Erfahrungen mit dem eigenen Rudel von Beata Petry. Mein Mann und ich leben seit über 18 Jahren mit einem Rudel zusammen und für uns steht fest:

Einmal Rudel… immer Rudel!!!

Es ist spannend, interessant und einfach nur toll – wenn man weiß, wie man ein Rudel führen muss und „Hundeverhalten verstehen“ nicht als unwichtige Nebensache betrachtet. Inwieweit mir da mein Bajado, mein erster Hund, ein Lehrmeister war, dazu hier jetzt mehr:

Warum man beim Kauf eines Welpen genau hinschauen sollte…

Unser erster Berner Sennenhund Bajado kam aus keiner guten Zucht, ich dachte, ich hätte mich gut informiert, aber wie bei so manchen Hundehaltern siegte da auch bei mir „der Anblick des knuddeligen Welpens“, der Verstand war ausgeschaltet.

Unser Bajado war extremst ängstlich, so einen ängstlichen Hund hatte ich bis dahin noch nie erlebt. Er erschrak selbst vor jedem Blatt im Wind. Es zerriss mir das Herz, was für ein hilfloses Bündel Angst er war. Ein wunderschöner Hund, ein Bild von einem Hund, aber….. sooo ängstlich. Aus zwei Hundeschulen ging ich weg, weil man nicht darauf einging, dass er so war und ihn „erziehen wollte“. Und dadurch, dass es mein erster Hund war, hatte ich keinerlei Erfahrung.

Ich bekam keine Hilfe bei der Erziehung eines so ängstlichen Welpens…

und war somit auf mich allein gestellt und begann, mit ihm zusammen die Welt zu erkunden und hörte auf mein Bauchgefühl und schaffte es, dass mein Hund mir am Anfang seines 2. Lebensjahres so folgte und vertraute, dass er auch Dinge für mich bewältigte, die vorher für ihn ein Horror waren.

Rüde Bajado im Schnee - mit ihm fing alles an

Bild & Quelle: Beata Petry

Ich ging auf neue Situationen immer nur so weit zu, wie Bajado sie noch ohne Angst ertragen konnte. Zum Beispiel eine Mülltonne: Ich ging zielstrebig auf sie zu und beobachtete ihn aus den Augenwinkeln ganz genau. Beim ersten Ansatz von Zögern drehte ich ab in eine andere Richtung. Ich selbst blieb dabei ganz ruhig, benutzte keine Worte und ging wie beiläufig wieder auf die Tonne zu, aber nicht direkt. So gab es viele solcher Situationen oder Objekte, die wir bewältigen mussten.
Und in einem großen Zeitrahmen verringerten wir auf diese Weise den Abstand zu „gefährlichen Dingen oder Situationen“. Immer kurz bevor ich abdrehte aus einer Situation, lobte ich Bajado sehr, dazu muss man aber die Körperhaltung seines Hundes ganz genau aus dem Augenwinkel beobachten. Denn man muss loben, BEVOR er anfängt, die Angst zu zeigen, das sind ganz feine Grade der Veränderung in der Körperhaltung.

Das führte dazu, dass mich Bajado in dieser Zeit schon so viel lehrte, aber wie viel er mir noch beibringen würde, das begriff ich erst viel später. Und auch, wie sehr das meine Eigenschaft als rudelführender Mensch so beeinflussen würde, dass meine Hunde mich auch als solchen ansahen und akzeptierten und nicht nur das, sondern auch, wie viel einfacher es für mich sein würde, mein Rudel zu führen. Und…wie viel Spaß das macht.

Einen Kumpel für Bajado

In unserem Wohnort liefen uns 3 x Hunde zu. Bis die Besitzer dazu ausfindig gemacht wurden, dauerte es eine Weile und wenn diese ihre Hunde dann bei uns abholten, trauerte Bajado immer sehr. Somit kam dann relativ schnell der Gedanke an einen zweiten Hund auf und ich nahm mir diesmal alle Zeit der Welt, um einen sehr guten Züchter aus dem Schweizer Sennenhundverein zu finden, zu dem wir dann Kontakt aufnahmen.
So kam unser Fiete zu uns – das völlige Gegenteil von Bajado: sehr kräftig, selbstbewusst, ein „was-kostet-die-Welt“-Typ, von uns liebevoll „Dampfmaschine“ genannt.

Hund Fiete

Bild & Quelle: Beata Petry

Warum die Erziehung des Ersthundes so wichtig und entscheidend ist

Die Beiden waren wie siamesische Zwillinge, Fiete liebte seinen Bajado abgöttisch und was ich nicht für möglich gehalten hatte: Bajado wurde der Boss und Fiete stellte das nie in Frage. Aber ich stellte ich mir schon die Frage, warum das so war und wieso Bajado, der kräftemässig und und auch wegen seines ängstlichen Wesens Fiete nichts engegenzusetzen hatte, es schaffte, dass Fiete ihn als Rudelboss akzeptierte. Es war einfach nur schön, dass es bei dieser Mehrfachhundehaltung keine Probleme gab. Da wo Bajado hinging, da ging auch Fiete hin. Zu dem Zeitpunkt war Bajado schon gut erzogen und vor allem durch unsere gemeinsame Angstbewältigung sehr auf mich fixiert. Das erleichterte mir die Erziehung von Fiete sehr, denn er guckte sich ganz viel bei Bajado ab. Das aber stellte mich zusätzlich vor eine Herausforderung, denn ich war sehr darauf bedacht, dass sich Fiete nicht etwas an Unsicherheit abgucken könnte.
Der Stand der Erziehung des Ersthundes ist für den Zeitpunkt der Aufnahme eines Zweithundes von großer Bedeutung, denn dieser guckt sich viel ab und nicht nur die positiven Dinge. Mein Glück aber war, dass Fiete so selbstbewusst war, dass er die Ängstlichkeit von Bajado einfach „übersah“ und viel wichtiger: Bajado begann, sie vor ihm zu verstecken und Dinge zu tun, die vor Fiete undenkbar waren.

wie harmonisch ein Rudel Hunde sein kann - alle im Wohnmobil

Bild & Quelle: Beata Petry

Ein Beispiel: Fiete schwamm gerne, wir wohnten in der Nähe eines Sees. Dieser hatte an einigen Stellen 40 cm hohe Spundwände und Fiete liebte es, von da aus ins flache Wasser zu springen und von dort loszuschwimmen. Bajado stand immer am Ufer und piepte. Ich forderte ihn auf, auch reinzuspringen, lockte ihn. Jedes Vorgehen lobte ich sehr und jedes Zurückweichen ignorierte ich.

Er trippelte, als würde er auf heissen Herdplatten stehen und… ich glaubte es kaum…nach einer Weile… er sprang.

Ich hörte gar nicht auf, ihn zu loben und er peste aus dem Wasser zu mir und ich animierte ihn wieder und…. er sprang. Das war ein Moment, in dem er für die Zukunft einen Riesen-Teil seiner Angst ablegte.
Der Umgang mit Angst bei einem Hund ist verschieden und der Satz „einen unsicheren Hund darf man nicht beachten, bzw. muss seine Angst vor etwas ignorieren“ ist nicht immer sinnvoll, das sollte ich später bei der Übernahme der Führung des Rudels in Bezug auf Basti noch einmal bestätigt bekommen.

Mehrhundehaltung: Aus zwei mach drei!?

Als Bajado und Fiete 4 bzw. 5 Jahre alt waren, kam bei uns der Wunsch nach einem dritten Hund auf und weil Fiete aus so einer guten Zucht stammte, wollten wir dort noch mal einen Hund holen. Jeder, der mitbekam, dass wir mit dem Gedanken an einen 3. Hund spielten, gab uns Bedenken auf den Weg, so sehr, dass wir sogar anfingen zu zweifeln, ob unser Vorhaben wirklich richtig war.

Von gutgemeinten Hinweisen und Warnungen

Das ging über „ihr wollt Eure siamesischen Zwillinge auseinanderreissen, Stress im Rudel, mehrere Hunde an der Leine, Rudeldynamik usw.“
Das erzählte ich der Züchterin und hörte mich plötzlich sagen, wenn ein Rüde im Wurf dabei ist, dann machen wir das und wenn keiner dabei ist, dann soll das so sein. Schicksal. Nach Ablauf der Trächtigkeit rief die Züchterin an: „Die Welpen sind da…Pause… Es ist nur einer und das ist ein Rüde!“

So kam unser Louis, Fietes Halbbruder zu uns. Zu diesem Zeitpunkt war Fiete schon lange ein Rüdenhasser, weil er mit 11 Monaten von einem anderen Rüden so schwer verletzt worden war, so dass eine 3-stündige OP notwendig gewesen war. Von da an ging mit fremden Rüden nichts mehr. Seine eigenen
beiden Kumpels aber liebte er weiterhin über alles. So hatte ich 2 friedliche Hunde an der Leine und einen, der rot sah, wenn ein Rüde entgegenkam, das war oft sehr schwierig, aber es hat mit dazu beigetragen, dass ich mich noch mehr mit Hundeverhalten und der Mehrfachhundehaltung beschäftigt habe.

Ich habe im Bezug auf Fiete’s Rüdenhass aus Unwissenheit viele Fehler gemacht…

Mit dem Wissen, welches ich heute habe, weiß ich, dass ich im Bezug auf Fiete nach der Beisserei viele Fehler gemacht habe und auch, wie sehr ich selbst als Mensch dazu beigetragen hatte, dass er so blieb. Leider kam dieses Wissen darum für meinen Fiete zu spät, er starb mit nur 7 1/2 Jahren.

Heute weiß ich, dass ich unbewusst seinen Hass und seine Probleme verstärkt habe, ihm keine Sicherheit gegeben habe, indem ich selber in Situationen, in denen uns ein Rüde entgegenkam, panisch wurde, die Leine kurz nahm und anfing zu schwitzen und kurz zu atmen, also völlig verspannt war. Dass das so war, ich der Grund war, das verstand ich erst viel später, als ich einmal mit Louis alleine unterwegs war. Louis war im Bezug auf andere Hunde immer völlig entspannt. Es kam uns ein Rüde entgegen und ich bemerkte auf einmal wie Louis steif wurde, stakste, fixierte und anfing zu brummeln. Mit dem tiefen Schrecken über Louis‘ Reaktion kam augenblicklich die Erkenntnis, dass ich ja Louis an der Leine hatte und nicht Fiete. Ich entspannte mich sofort und mein Louis… bekam auch sofort eine entspannte Körperhaltung und widmete sich wieder anderen Dingen und wir passierten den anderen Rüden völlig relaxt. Das war ein Erlebnis, welches mir im bezug auf „4 Hunde an der Leine“ anschließend enorm zugute kam.

Ich wollte nach Fietes Tod keinen Hund mehr dazu, die Trauer war zu groß. Dann sah ich, wie sehr Louis trauerte, obwohl Bajado noch da war und auch, dass Louis kurz davor war, sich aufzugeben… Wir mussten handeln und so ging das „Abenteuer Rudel“ weiter. Basti kam zu uns, auch aus einer sehr guten Zucht. Sicher, relaxt und selbstbewusst, ein toller kompakter Berner.

Wie löst ein körperlich unterlegener Rudelboss Situationen? Wie wichtig ist Körpersprache?

Ich hatte schon vorher angefangen, Bajado zu beobachten, wie er Situationen, in denen er kräftemässig keine Chance gegen die beiden Dampfwalzen hatte, löste: mit Körpersprache und manchmal auch mit List – und wie gut das funktionierte.

Ein Beispiel: Zu unserem Garten führt von der Terrasse aus ein kleiner steiler Weg hinunter und wenn ich das Hunderudel rausließ, stürmten immer alle da runter. Bajado ließ ich immer zuerst raus und einmal hatte ich nicht gesehen, dass er noch mitten im Weg stand, als ich Fiete und Louis rausließ und bekam einen Schreck, denn ich sah im Geiste Bajado schon umgerannt.

Plötzlich rammten Fiete und Louis ihre Beine wie vom Blitz getroffen in den Boden und Bajado stand immer noch da, wo er war… Ich glaubte meinen Augen nicht zu trauen, aber Bajado stand da, völlig unbeeindruckt im Weg mit der Nase im Wind und die anderen beiden….? Sie hoben auch ihre Nase in den Wind, was Bajadao da wohl so Spannendes gerochen hätte… Und während sie das machten, tippelte mein schlauer Bajado schnell um die Ecke aus dem Weg. Er hatte nichts gerochen….er hatte einen Trick angewandt, um nicht umgerannt zu werden.

Hunderudel auf der Wiese

Bild & Quelle: Beata Petry

Während der ganzen Zeit mit Bajado, Fiete und Louis beherbegten wir auch oft für lange Zeit eine spanische Podenco-Mix Hündin in unseren vier Wänden. Sie war ein ganz eigener Charakter, den man „überzeugen“ musste, wenn man sie auf seiner Seite haben wollte. Sie war ein ganz toller Hund und hat mir ihrereseits mit ihrem Wesen und dem Verhalten eines Podencos auch viel Wissen mit auf den Weg gegeben. Wir vermuteten in ihr Schäferhund und Podenco, sie hatte den Körperbau eines Schäferhundes und das verhalten eines Podencos. Das brachte mich wiederum auf die Schiene, mit meinen Hunden gezieltes Antijagdtraining zu machen, das ich immer wieder abfrage. Welpen hatte ich glücklicherweise von Anfang an verboten, irgendetwas hinterherzugehen und wie richtig das war, wurde mir dann mit Jule noch einmal bewusst. Podencos sind Jäger und ein Rudel zu haben, in dem ein Hund jagt, das geht nicht. Nicht nur dass es nicht sein darf, es ist auch gefährlich. Geht einer stiften, gehen alle stiften, je nach Charakter – Rudeldynamik eben.

Drei Rüden und eine Hündin – eine ganz neue Herausforderung

Somit hatte unser Mehrhundehaushalt zu dem Zeitpunkt 3 Hunde und diesen Pflegehund:

 

  • meinen Bajado, schmal und zart und unglaublich souverän, was man diesem Hund niemals zugetraut hätte
  • Fiete, eine kleine Dampfmaschine, ein sehr selbstbewusster, sehr lebhafter Rüde und Rüdenhasser
  • Louis 63 kg bei einer Schulterhöhe von 74 cm, aber ebenso gutmütig und selbstsicher wie groß, aber temperamentvoll. Den „gemütlichen Berner“, die „komme ich heute nicht, komme ich morgen-Berner“, die habe ich nie gehabt, ich hatte nur Rakteten.
  • und…“unsere“ Jule, die auf ihre ganz eigene Art und Weise zum Rudelleben beitrug und nicht nur das: sie beeinflusste auch die Rangordnung und machte es für mich noch einmal spannender.

 

Sie war ja „nur“ ein Gasthund, der zwar auch immer für Wochen hier war, aber ebenso auch für lange Zeit dann wieder nicht. Ich bemerkte eines Tages, dass sie Bajado in seiner Eigenschaft als Rudelboss unterstützte.Sie bekräftigte sozusagen sein Tun immer noch mal und ich merkte an Bajado, dass ihm das nicht nur guttat, sondern dass er es auch annahm und zuließ. Verändert wurde unser Rudel nur durch den Tod eines Hundes, so dass Welpen dazukamen, diesen Gasthund und unsere Greta, die vor 6-jährig in unser Rudel kam und blieb und uns noch einmal vor eine Herausforderung stellte, weil sie nicht nur ein „second-hand-Hund war, sondern auch Epileptikerin.

Wechselnde Hierarchien in der Mehrhundehaltung

In der ganzen Zeit bis heute hatte ich 3 wechselnde Rudelbosse unter meinen Hunden, die jeder auf ihre Weise die Führung innehatten und es nur einen Führungswechsel durch den Tod eines Hundes gab. Heute ist Basti der Boss und sein Weg zum Rudelboss-sein verlief bei ihm sehr viel anders als bei den anderen beiden. Ganz besonders dadurch habe ich auch noch mal viel gelernt. In 18 Jahren habe ich, trotz so verschiedener Rüden-Charaktere, Pflegehund und einer „Second-Hand-Hündin“ niemals Stress oder größere Probleme in meinem Rudel gehabt.

das aktuelle Rudel

Bild & Quelle: Beata Petry

Wenn Menschen so wären wie ihr, es gäbe keine Kriege..

 

Beata Petry mit ihrem Hunderudel

Bild & Quelle: Beata Petry