Gerade habe ich mitten am Tag mit meinen beiden Hunden – Tibetterrier Habca, 9 Jahre, und Nomi, 10 Jahre – auf dem Bett gelegen, Habca hat sich in meinen Arm gekuschelt und leise geschnarcht, Nomi hat mir die Füße gewärmt. Keiner von ihnen hat sich Sorgen über doofe Nachbarshunde, das Abendessen, oder das Wetter am Wochenende gemacht. Die zwei sind Meister im Entspannen, und eigentlich sind das fast alle Hunde.

Eigentlich? Ja, denn die hohe Kunst ist das, was Hundetrainer „Entspannen am Auslöser“ nennen: Entspannen, wenn der Lieblingsfeind an der Straßenecke auftaucht. Entspannen in einem Wald voller Wildfährten. Am Start des Agilityparcours. Am Spielplatzrand. Das sind Situationen, in denen wir eine entspannte Reaktion unserer Hunde wünschen und brauchen. Denn das sind Situationen, in denen Hunde in Stress geraten, nicht mehr ansprechbar sind, überreagieren.

Jeder hat seine eigenen Auslöser, aber eines ist allen gemeinsam: Wenn der Hund einmal im Sog dieser Situation ist, wird es blöd.

Und wenn der Mensch an der Leine dann schreit und zischt und ruckt und stampft, wird es in aller Regel immer blöder.

Manchmal gibt es einfach Stress

Für Hunde und Hundehalter, die die Sogwirkung solcher Aufregung kennen, ist Entspannung kein Luxus, sondern das notwendige Schräubchen, das zum Trainingserfolg oft fehlt.

Ein angespannter, aufgeregter, gestresster Hund ist nämlich oft gar nicht in der Lage, das umzusetzen, was wir von ihm wollen. Stellen Sie sich vor, Sie sollten französische Vokabeln oder mathematische Formeln hersagen, während Sie die Frau, mit der Ihr Mann Sie betrügt, durch ein verwinkeltes Parkhaus verfolgen, und Ihr Kind an Ihrem Ärmel (der Leine) zerrt – schwierig, oder? Ihrem Hund, der dem Kaninchen hinterherstarrt/ den bösen anderen Hund fixiert/ Riesen-Angst vor der flatternden Plastiktüte hat geht es nicht viel anders. Ihre Stimme („Sitz! Fuß! Stell dich nicht an!“) klingt wie aus weiter Ferne, er kann sich einfach nicht abwenden, die Wurst in ihrer Hand vor seiner Nase stört doch jetzt nur!

So ein Hund ist mittendrin in der „Stress-Reaktion“: ein Reaktion des gesamten Lebewesens auf eine als gefährlich oder lebenswichtig angesehene Situation. Alles, was zur Bewältigung dieser Situation gebraucht werden könnte, wird gefördert: es wird zum Beispiel ganz viel Energie bereitgestellt, auch aus den Energiespeichern (in Leber, Muskulatur und Fettgewebe), das Herz schlägt schneller, damit die Blutversorgung gut genug ist, der Blutdruck wird erhöht, Schmerzen werden weniger empfunden, damit sie nicht stören (Sie kennen Jagdhunde, die mit aufgeschnittener Pfote noch kilometerweit jagen können, es aber nach der Jagd zuhause kaum vom Körbchen zum Sofa schaffen? – das sind die Endorphine). Die Aufmerksamkeit des Lebewesens konzentriert sich jetzt fast vollständig auf die vermeintliche Gefahr – Ihr Hund hört sie schlicht und ergreifend nicht mehr. Alles, was das Lebewesen aber in dieser Situation nicht brauchen kann, wird heruntergefahren: die Verdauung zum Beispiel, alles was mit Sex zu tun hat, und das Immunsystem. Bei Menschen ist das nicht viel anders als bei Hunden. Beide bereiten sich in Sekundenbruchteilen darauf vor, ihr Überleben zu sichern. Die Evolution hat uns zwei bis vier (je nachdem wen Sie fragen) Alternativen mitgegeben, was man in solchen Situationen tun kann:

  • Kämpfen (fight),
  • Fliehen (fight),
  • Erstarren (freeze), oder
  • Herumkaspern (fiddle).
  • Hund in Stresssituation

    href=“http://pixabay.com/users/PDPics/“>PDPics / Pixabay, creative commons public domain

    Wenn Sie nochmal an Situationen denken, in denen Ihr Hund sich furchtbar aufregt – Sichtung anderer Hunde, Wildfährten, Hundesport, rennende Kinder? – dann sind das alles nicht so richtig tolle Ideen in unserem gemeinsamen modernen Leben. Wir wollen, dass unser Hund anders reagiert. Wir wollen ihm was anderes vorschlagen. Aber: er kann uns ja gar nicht hören! Er rennt ja innerlich wütend durchs Parkhaus!

    Um mit unseren Vorschlägen bei ihm landen zu können, müssen wir ihn erst aus dieser automatischen Reaktion herausholen.

    Sobald wir also merken, dass diese Stressreaktion losgeht – der Hund führt bekannte Signale nicht mehr aus, er wirkt kaum noch ansprechbar, unruhig, unkonzentriert, er hechelt, schaut an uns vorbei, zerrt an der Leine, bellt aufgeregt – wollen wir ihm ein Signal geben, das Entspannung auslöst.

    Erst wenn das gelingt, können wir anfangen, mit dem Hund an anderem passenden Verhalten zu arbeiten, zum Beispiel im Rahmen einer Desensibilisierung.

    Entspannung, bitte

    „Ein Signal, das Entspannung auslöst“ – klingt toll, oder? Es ist gar nicht so anders, als ein Signal, das eine Bewegung des Hundepopos Richtung Boden auslöst (landläufig: „Sitz!“).

    Überlegen Sie sich, wann Ihr Hund von sich aus entspannt. Nach dem Spaziergang? Nach dem Fressen? Jeden Vormittag um elf? Geben Sie zwei, drei Tropfen gutes Lavendelöl (alternativ Kamille oder Melisse) auf ein kleines Tüchlein, am besten ein Halstuch. Wenn Sie sehen, wie Ihr Hund zu seinem Schläfchen tapert, und Sie würden 50€ darauf verwetten, dass er sich jetzt hinhaut und schläft – dann legen Sie dieses Tüchlein unauffällig neben ihn. Und sagen Sie doch bitte mit warmer Stimme ein Entspannungs-Wort, zum Beispiel „eeeeasy“ oder „relax“. Nach zehn Minuten nehmen Sie Ihr Tüchlein wieder weg. Das machen Sie bitte mindestens einmal täglich drei Wochen lang.

    Wissen Sie, was Ihr Hund dadurch lernt? So unbewusst wie der Pawlowsche Hund mit seiner Glocke lernt Ihr Hund: „immer wenn es nach Lavendel riecht, schlafe ich wohlig ein.“ und/ oder „immer wenn die Frau eeeeasy sagt, wird mir ganz wohlig-schummrig“. Fertig ist Ihr Entspannungssignal! Das Halstuch können Sie Ihrem Hund zum Beispiel zum Tierarztbesuch anziehen, dem Jagdhund zum Waldspaziergang, dem aggressiven Hund zur Trainingsstunde. Natürlich wird ihr Hund jetzt nicht einschlafen, aber er wird deutlich entspannter sein. Genauso ist es mit Ihrem Entspannungswort.

    Denken Sie nur daran, Ihr Entspannungssignal (so wie jedes Signal) wieder „aufzuladen“, wenn Sie es benutzt haben. Benutzen heißt: der Hund erlebt etwas Anstrengendes, Schwieriges, während es nach Lavendel riecht. Aufladen heißt: Der Hund entspannt ganz herrlich zuhause, während es nach Lavendel riecht.

    Viel Spaß und Erfolg mit Ihrem Entspannungstraining! Wenn Sie noch mehr für die Entspannung Ihres Hundes tun möchten, schauen Sie doch mal in das Buch „dog relax“ von Sabine Pilguj oder „Anti-Stress-Programm für Hunde“ von Sarah Fisher hinein. Ob

  • Massage,
  • Entspannungsmusik,
  • Aromatherapie,
  • Bandagen,
  • Berührungstechniken,
  • Nahrungsergänzungsmittel,
  • Yoga mit Hund oder
  • Meditation mit Hund
  • – irgendwo werden Sie das Richtige für Sie und Ihren Hund finden. Dann probieren Sie, ein ankündigendes Signal einzuführen, wie ich es oben beschrieben habe, und Sie haben Ihr ganz eigenes Entspannungssignal.

    Ich freue mich schon darauf, Sie zu treffen, und wenn Ihr Hund gerade abgehen will wie das berühmte Zäpfchen, schreien Sie „Bello, Yoga!“, und Bello wendet sich mit einem wohligem Seufzer von seinem Opfer ab.

    Ein Gastbeitrag von Miriam Arndt-Gabriel von der Hundeschule Die Hundephilosophin

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