Silvester – ein Tag, dem Hundebesitzer mit gemischten Gefühlen entgegensehen. Während die Nation feiert, sitzen wir zu Hause und halten den fellnasigen Mitbewohnern die Pfötchen, sofern sie sich nicht bei der ganzen Ballerei schon längst unter das Sofa verzogen haben. Als Besitzer von zwei als besonders geräuschempfindlich geltenden Beardedcollies widerstehen wir seit Jahren jeder Einladung mit den Worten:

„Wir würden ja gerne kommen, aber die Hunde…“ Selten blickt man in Gesichter, die solch tiefes Unverständnis spiegeln.

Doch dieses Jahr kamen wir aus der Nummer einfach nicht raus. Die Nachbarn hatten zur Party geladen. Jegliche Bedenken unsererseits fegten sie rigoros vom Tisch: „Natürlich kommt ihr, und wenn ihr es gar nicht mehr aushaltet, guckt ihr halt zwischendurch mal Zuhause vorbei.“ So geschah es. Wir parkten die Hunde im Wohnzimmer (dort dürfen sie eigentlich nie ohne uns sein),

schalteten ihnen die Silvesterparty im Fernsehen ein und regelten die Lautstärke so hoch, dass die Knallereien von draußen nur noch als dumpfes Wummern unter den Bässen der TV Stimmungshits zu hören waren.

Um kurz vor Mitternacht war ich zuhause

Die Party war ein voller Erfolg. Es wurde gefeiert und getanzt, kurz vor zwölf war die Stimmung auf dem Höhepunkt – und ich auf dem Weg nach Hause. Kurz mal nach den Fiffies gucken (so das Codewort für unser Minirudel). Dort war alles ruhig. Und während ich im TV verfolgte, wie vor dem Brandenburger Tor David Garret auf der Geiger fidelte und sich unbekannte Menschen in den Armen lagen, schlummerten die Hunde schon längst, eingelullt von mehreren Stunden TV-Konsum, auf dem Teppich. Doch gerade als David Hasselhof auf Friedenssuche gehen wollte, riss mich ein unheilvolles Geräusch aus der Idylle. „Rumms“ machte es und wieder „rumms“ – irgendjemand schlug von außen die an die heruntergelassenen Rollos. Ich fiel in Schockstarre. Das konnte kein gut gelaunter Nachbar sein, der mich zum Feuerwerk herauslocken wollte. Wir wohnen in absoluter Alleinlage – inmitten von Wiesen und Feldern. Ein drittes „rumms“ – diesmal von der Terrassenseite – ließ mich zum Hörer greifen. Mit zitternden Fingern wählte ich die Handynummer meines Mannes. Einbrecher, das Yeti oder ein verirrter Betrunkener – nur er konnte mich aus diesem Alptraum befreien. „Der Teilnehmer ist zurzeit nicht erreichbar“ informierte mich eine freundliche Frauenstimme dieses und die nächsten gefühlten 80 Male, die ich die Nummer wählte. Der Handyempfang ist bei uns nicht der beste…

Was ist dieser Lärm???

Ein Schaben an der Tür, ein weiterer Schlag an die Jalousie, dann kehrte Ruhe ein. Aber bestimmt nur, weil der potentielle Eindringling weiter auf seine Chance lauerte… Ich wagte mich ins Arbeitszimmer vor. Dort beruhigte ich meine Nerven mit ziellosem Surfen im Internet.

Zwei endlose Stunden später kam mein Mann nach Hause– bestens gelaunt und etwas verwundert: „Warum bist du nicht zurückgekommen? Du übertreibst auch ein bisschen mit den Hunden…“

Bei einem Blick auf die Terrasse offenbarte sich, dass der vermeintliche betrunkene Yeti ein mittelgroßer Mischlingsrüde war, der sich vor der Knallerei in unseren Garten geflüchtet und in seiner Panik dringend um Einlaß gebeten hatte.

Sehr dringend sogar – davon zeugten die Blutspuren, die er mit seinen aufgekratzten Pfoten an Türen und Jalousien hinterlassen hatte.

Nachdem wir das aufgebrachte kleine Kerlchen sicher bei uns im Haus untergebracht hatten, entlud sich meine Nervenanspannung in einem Heulkrampf. Kurz darauf fragte mein Mann dann doch etwas verwundert: „Warum hast du eigentlich die Hunde nicht rausgelassen um zu gucken, was da los ist?“ Ach ja, unsere Hunde! Die schliefen, dank der deutschen TV-Unterhaltung, noch immer vollkommen tiefenentspannt im Wohnzimmer.

P.S.: Der Fundhund ist am nächsten Morgen wohlbehalten in sein Heim zurückgekehrt.

Ein Gastbeitrag von Mareike Siegmann

Beitragsbild & Quelle: stux / Pixabay, creative commons public domain