Heute haben Horton und ich wieder Frau Schneider, unsere Lieblingsnachbarin, getroffen. Ich mag Frau Schneider, weil sie mich irgendwie an meine Oma erinnert. Horton liebt sie heiß und innig, weil Frau Schneider immer ein Leckerlie für ihn dabei hat. Frau Schneider verteilt gerne, oft und reichlich von den schmackhaften Häppchen.

Das sieht man ihrem treuen Begleiter Bernhard auch deutlich an. Bernhard war mal ein Rauhaardackel, bis er völlig seine Silhouette verloren hat. Bernhard hat – wie immer – den Montags-Blues und trottet angestrengt hinter Frauchen her. Am Sonntagabend läuft der Tatort und den schauen Frau Schneider und Bernhard in ritueller Eintracht zusammen. Frau Schneider, weil sie gerne Krimis guckt und Bernhard, weil Frauchen beim Tatort das Gefühl für Zeit, Raum und Futtermenge verliert. 90 Minuten voller Spannung für Frau Schneider und 1,5 Stunden Druckbetankung für den Hund.

Ich sehe in Bernhards Augen, dass er mich gerne zur Begrüßung anspringen würde, sehe aber auch seine Sorge, dass er dabei ohnmächtig werden könnte. Aus freundschaftlicher Verbundenheit wedelt er behäbig mit dem Schwanz und kriecht langsam auf mich zu. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, dass da ein Alligator auf mich zuröchelt. Na ja, eher ein Kugelfisch. Bernhard ist inzwischen zu einem Wohlstandsödem mit vier Beinen mutiert und hat jede Freude an der Bewegung verloren. Wenn er weiter so viel Futter bekommt, wird er bald mit seinen Pfoten nicht mehr den Boden erreichen können. Ich überlege kurz, ob ich nicht eine Gassi-Drohne für adipöse Vierbeiner entwickeln sollte. Dann kannst Du deinen Hund zum Pinkeln fliegen. Irgendwie hab ich dann aber doch Schiss vor der Selbständigkeit.

Mein Hund steht eigentlich immer unter Strom und dreht dabei regelmäßig bis in den roten Bereich. Er animiert sogar sein Stöckchen auf dem Rasen mit stundenlanger Begeisterung zum Spiel. Bei Bernhard ist Horton aber seltsam zurückhaltend. Ich glaube wirklich, dass Hunde so etwas wie Mitleid empfinden. Die Art, wie er Bernhard ansieht spricht dafür.

Wie sagt man jemandem, den man wirklich mag, dass sein Hund zu dick ist? Na, am besten mit Humor!

Hier sind mal ein paar Ideen:

  • “Hey, Frau Schneider, Google-Earth hat angerufen. Ihr Hund ist im Weg”
  • “Was ist das, ein Dackel im Speckmantel?”
  • “Da haben Sie aber einen lustigen Ballon. Sieht ja fast wie ein Hund aus!”
  • “Cool, ihr Rollator hat ja ein Fell!”

Ich kann dieser lieben Frau doch nicht das Herz brechen, aber wenn sie so weiter macht hört Bernhards Herz bald auf zu schlagen. Sie liebt ihren Hund abgöttisch, aber “sometimes love hurts!”. Das ist ganz offensichtlich.

Ich nehme allen Mut zusammen uns sage es ohne Umschweife frei heraus: “Frau Schneider, verstehen sie mich nicht falsch, aber kann es sein, dass Bernhard in letzter Zeit, na sagen wir mal, etwas pummelig geworden sein könnte?”

“Finden Sie?”, seufzt Frau Schneider traurig. “Er isst doch so gerne”, ergänzt sie noch trauriger.

Frau Schneider sieht mich völlig verzweifelt an und ich finde einfach keinen Ausweg aus dieser unangenehmen Sackgasse. Mein Frau tritt wie aus dem Nichts an uns heran und rettet die Situation gekonnt.

“Sollen wir Bernhard ab und zu mal auf einen längeren Spaziergang mitnehmen und ihn zu uns in den Garten holen, damit er mit Horton spielen kann? Dann bekommt er mehr Bewegung und seine kleine, süße Büffelhüfte ist bald verschwunden.”, schlägt meine Gattin lächelnd vor.

Ich finde diese Idee brillant, aber bin etwas irritiert, weil sie meine Bauchregion gelegentlich auch als “süße, kleine Büffelhüfte” bezeichnet. Und beim Tatort sitze ich auch neben ihr. Merkwürdig! Frau Schneider ist weniger irritiert und willigt strahlend in unseren Vorschlag ein.

Bei Bernhards erstem Besuch in unserem Garten höre ich zufällig, wie sich ein Nachbar über die umhertollenden Hunde äußert. “Na Horton, spielst Du schön mit dem Ball?”

Bernhard mein Freund, das ist noch ein weiter Weg für dich!

Eine Kolumne von Axel Löwenstein

Ausserdem von Axel Löwenstein bei Issn‘ Rüde! erschienen:

Beitragsbild & Quelle: DWilliams / Pixabay