ein ausgezeichneter Mathematiker ist, sogar ein Versicherungsmathematiker, jawohl! Er hat mir dazu geraten, dieses Sparvermögen auf diese Art und Weise krisen- und diebstahlsicher anzulegen. Und für seine professionelle Beratung habe ich ihm selbstverständlich ein Stück Rinderkopfhaut und einen Kauknochen als Honorar abgetreten.“
„Und wo bunkert Bandito jetzt sein eigenes Vermögen?“
„Das ist ein Ratero-Staatsgeheimnis, schließlich können wir nicht das Risiko eingehen, dass diese eisernen Reserven irgendwann einmal auf unerklärliche Weise verschwinden…“
„Papa und mich meinst Du aber hoffentlich nicht damit…?“
„Wieso, fühlt Ihr Euch angesprochen…?“
Beitragsbilder & Quellen: Agnes de Villafranca
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